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Verbrechen gegen die MenschlichkeitNoch schweigt der Angeklagte

Der Prozess gegen den Syrer, der mutmaßlich für Assad folterte, geht weiter. Seine angekündigte Aussage machte der Angeklagte am Mittwoch nicht.

Angeklagt unter anderem wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit: Anwar R. Foto: Thomas Lohnes/reuters

Koblenz taz | Da hat Rechtsanwalt Michael Böcker zu viel versprochen. Bei Prozessbeginn hatte der Verteidiger erklärt, es werde vielleicht am dritten Prozesstag schon eine schriftliche Erklärung seines Mandanten geben. Dieser werde sich auch zur Anklage äußern. Und die hat es in sich.

Böcker vertritt den Syrer Anwar R., dem die Bundesanwaltschaft Verbrechen gegen die Menschlichkeit, 58fachen Mord, Folter im mindestens 4.000 Fällen, Vergewaltigung und sexuelle Nötigung vorwirft. R. soll die Ermittlungsabteilung samt einem Foltergefängnis des Allgemeinen Syrischen Geheimdienstes geleitet haben, beides Teil der berüchtigten Abteilung 251. Seit letzter Woche steht er in Koblenz vor dem Oberlandesgericht. Weltweit zum ersten Mal muss sich ein mutmaßlicher Folterknecht des Assad-Regimes vor Gericht verantworten.

R.s Erklärung aber lässt auf sich warten. Das Gericht hat unterdessen die ersten ZeugInnen gehört – am Mittwoch Beamtinnen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge und des Auswärtigen Amts. Sie machten klar, dass R. im Juli 2014 nach Deutschland einreiste – als Teil eines Aufnahmeprogramms für 5.000 besonders schutzbedürftige syrische Flüchtlinge, das das Bundesinnenministerium 2013 aufgelegt hatte. R., so hieß es, sei „aus politischen Gründen“ nach Deutschland geholt worden. Der Grund: eine Empfehlung von Riad Seif, einem lang­jährigen syrischen Oppositionellen.

Das Auswärtige Amt bestätigte R. „im Grundsatz“ eine „aktive Rolle“ in der syrischen Opposition. So habe R. Anfang 2014 an den Friedensgesprächen Genf II teilgenommen. Als R. ein knappes Jahr nach seiner Einreise in Deutschland für sich und seine Familie einen Asylantrag stellte, wurde ihm ohne Anhörung Asyl gewährt. Als R. sich Ende 2012 nach Jordanien absetzte, scheint er also eine bemerkenswerte Wandlung vollzogen zu haben.

Hinweise aus Schweden, Norwegen und Frankreich

Die Ermittlungen gegen R. in Deutschland wurden von ihm selbst ausgelöst, hatte zuvor der zuständige Ermittlungsleiter des Bundeskriminalamts ausgesagt. Einmal wurde R. als Zeuge in anderen Ermittlungen befragt, einmal ging er in Berlin, wo er als Flüchtling bis zu seiner Verhaftung lebte, selbst zur Polizei. R. fühlte sich vom syrischen Geheimdienst verfolgt – und suchte Hilfe. Als er dort den Beamten vorsichtig von seiner Tätigkeit in Damaskus berichtete, sendeten dieses einen Hinweis an das BKA.

Dort begann man Informa­tionen über R. zusammenzu­tragen. Im BKA hatte sich bereits viel Wissen über Syrien angehäuft, seit September 2011 läuft ein sogenanntes Strukturverfahren. Der Ermittlungsleiter fragte beim Bundesnachrichtendienst nach und bei einer NGO namens CIJA, die Dokumente, die Aktivisten aus Syrien herausgeschmuggelt haben, auswertet und archiviert.

Er überprüfte die Bilder des ehemaligen syrischen Militärfotografen mit dem Decknamen „Caesar“, der Tausende Fotos von zu Tode gefolterten Gefangenen gemacht hat. Und er suchte nach Zeugen. Eine Aussage zur Abteilung 251, in der der Name R. fiel, lag dem BKA schon vor. Hinweise auf Opferzeugen kamen auch aus Schweden, Norwegen und Frankreich. Insgesamt habe man 70 Zeugen befragt.

Der BKA-Mann berichtete auch von Foltermethoden, die er nach Auswertung zahlreicher Opferaussagen für „Standard“ hält. Das sogenannte „Falaka“ gehört dazu, Schläge auf die besonders empfindlichen Fußsohlen. „Dulab“, wobei Gefangene in einen Reifen gesteckt und geschlagen werden. Elektroschocks. Das Aufhängen an der Decke, sodass die Fußspitzen gerade den Boden berühren. Inhaftierte, berichtete der BKA-Beamte, wurden so stunden-, manchmal tagelang hängen gelassen- und dabei geschlagen oder auch mit Zigaretten verbrannt.

Ähnliches sagte auch Laura Thurmann, eine Ethnologin, die kurz beim Phänomenbereich Syrien des BKA gearbeitet hat und im Auftrag der Bundesanwaltschaft ein Gutachten über die Situation in Syrien 2011/2012 erstellt hat. Im März 2011 begannen die Proteste gegen das Regime von Baschar al-Assad und dessen brutale Versuche, diese zu unterdrücken. Kurz vor Weihnachten 2012 setzte R. sich aus Syrien ab.

Der Prozess wird am 18. Mai fortgesetzt. Dann wird Verteidiger Böcker wahrscheinlich auch die Erklärung R.s verlesen.

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4 Kommentare

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  • Nun, Syrien ist eine souveräne Diktatur, seit 50 Jahren im Besitz des Assad-Clans. Wo kämen wir denn hin, wenn Folterer des Regimes in einem rechtsstaatlichen Verfahren für die von ihnen begangen Taten zur Verantwortung gezogen würden? Das muss unterbunden werden!

    • @Michael Quidan:

      Gegen die al-Assad Familie wird in Europa inzwischen sogar in einem gewissen Maße juristisch vorgegangen.

      Gegen Rifaat al-Assad, Onkel des aktuellen Diktators, ehemaliger Vizepräsident und aufgrund seiner angeordneten Massaker in Hama 1982 mit 20.000-30.000 Toten und der Hinrichtungen in seinem Gefängnis Tadmur zumindest mal verdächtig Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen zu haben und inzwischen in Europa im Exil lebend. Wird inzwischen in Spanien und Frankreich ermittelt, wo das ganze Geld eigentlich herkommt das er hier ausgibt, 690 Millionen Euro zusammen.

      m.dw.com/de/paris-...prozess/a-53286177

      • @Sven Günther:

        Riffat al-Assad ist inzwischen über 80. Leider sehr unwahrscheinlich, dass der einen Staatsanwalt oder Richter zu Gesicht bekommt.



        Das Massaker von Hama dürfte übrigens die Radikalisierung der syrischen Islamisten angetrieben haben wie kein anderes Ereignis.

        • @Michael Quidan:

          Das dürfte leider eher unwahrscheinlich sein, da haben Sie sicherlich Recht.

          Aber da gibt es ja noch Kinder und Enkel und man muss die ja nicht im Luxus mit geklauten Geld hier leben lassen.