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Verarbeitung von KunststoffabfallFahren auf dem Müllteppich

Ein Baukonzern will Plastik aus den Ozeanen zu Straßen verarbeiten. Das lässt Experten aufhorchen, doch die ökologischen Folgen sind ungeklärt.

Mehrere Millionen Tonnen Plastik zirkulieren inzwischen auf den Meeren der Welt. Foto: dpa

Freiburg taz | Ist das verrückt oder ist das die Zukunft? Der niederländische Baukonzern Volker Wessels will Kunststoffmüll zu Straßen verarbeiten. Schon die Idee sorgt für Aufsehen, doch noch spektakulärer ist die geplante Quelle des Rohstoffs: Das Plastik soll aus den Ozeanen geholt werden, wo nach Zahlen der Firma inzwischen acht Millionen Tonnen zirkulieren.

Und es ist nicht irgendeine Klitsche, von der die Idee stammt: Volker Wessels ist das zweitgrößte niederländische Bauunternehmen; die 120 Firmen, die unter dessen Dach arbeiten, beschäftigen 15.000 Menschen. Darum nehmen auch Beobachter in Deutschland das ungewöhnliche Projekt durchaus ernst: „Es gibt noch viel Arbeit, aber die Sache hat Potenzial“, resümiert etwa Professor Markus Oeser vom Institut für Straßenwesen der RWTH Aachen. Und auch die Bundesanstalt für Straßenwesen findet die Idee „bestechend“, räumt aber ebenfalls ein, dass „das eine oder andere Detailproblem“ noch gelöst werden müsse.

Wobei die Bezeichnung „Detailproblem“ am Ende doch etwas untertrieben ist. Denn es gibt eine ganze Reihe von offenen Fragen – technische und wirtschaftliche, ökologische und sicherheitsrelevante. Einige benennt auch die Bundesanstalt: Wie steht es um die Griffigkeit der Oberfläche und die Fugenausbildung zwischen den einzelnen Plastikelementen? Wie vermeidet man den Auftrieb des leichten Fahrbahnmaterials, und wie alterungsbeständig und belastbar ist der Baustoff aus dem maritimen Müll?

Das Umweltbundesamt fürchtet unterdessen, dass durch Abrieb und Auswaschungen „ein unerwünschter Eintrag von Kunststoffen in die Umwelt erfolgen“ kann. Denn Untersuchungen zu den Umweltauswirkungen solcher Verkehrstrassen aus Plastik gibt es noch nicht. Zumal die ökologischen Folgen der Fahrwege auch stark davon abhängen dürften, welche Kunststoffe man aus dem Meer sammelt; immerhin gibt es über 200 verschiedene Arten.

Diffuses Konzept mit Raum zum Downcycling

Der Chemiker Michael Braungart vom Hamburger Epea-Institut, internationaler Vordenker der Kreislaufwirtschaft, ist daher ebenfalls skeptisch: Der Kunststoff PET, der häufig für Getränkeflaschen verwendet wird, sei zum Beispiel mit dem giftigen Antimon kontaminiert. Dieser Stoff sei dann auch im Straßenmaterial und in der Folge möglicherweise auch in Böden und Grundwasser zu finden.

Gesucht werden Investoren ohne Angst vor Detailproblemen

Noch ist das Konzept zwar in vielen Punkten diffus, doch Braungart fürchtet, dass es sich dabei „um einen dramatischen und leider typischen Fall von Downcycling“ handeln könnte: Ungeeignete Materialien würden für einen falschen Zweck wiederverwendet. Zudem weist der Chemiker und Verfahrenstechniker darauf hin, dass Straßen aus Plastikmüll auch Sicherheitsprobleme bergen können, etwa wegen ihrer Brennbarkeit.

Auch Straßenbauexperte Oeser benennt einige Punkte, von denen jeder einzelne das ganze Konzept zu Fall bringen könnte: Kann eine rutschfeste Textur entwickelt werden, die zugleich gute Drainageeigenschaften besitzt? Können Herstellungs- und Verlegetechnologien entwickelt werden, die ökonomisch einsetzbar sind?

Das niederländische Bauunternehmen jedenfalls ist überzeugt davon, dass die Plastikstraßen eines Tages einfacher und günstiger zu bauen sein werden als Straßen aus Asphalt. Sie hielten dreimal so lange und könnten Temperaturen von minus 40 bis plus 80 Grad widerstehen. Zudem böten sie die Möglichkeit, die Ver- und Entsorgungsleitungen in den Hohlräumen der Elemente zu verstauen. Im Gegensatz zu einer konventionellen Straße würden die Plastikstraßen industriell vorproduziert und dann vor Ort verlegt.

Aber bislang ist das alles eben nur eine Idee, nirgends auf der Welt gibt es bislang eine solche Plastikstraße. Der Konzern Volker Wessels sucht nun nach Investoren und Partnern – solchen, die sich von „Detailproblemen“ nicht abschrecken lassen.

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8 Kommentare

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  • Sieht eher so aus, als wollte jemand aus Makropartikelmüll nun Micropartikelmüll machen. Nur weil der größte Teil vom Abrieb unsichtbar ist, ist der ja nicht "weg"

     

    Zudem: Das Sb dient der Stabilisiereung, es ist dann (noch) keine Kontamination. Es ist ferner zu prüfen, ob und in welcher Form solche Zusaätze abgegeben werden...

  • Fände ich gut.

    Straßen, auf denen LKWs u.U. nicht fahren können wegen zuviel Abrieb, auf denen es auch für PKWs eine deutliche Geschwindigkeitsbegrenzung geben muss und sorgsam gepflegt werden müssen.

     

    Für Fuß-, Rad- und Schleichwege ideal und der Rest soll eh auf die Schiene.

  • 80 grad plus ? Das wird an bestimmten Stellen im Sommer aber ganz schnell erreicht, von Reibungswärme gar nicht zu reden!

  • Machen kann man vieles, und es geschieht auch. Wer Straßen baut, der weiß auch, daß es durch den Straßenverkehr einen Abrieb gibt, der sich in Form von Feinstaub überall hin ausbreitet. Und wer als Material Plastikmüll verwenden will, der weiß es ebenso, und vorrangig weiß er auch, welche verheerenden Langzeitfolgen es nach sich zieht.

     

    Doch die Idee des schnellen Euro ist vielschichtig. Egal, ob Lebensmittel, Düngemittel, Tierarzneimittel oder Straßenbau, die einzige wirkliche Gemeinsamkeit zwischen allem besteht darin, daß Moral darin nicht vorkommt.

  • Sorry - grab ich im Gedächtnis -

     

    Gibt es nicht eine Region im Norden

    Italiens - einst bekannt für sein begehrtes

    Gemüse etc - die schwer getroffen dadurch ist -

    Daß die Mafia - Plastikmüll via Straßenbelag

    "entsorgte" und das ausgewaschene Plastik sich in der

    Wachstumskette widerfand/findet?!

     

    kurz - schwer vorstellbar - die unübersehbaren Variationen

    von industriell gefertigtem Plastik in einem - erneuten -

    Fertigungsverfahren so zu binden, daß es sich nicht

    via Abrieb Erosion etc nicht in die

    Naturketten wiederfindet -

    Seinerseits mit unabsehbaren Folgen.

    • @Lowandorder:

      & - nochens

       

      All das in einer Branche - traditionell als übel betrügerisch-skrupellos beleumundet - wie jeder weiß - der mal eine weiß-rote Stange in der Hand gehabt oder die Nase ins Planungsrecht gesteckt hat.

      kurz - Na Mahlzeit! - oder -

      "Ne Pizza legen" - in völlig neuer Bedeutung (für Uli H.50usB;)

      http://www.taz.de/Verarbeitung-von-Kunststoffabfall/!5229186/

       

      ps wars Ligurien ? - taz berichtete!

  • Wenn es möglich wäre aus den erdölbasierten Plastikabfällen Bitumen herzustellen, das neben verschiedenen zugemischten Gesteinskörnungen wesentlicher Bestandteil von Asphalt ist, hätte man vielleicht wirklich eines der größten Umweltprobleme nicht nur unserer Ozeane, sondern auch vieler Entwicklungsländer entschärft. Denn diese drohen, ob in Afrika, Asien oder Lateinamerika, ebenfalls zunehmend zu vermüllen.

  • Atmungsaktive Plaststoffe für die Verwendung im Straßebau? Hm ...