Verdacht gegen Bürgermeister von Halle: Durchsuchung wegen früher Impfung
Der Bürgermeister von Halle drängelte sich bei der Corona-Impfung vor – und verstieß damit wohl auch gegen Gesetze. Die Staatsanwaltschaft durchsuchte nun Diensträume.
Wiegand sei verdächtig, „unter Missachtung der in der Coronavirus-Impfverordnung des Bundesministers für Gesundheit geregelten Impfreihenfolge“ dafür gesorgt zu haben, dass er selbst geimpft wurde.
Wiegand hatte eingeräumt, bereits eine Impfung gegen das Coronavirus erhalten zu haben, obwohl er noch nicht an der Reihe war. Auch mehrere Stadträt:innen in Halle wurden bereits geimpft. Die vorzeitigen Impfungen begründete der Oberbürgermeister damit, dass übrig gebliebene Impfdosen vor dem Wegwerfen bewahrt werden sollten.
Die Staatsanwaltschaft erklärte hingegen, auch Impfreste dürften nur in der bundesweit rechtlich festgelegten Reihenfolge verimpft werden. Dies betreffe zunächst Bevölkerungsgruppen mit dem Risiko für besonders schwere oder gar tödliche Verläufe einer Coronavirus-Infektion.
Wiegand weist alle Vorwürfe zurück
Die Durchsuchung dauerte den Ermittler:innen zufolge am frühen Montagnachmittag noch an und umfasste Wiegands Büro, die Diensträume des städtischen Gesundheitsamts sowie des Impfzentrums. Ziel sei die Beschlagnahmung von Beweismitteln zur Aufklärung des bislang nur in Teilen öffentlich bekannten Sachverhalts, erklärte die Staatsanwaltschaft. Nach Angaben der Justizbehörde liegt bisher ein Anfangsverdacht einer Straftat vor. Die Durchsuchung bedeute keine Vorverurteilung, es gelte die Unschuldsvermutung.
Nach den Vorwürfen im Zusammenhang mit den Coronavirus-Impfungen hatte das Landesverwaltungsamt in Sachsen-Anhalt bereits in der vergangenen Woche ein Diziplinarverfahren gegen Wiegand und zwei Landräte eingeleitet. Geprüft werden mögliche Dienstvergehen aufgrund von Unregelmäßigkeiten bei der Einhaltung der Impfabfolge.
Wie die Landesbehörde am Freitag weiter mitteilte, soll der Oberbürgermeister zudem „mit wahrheitswidrigen Aussagen“ beamtenrechtliche Pflichten verletzt haben. Insgesamt soll es demnach in mindestens 585 Fällen zu einem Verstoß gegen die Priorisierungsvorgaben gekommen sein.
Wiegand wies am Wochenende in einer Erklärung erneut alle Vorwürfe zurück. Es sei „sachgerecht und mit der Corona-Impfverordnung vereinbar“, dass Menschen, die für die Aufrechterhaltung zentraler staatlicher Funktionen eine Schlüsselstellung einnähmen, ein Impfangebot erhalten, wenn es um übrig gebliebene Spritzen gehe und niemand mehr mit der höchsten Priorität erreicht werden könne, erklärte er.
In der Stadt Halle erhielten nach Angaben von Wiegand insgesamt 29 Mitglieder des Katastrophenstabs und Stadträte ein solches Angebot. Zugleich warf Wiegand Sachsen-Anhalts Gesundheitsministerin Petra Grimm-Benne (SPD) Versäumnisse vor, weil sie bislang den Umgang mit Impfstoffresten nicht geregelt habe. „Unser Vorgehen jetzt für rechtswidrig zu erklären und öffentlich anzuprangern, ist schlicht ein Wegducken, indem die Verantwortung auf andere geschoben wird“, kritisierte Wiegand in seiner Erklärung vom Sonntag. Er ist seit 2012 Oberbürgermeister in Halle.
Der Landtag Sachsen-Anhalts hatte zuletzt über Konsequenzen für Impfdrängler:innen diskutiert. Dabei ging es auch um mögliche Strafen.
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