Verdienstkreuz für Kardinal Marx: Kein unwürdiger Preisträger
Kardinal Marx hat sich durchaus verdient gemacht, doch die Ehrung wäre ein falsches Signal gewesen. Den Orden abzulehnen ist die richtige Entscheidung.
N un hat Reinhard Marx also die Reißleine gezogen. Der Erzbischof von München verzichtet mit Blick auf die Opfer sexualisierter Gewalt in der katholischen Kirche darauf, von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier an diesem Freitag das Bundesverdienstkreuz zu erhalten – es ist die richtige Entscheidung.
Die Opfer hatten gegen den Orden für den Kardinal protestiert, weil Marx sich nicht energisch genug als Bischof von München (und zuvor von Trier) für die Aufarbeitung des Missbrauchsskandals engagiert habe. Was manchen zudem aufstieß, war die zeitliche Nähe der Ordensverleihung an den Betroffenen-Sprecher Matthias Katsch und Pater Klaus Mertes, zwei unbestrittene und hartnäckige Aufklärer der ersten Stunde. Das war vor wenigen Wochen in Bellevue, sie erhielten die Orden aus der Hand des Bundespräsidenten, wie auch für Marx ursprünglich geplant.
Nun konnte Marx nichts für die zeitliche Nähe, das war die Entscheidung des Präsidialamtes. Er sollte den Orden erhalten, so das Amt, weil er sich als Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz von 2014 bis 2020 besonders für Gerechtigkeit und Solidarität in der Gesellschaft engagiert habe: für Geflüchtete, gegen Populismus und Hetze. Ein Engagement, das außergewöhnlich und löblich war. Auch in der Ökumene war Marx vorbildlich, gerade beim Reformationsjubiläum 2017, das nicht zuletzt dank ihm die Volkskirchen eher einte als trennte.
Marx war also kein unwürdiger Preisträger, aber es hing ein Schatten über dieser Ehrung. Vielleicht hätte er den Orden früher ablehnen sollen – mit dem Eingeständnis, beim Missbrauchsskandal nicht genug getan und auch gefehlt zu haben.
Der Kardinal hat einen großen Teil seines Privatvermögens, eine beträchtliche Summe, für eine eigens eingerichtete Stiftung gespendet, die Missbrauchsopfern helfen soll. Das konnte als eine Geste gelesen werden, sich der eigenen Schuld, und sei es der der Unterlassung, bewusst zu sein. Mit seiner neuen Geste der Nicht-Ehrung durch den Bundespräsidenten ist eine Botschaft dazu gekommen. Und nicht die schlechteste.
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