Verdoppelung der Fläche: Mauerpark ohne Mauer

Seit dem Wochenende ist der Mauerpark von acht auf 15 Hektar gewachsen. Nun gibt es auch eine Verbindung vom Wedding in den Prenzlauer Berg.

Blick in den Süden. Der neue Mauerpark ist rechts Foto: Christophe Gateau

Dies ist kein Pop-up-Park. Keine pandemieresiliente Infrastruktur, die mal flugs mit Hütchen erweitert und abgesteckt wurde. Der von 8 auf 15 Hektar vergrößerte Mauerpark, der am Freitag dem Publikum übergeben wurde, ist das Ergebnis einer dreißig Jahre währenden Planung und eines erbitterten Streits. Ein Ergebnis, das sich in weiten Teilen freilich sehen lassen kann. Denn der Mauerpark baut keine neuen Mauern auf, sondern reißt viele alte ein.

Beispielhaft dafür steht der Steinkreis im neuen Parkteil, der ein Scharnier sein soll für das Zusammenwachsen der beiden Stadtteile Prenzlauer Berg und Wedding. Ursprüngliche Befürchtungen, dass die lange Zeit geplanten Neubauten auf den ehemaligen Bahnflächen eine neue Barriere zwischen den ungleichen Vierteln errichten könnte, haben sich als gegenstandslos erwiesen. Denn die Neubauten, die die Groth-Gruppe im Gegenzug für die 7 Hektar neuer Parkfläche bauen durfte, sind ausschließlich nördlich der Gleimstraße entstanden. Freie Fahrt gibt es also nun von der Lortzingstraße im Weddinger Brunnenviertel über den Steinkreis zum Falkplatz in Prenzlauer Berg.

Mit dieser neuen Ost-West-Verbindung spielt der Mauerpark seit Freitag in einer anderen Liga, darf sich messen lassen mit dem Gleisdreieckpark, der ebenfalls zwei ungleiche Viertel, Tiergarten-Süd und Kreuzberg miteinander verbindet und auch von der landeseigenen Grün Berlin GmbH betreut wird.

Auch die Nutzungsvielfalt hat sich mit der Erweiterung deutlich vergrößert. War der alte Mauerpark bislang eine vor allem von Touristen genutzte schmale Nord-Süd-Verbindung, bietet die neue Fläche mit Spielplatz, Birkenwäldchen, Urban Gardening, Sportflächen und einem festen Platz für den Flohmarkt auch Angebote für Anwohnerinnen und Anwohner.

Am Sonntag jedenfalls war der Park gut gefüllt, auch wenn es am Freitag keine Feierlichkeiten gegeben hat und einfach nur der Bauzaun abgebaut wurde. Einzig der Verein der Freunde des Mauerparks hat zu einem kleinen Sektumtrunk am Steinkreis eingeladen. Gegenüber der „Abendschau“ erinnerte dessen Vorsitzender, Alexander Puell, an die Entstehungsgeschichte des Parks. „Ursprünglich sollten hier Townhouses entstehen, aber nach vielen Jahren Kampf ist es nun zum Park gekommen.“

Die vielen Jahre Kampf haben bei den Beteiligten bis heute Spuren hinterlassen. Heiner Funken zum Beispiel hat sich zusammen mit der Stiftung Welt-Bürger-Park dafür eingesetzt, dass es auf dem ehemaligen Mauerstreifen und Bahngelände überhaupt keine Bebauung gibt. Dafür hätte der Senat das gesamte Gelände von der Bahntochter Vivico oder deren Nachfolgerin CA Immo kaufen müssen. „Da war der politische Wille nicht vorhanden“, sagt Funken der taz. Zwar hätte die Bebauung südlich der Gleimstraße bei der Bürgerbeteiligung verhindert werden können. „Doch dann hat der Senat das Genehmigungsverfahren an sich gezogen.“ Er wollte damit einem Bürgerbegehren in Mitte zuvorkommen.

Foto: Grafik Grün Berlin

Für Heiner Funken ist das Ergebnis „kein Grund zum Feiern“. „Als das Gewerbe wegzog, hat sich die Natur das Gelände zurückgeholt, da hätten minimalinvasive Eingriffe genügt“, sagt er. „Aber damit können Beamte und Landschaftsplaner nicht leben, die müssen immer nur asphaltieren und Wege bauen.“

Tatsächlich ist der südliche Teil der Erweiterungsfläche versiegelt. Die Besucherinnen und Besucher des Flohmarkts sollten nicht immer nur im Matsch stehen, hieß es zur Begründung. Lange Zeit waren dort aber auch Parkplätze im Gespräch.

Nach Norden hin aber wird der Park grüner. Die Öffnung zum Wedding wird genutzt. Wer in den Neubauten des Brunnenviertels beengt wohnt, kann mit den Kindern nun in den Mauerpark zum Spielen gehen. Mit der Öffnung, befürchtet Heiner Funken, könnte aber auch eine neue Welle der Gentrifizierung auf den Wedding zurollen. „Jeder, der dort neu baut, wird die Preise in die Höhe treiben“, sagt er.

Das sieht Andreas Otto nicht so. „Auf der Weddinger Seite gibt es mit der landeseigenen Degewo einen Player, der dafür sorgt, dass das kein Schickimicki wird“, ist er überzeugt.

Zur Eröffnung der Parkerweiterung hat Otto, der die Entwicklung des Mauerparks als Anwohner, aber auch als Mitglied der Grünen-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus verfolgt hat, auf Facebook seinen Antrag vom 27. Juli 1990 an die Stadtbezirksversammlung Berlin-Prenzlauer Berg gepostet: „Der ehemalige Grenzstreifen“, heißt es da, „wird als durchgängige Grünzone unter ökologischen Gesichtspunkten gestaltet.“

Im Rückblick, räumt Otto heute ein, habe es in den vergangenen dreißig Jahren auch Niederlagen gegeben. „Natürlich ist es bedauerlich, dass wir nicht die ganze Fläche bekommen haben“, sagt er. Aber das sei Geschichte. „Für mich ist die Erweiterung wie ein zweiter Start“, freut sich der Grüne. „Neben dem Weltbürgerplatz ist die Erweiterung die Chance, dass daraus auch ein Platz für die Anwohner wird.“ Otto wünscht sich deshalb, dass auch die Weddinger den Platz annehmen.

Eines übrigens unterscheidet den Mauerpark von dem am Gleisdreieck. Dort musste die Gastronomie erst in den Park „gepflanzt“ werden. An der Bernauer Straße umschließt der Mauerpark dagegen die „wilden Pflanzungen“, die es schon vor der Erweiterung gegeben hat – die Cafés Mauersegler und das Schönwetter. Aber das ist dann wieder eher was für die Touristen.

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