Verdächtige SEK-Beamte in Hanau: Zynisches Desinteresse

Hessens Innenminister Peter Beuth ist nicht nur einfach überfordert – durch seine Amtsführung bagatellisiert er rechtsextreme Gewalt.

Ein Polizeihund mit SEK-Polizisten in Frankfurt/Main

13 rassistische SEK-Beamte waren nach der rassistischen Mordserie in Hanau im Einsatz Foto: Boris Roessler/dpa

Jeder blamiert sich so gut er kann. Zeitgleich mit Mats Hummels’ Münchner Eigentor gab Hessens Innenminister Peter Beuth bei der abendlichen Sondersitzung des Wiesbadener Landtags eine ziemlich klägliche Vorstellung.

Der Minister druckste herum, als er sich Fakten und Bewertungen zu „seinem“ neuen Polizeiskandal aus der Nase ziehen ließ. Auf Nachfrage musste er bestätigen, dass nach den rassistischen Mordanschlägen in Hanau 13 hessische SEK-Beamte im Einsatz waren, gegen die jetzt wegen volksverhetzender Chats ermittelt wird. Rassisten im Einsatz nach einer rassistischen Mordorgie?

Ihr Dienstherr wusste am Mittwoch nicht einmal, ob einer von ihnen an der Einsatzleitung beteiligt war. Er wusste es schlicht nicht. Bei der Vorbereitung der Sitzung hatte er nicht nachgefragt. Als zynisches Desinteresse muss das bei den Angehörigen der Opfer ankommen. „Es ist noch weitaus schlimmer, als wir schon befürchtet hatten“, kommentierte Newroz Duman im Namen der Initiative 19. Februar. Beuth bagatellisiere rechtsextreme Strukturen der hessischen Polizei, so die Traumapädagogin, die sich mit anderen für Aufklärung der Morde und Entschädigung der Opfer einsetzt.

Viele offene Fragen

Zum Jahrestag des Hanauer Anschlags hatten Angehörige der Opfer und Überlebende ihre Beschwerden und Fragen zum Polizeieinsatz und zu den Ermittlungen aufgeschrieben. Sie berichteten über den teils rüden Umgang von Sicherheitskräften mit ihnen. So umstellten schwerbewaffnete SEK-Beamte das Auto, in dem der verzweifelte Vater von Mercedes Kierpacz darauf wartete, endlich zu seiner ermordeten Tochter zu dürfen. Er hatte Todesangst.

Warum wurde das Wohnhaus des Täters erst fünf Stunden nachdem er identifiziert und sein Haus umstellt war gestürmt? Das sind nur einige der vielen offenen Fragen. Was muss bei den Betroffenen die Nachricht auslösen, dass zu unser aller (!) Schutz eingesetzte SEK-Beamte auf ihren Handys munter rechtsextreme Parolen und Nazisymbole teilten?

Und der hessische Innenminister? Er findet einmal mehr nicht die richtigen Worte der Entschuldigung und des Bedauerns. In gewohntem Aktivismus degradiert er Polizeiführer, versetzt auch Unbeteiligte und riskiert die Verschlechterung der Sicherheitslage am Kriminalitätshotspot Frankfurt. Einmal mehr fordert er einen Neuanfang. Längst müsste er selbst den Weg für einen wirklichen Neuanfang frei machen!

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seit 2016 taz-Korrespondent für Hessen, Rheinland-Pfalz und das Saarland. Davor u.a. Moderator, Reporter und CvD bei SWF3 sowie Programmdirektor von radioffn, 15 Jahre lang Landtagskorrespondent für den Hörfunk von hr und ARD, gleichzeitig Autor für den Tagesspiegel 1980 Dipl.Soz. und Wiss. Mitarbeiter Goethe Uni Frankfurt

Am 19. Februar 2020 erschoss der Rechtsextremist Tobias R. an drei verschiedenen Tatorten in der Hanauer Innenstadt neun Menschen:

Kaloyan Velkov, ermordet mit 33 Jahren.

Fatih Saraçoğlu, ermordet mit 34 Jahren.

Sedat Gürbüz, ermordet mit 30 Jahren.

Vili Viorel Păun, ermordet mit 22 Jahren.

Gökhan Gültekin, ermordet mit 37 Jahren.

Mercedes Kierpacz, ermordet mit 35 Jahren.

Ferhat Unvar, ermordet mit 22 Jahren.

Hamza Kurtović, ermordet mit 22 Jahren.

Said Nesar Hashemi, ermordet mit 21 Jahren.

Später ermordete der Attentäter seine Mutter Gabriele R., 72 Jahre alt.

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Hier erfährst du mehr

Rechtsextreme Terroranschläge haben Tradition in Deutschland.

■ Beim Oktoberfest-Attentat im Jahr 1980 starben 13 Menschen in München.

■ Der Nationalsozialistische Untergrund (NSU) um Beate Zschäpe verübte bis 2011 zehn Morde und drei Anschläge.

■ Als Rechtsterroristen verurteilt wurde zuletzt die sächsische „Gruppe Freital“, ebenso die „Oldschool Society“ und die Gruppe „Revolution Chemnitz“.

■ Gegen den Bundeswehrsoldaten Franco A. wird wegen Rechtsterrorverdachts ermittelt.

■ Ein Attentäter erschoss in München im Jahr 2016 auch aus rassistischen Gründen neun Menschen.

■ Der CDU-Politiker Walter Lübcke wurde 2019 getötet. Der Rechtsextremist Stephan Ernst gilt als dringend tatverdächtig.

■ In die Synagoge in Halle versuchte Stephan B. am 9. Oktober 2019 zu stürmen und ermordete zwei Menschen.

■ In Hanau erschoss ein Mann am 19. Februar 2020 in Shisha-Bars neun Menschen und dann seine Mutter und sich selbst. Er hinterließ rassistische Pamphlete.

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