Verdächtige SEK-Beamte in Hanau: Zynisches Desinteresse
Hessens Innenminister Peter Beuth ist nicht nur einfach überfordert – durch seine Amtsführung bagatellisiert er rechtsextreme Gewalt.
J eder blamiert sich so gut er kann. Zeitgleich mit Mats Hummels’ Münchner Eigentor gab Hessens Innenminister Peter Beuth bei der abendlichen Sondersitzung des Wiesbadener Landtags eine ziemlich klägliche Vorstellung.
Der Minister druckste herum, als er sich Fakten und Bewertungen zu „seinem“ neuen Polizeiskandal aus der Nase ziehen ließ. Auf Nachfrage musste er bestätigen, dass nach den rassistischen Mordanschlägen in Hanau 13 hessische SEK-Beamte im Einsatz waren, gegen die jetzt wegen volksverhetzender Chats ermittelt wird. Rassisten im Einsatz nach einer rassistischen Mordorgie?
Ihr Dienstherr wusste am Mittwoch nicht einmal, ob einer von ihnen an der Einsatzleitung beteiligt war. Er wusste es schlicht nicht. Bei der Vorbereitung der Sitzung hatte er nicht nachgefragt. Als zynisches Desinteresse muss das bei den Angehörigen der Opfer ankommen. „Es ist noch weitaus schlimmer, als wir schon befürchtet hatten“, kommentierte Newroz Duman im Namen der Initiative 19. Februar. Beuth bagatellisiere rechtsextreme Strukturen der hessischen Polizei, so die Traumapädagogin, die sich mit anderen für Aufklärung der Morde und Entschädigung der Opfer einsetzt.
Viele offene Fragen
Zum Jahrestag des Hanauer Anschlags hatten Angehörige der Opfer und Überlebende ihre Beschwerden und Fragen zum Polizeieinsatz und zu den Ermittlungen aufgeschrieben. Sie berichteten über den teils rüden Umgang von Sicherheitskräften mit ihnen. So umstellten schwerbewaffnete SEK-Beamte das Auto, in dem der verzweifelte Vater von Mercedes Kierpacz darauf wartete, endlich zu seiner ermordeten Tochter zu dürfen. Er hatte Todesangst.
Warum wurde das Wohnhaus des Täters erst fünf Stunden nachdem er identifiziert und sein Haus umstellt war gestürmt? Das sind nur einige der vielen offenen Fragen. Was muss bei den Betroffenen die Nachricht auslösen, dass zu unser aller (!) Schutz eingesetzte SEK-Beamte auf ihren Handys munter rechtsextreme Parolen und Nazisymbole teilten?
Und der hessische Innenminister? Er findet einmal mehr nicht die richtigen Worte der Entschuldigung und des Bedauerns. In gewohntem Aktivismus degradiert er Polizeiführer, versetzt auch Unbeteiligte und riskiert die Verschlechterung der Sicherheitslage am Kriminalitätshotspot Frankfurt. Einmal mehr fordert er einen Neuanfang. Längst müsste er selbst den Weg für einen wirklichen Neuanfang frei machen!
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