Venezuelas Generalstaatsanwältin: Es droht die Amtsenthebung
Seit sich Luisa Ortega Díaz mit dem Obersten Gericht angelegt hat, steht die Anwältin im Rampenlicht. Sie sieht die Menschenrechte in Gefahr.

Vor Gericht: Generalstaatsanwältin Luisa Ortega Díaz Foto: reuters
BUENOS AIRES taz | Seit Monaten steht Venezuelas Generalstaatsanwältin Luisa Ortega Díaz im Rampenlicht. Am Montag ging sie mit einem auf YouTube eingestellten Statement an die Öffentlichkeit. Sie warnte, dass die Menschenrechte und Institutionen in ihrem Heimatland in Gefahr seien, und versicherte, dass sie und ihre Behörde standhaft auf die Einhaltung der Verfassung pochen werden.
Am Mittwoch muss die 59-Jährige vor dem Obersten Gericht erscheinen, das über ihren Verbleib im Amt entscheiden soll. Schon jetzt darf sie das Land nicht mehr verlassen. Ihre Konten sind eingefroren.
Die auf Straf- und Prozessrecht spezialisierte Anwältin Luisa Ortega Díaz arbeitet seit 15 Jahren im Ministerio Público, einer autonomen Behörde, die eine Schlüsselfunktion im venezolanischen Strafrechtssystem hat. Das Ministerium hat das Monopol auf die Strafrechtsverfolgung, entscheidet, wer angeklagt wird, und leitet die entsprechenden Untersuchungen ein.
Im Dezember 2007 wurde Luisa Ortega Díaz zur Generalstaatsanwältin gewählt. Sieben Jahre später erfolgte ihre Wiederwahl. Ihre zweite Amtsperiode endet offiziell 2021. Beide Wahlen gewann sie mit der chavistischen Parlamentsmehrheit.
Bei Protesten gegen die Regierung in Venezuela ist erneut ein junger Mann getötet worden. Der 25-Jährige sei bei Zusammenstößen während einer Straßenblockade in Táriba im Westen des Landes ums Leben gekommen, teilte die Staatsanwaltschaft am Dienstag mit. Die genauen Todesumstände seien unklar, es seien Ermittlungen eingeleitet worden. Gut drei Monate nach Beginn der Protestwelle gegen Präsident Nicolás Maduro stieg die Zahl Toten somit auf 91. (afp)
Doch seit sie sich mit dem Obersten Gericht angelegt hat, steht sie selbst unter Feuer. Luisa Ortega Díaz hat die Entscheidung der Richter zur Entmachtung der Nationalversammlung kritisiert und erfolgreich deren Rücknahme verlangt. Sie leitete Ermittlungsverfahren gegen mehrere Richter ein. Sie sprach sich gegen die Entscheidung der Obersten Richter aus, die eine vom Präsidenten vorgeschlagene verfassungsgebende Versammlung für verfassungskonform erklärt hatte. Mehrfach hat sie die militärische Überwachung regierungskritischer Demonstrationen sowie willkürliche Polizeiaktionen angeprangert.
Staatsanwälte des Ministeriums weigerten sich, gegen festgenommene Demonstranten zu ermitteln oder gar Anklage zu erheben. Wie heftig der Druck auf das Ministerium wurde, zeigte sich, als Luisa Ortega Díaz bei der Interamerikanischen Kommission für Menschenrechte um Schutzmaßnahmen für ihre Mitarbeiter nachsuchen musste.
Leser*innenkommentare
Henning Lilge
Staatsanwälte des Ministeriums weigerten sich, gegen festgenommene Demonstranten zu ermitteln oder gar Anklage zu erheben.- was ist daran eine Qualität? Wenn die Demonstranten Straftaten begangen haben, sollte ermittelt werden, wenn die Polizei Straftaten begangen hat, ebenfalls. Einseitigkeit ist nicht Aufgabe von Generalstaatsanwälten, ebenso nicht die parteipolitische Stellungnahme.
Claudia M.
Nun ja, genau das ist die Aufgabe einer Staatsanwaltschaft: vollkommen unabhängig von der Exekutive und von der Berichterstattung der Staatsmedien zu entscheiden, ob genügend Hinweise auf eine strafbare Handlung einer festgenommenen Person vorliegen, um Ermittlungen einzuleiten und Anklage zu erheben.
Sie fragen nach der Qualität daran: Man nennt es Gewaltenteilung, ein wesentliches Merkmal von demokratischen Systemen.
Falls das alles zu abstrakt ist, stellen sie sich das Szenario einfach übertragen auf Deutschland vor. Stellen sie sich vor, nicht die Staatsanwaltschaft, sondern der Hamburger Polizeipräsident oder Frau Merkel bzw. Herr Steinmeier persönlich würden darüber entscheiden, ob Anklage gegen einen festgenommenen G20 Gegener erhoben wird. Na, wie fänden sie das?
Claudia M.
"autonome Behörde", tja das klingt nach unabhängiger Justiz und Gewaltenteilung. Beides gibt es in einer Diktatur nicht mehr und deswegen darf es eine kritische Generalstaatsanwältin auch nicht geben. Dass laut Verfassung eigentlich nur das Parlament und nicht das Oberste Gericht über die Amtsenthebung der Generalstaatsanwältin entscheiden darf ... wen interessiert's in Venezuela