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Verbandschef über manipulierte Spiele„Wir lassen das nicht schleifen“

Offenbar wurde der Ausgang von Fußballspielen manipuliert, auch in der Oberliga Hamburg. Verbandschef Christian Okun über Datenscouts und das Darknet.

Ball liegt auf dem Elfmeterpunkt: Eigentlich weiß vorher keiner, ob der reingeht oder nicht Foto: David Inderlied/dpa
Alina Götz
Interview von Alina Götz

taz: Wie haben Sie die Nachricht aufgenommen, dass offenbar vorsätzlich Fußballspiele manipuliert worden sind?

Christian Okun: Besonders überrascht hat mich das nicht. Es ist schon so, dass wir uns nach Erscheinen der ARD-Doku zu dem Thema vor einem Monat mit der Thematik beschäftigt haben. Allerdings stellt der Artikel das alles sehr nebulös dar. Mir konnte die Redaktion auch nicht sagen, um welche Spiele es in Hamburg genau gehen soll.

taz: Was wissen Sie denn derzeit über die Vorwürfe?

Okun: Es gibt Anhaltspunkte, dass in ganz Deutschland, also auch in Hamburg, irgendwelche Datenscouts rumlaufen. Das gibt es immer wieder mal. Über Wetten oder etwaige Spielmanipulationen wissen wir derzeit nichts gesichert.

taz: Datenscouts?

Okun: Das sind Menschen, die auf die Anlagen kommen und über ihr Handy – verbal oder schriftlich – Daten an Dritte weitergeben. Nicht nur den Spielstand, sondern auch, wer den Ball hat, in welche Richtung es gerade geht, wer gleich einen Elfmeter schießt. Am vorletzten Wochenende wurden auch in Hamburg Leute aufgegriffen, unter anderem bei Altona 93.

taz: Was ist der Unterschied zu den Livestreams, die Sie anbieten?

Bild: HFV
Im Interview: Christian Okun

46, ist Präsident des Hamburger Fußball-Verbandes (HFV). War früher als Fußballewr aktiv und begann seine Laufbahn als Schiedsrichter 1994 beim Bahrenfelder SV.

Okun: Wir übertragen in dieser Saison alle Spiele der Gamesright Oberliga. Jeder kann sich die Spiele auf dem Streaming-Portal des HFV angucken. Es gibt aber einen großen Unterschied zu der Datenübertragung durch Datenscouts, denn wenn ich mir den Stream anschaue, ist der Zeitverzug zwischen dem Tor und der Übertragung der Szene zu groß. Die Datenscouts hingegen vermitteln die Fakten sekundenschnell an die Wettanbieter. Die Datenmenge von Audio oder Text ist geringer als bei Video. Das bedeutet konkret, dass wir unser Streaming-Angebot als unproblematisch für diesen Zusammenhang sehen können.

taz: Was können die Vereine tun, wenn sie solche Daten­scouts bemerken?

Okun: Sicher erkennen kann man die Personen nicht. Aber wenn einem Verein das auffällt, sollten sie die Personen der Anlage verweisen, zur Not mithilfe der Polizei. Wir haben am Montag vergangener Woche die Vereine auch darüber informiert. Die wissen Bescheid, wir sind in Kontakt und lassen die Vereine nicht allein. Denn das, was die Datenscouts tun, ist verboten. Genauso, wie es verboten ist, auf deutsche Amateurspiele zu wetten.

taz: Es passiert trotzdem.

Okun: Wenn Sie die Internetseite eines Wettanbieters in Deutschland aufrufen, gibt es dort keine Amateurspiele, auf die gewettet werden kann. Aber wie bei nahezu allen Dingen: Wenn man die Spiele finden will, findet man die auch im Internet. Dieses Problem können aber weder der HFV noch der DFB lösen. Ich kann dem Darknet nicht einfach den Stecker ziehen.

taz: Wie untersuchen Sie die Vorwürfe jetzt?

Okun: Es gibt derzeit eine Datenanalyse in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Fußballbund (DFB). Sollte es Anhaltspunkte für Unregelmäßigkeiten geben, würde der DFB grundsätzlich immer die betreffenden Landesverbände über entsprechende Auffälligkeiten informieren. In diesem Fall würden wir Gespräche mit den Vereinen suchen und uns die Details genauer anschauen: Welche Spieler stehen zum Beispiel auf dem Spielbericht, welcher Schiri hat gepfiffen oder welche Einflüsse auf die Tabellensituation hat ein Ergebnis?

taz: Was hat das Wetten mit Spielmanipulation zu tun?

Okun: Nicht zwangsläufig etwas. Die Wette auf ein Spiel ist nicht immer verbunden mit einer Manipulation. Im Moment habe ich keine gesicherte Erkenntnis darüber, dass in Hamburg oder anderswo Spiele tatsächlich manipuliert worden sind. Indizien darauf sind sehr hohe Wetteinsätze auf Spiele, bei denen man solche Summen normalerweise nicht hat, oder viele kleine Wetten auf ein Spiel. Das haben wir aber bisher nicht vermittelt bekommen. Der DFB hat dazu noch nichts rausgefunden.

taz: Wie geht es jetzt weiter?

Okun: Wir gehen der Sache nach, analysieren das. Die Analyse ist nicht trivial. Wenn sich Beweise auf Wetten oder Spielmanipulationen finden, werden wir das zur Anzeige bringen. Ende September steht ohnehin eine Konferenz von Landesverbänden und DFB an. Da werden wir das besprechen. Außerdem werden wir uns mit den Verantwortlichen der Oberliga-Mannschaften zusammensetzen und für das Thema sensibilisieren. Ob daraus weitere Maßnahmen entstehen, werden wir noch beraten. Wir haben keinerlei Interesse, das schleifen zu lassen.

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4 Kommentare

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  • Datenscouts verfolgen Spiele, übermitteln die relevanten Daten an Wettanbieter und diese lassen das Platzieren von Wetten WÄHREND des Spiels zu und der Geschwindigkeitsunrerschied zwischen „offizieller“ Information und Datenscout wird zum Wetten genutzt. Hab ich das Modell so richtig beschrieben?

    Ziemlich beknackt aus Wettanbietersicht Wetten während des Spiel zu erlauben, oder?

    • @Andi S:

      Ganz im Gegenteil. Die überwältigenden Einnahmen der Anbieter entstehen durch die Live-Wetten, da sich dort die Quoten teils in Sekunden hoch und runter verschieben, was neben den verheißungsvollen, teils gewaltigen Quotensprüngen (Zocken) zum Scalping animiert. Du setzt einen hohen Betrag auf Sieg Team A für eine etwas höhere Quote, wartest darauf, dass die Quote etwas sinkt, und verkaufst die Wette wieder. Funktioniert für den Wetter (Trader) zwar langfristig nicht, weil an irgendeinem Punkt (Tor Team B) die Quote nie wieder weit genug fällt - und man einen Totalverlust erleidet. Aber durch die vielen einzelnen Wettabschlüsse beim Live-Wetten gewinnt "die Bank" umso mehr.

      Das ist im Grunde erstmal kein Wettbetrug. Wie beim Roulette sollte der Gast stets wissen, dass die Quoten eine Gewinnmarge zugunsten "des Hauses" beinhalten.

      Juristisch relevant wird es prinzipiell bei Spielmanipulationen. Um ihnen vorzubeugen, gibt es in Deutschland das Verbot, überhaupt auf Amateurspiele Wetten anzubieten. Spielmanipulationen schaden offensichtlich auch den Buchmachern, weshalb sie oft schon beim Verdacht aufgrund bestimmter Wetteinsätze die Spiele prophylaktisch aus dem Sortiment nehmen.

      • @Inge Koschmidder:

        Danke Inge, ich dachte immer, dass mit dem Anpfiff Schluss wäre. Bin wohl old school 😁

    • @Andi S:

      Danke für die "Vermutung". Das könnte Sinn machen. Ich rätsele auch schon die ganze Zeit über das Geschäftsmodell.

      Wenn deine Vermutung zutrifft, ginge es hier allerdings weniger um manipulierte Spiele, als um sowas wie Wettbetrug. Das passt nicht zum Titel.

      Eine kurze Erklärung seitens der taz-Redaktion wäre vielleicht erhellend. (Halloo :-))