Vattenfall nach dem Volksentscheid: Kraftwerk auf der Kippe
Das Gas- und Dampfturbinenkraftwerk Wedel ist genehmigt worden. Nach dem Volksentscheid in Hamburg steht das Projekt aber auf tönernen Füßen.
Das Innovationskraftwerk in Wedel an der westlichen Hamburger Stadtgrenze darf gebaut werden. Das schleswig-holsteinische Energieministerium hat jetzt die Genehmigung für den Bau des fast 500 Millionen Euro teuren Projekts erteilt.
Ob das Kraftwerk aber tatsächlich errichtet wird, ist allerdings noch offen: Der Hamburger Volksentscheid vom 22. September für die Rekommunalisierung der Energienetze hat die Hürden für das Vorhaben erhöht, zudem steht auch in der 30.000-Einwohner-Stadt Wedel selbst noch ein Bürgerentscheid gegen das Werk an.
Die Genehmigung enthält nach Ministeriumsangaben eine Reihe von Auflagen, „um die Anwohner während der Bau- und Betriebsphase vor erheblichen Lärmbeeinträchtigungen zu schützen“.
Nach Ansicht der grünen Energie-Staatssekretärin Ingrid Nestle ist das Werk „eine sinnvolle Brückentechnologie für die Energiewende, weil es im Gegensatz zu Großkraftwerken variabel Strom liefern kann“. Wichtig sei, dass „die innovativen Elemente der Planungen, wie die Speicherung von Windstrom, auch genutzt werden“.
„Wir können bauen“, bestätigte Vattenfall-Sprecher Stefan Kleimeier zwar am Dienstag. Die offizielle Investitionsentscheidung sei allerdings noch nicht gefallen. Zunächst werde Vattenfall „in Kürze mit der Stadt Hamburg über das weitere Vorgehen sprechen“.
Denn das Gas- und Dampfturbinenkraftwerk (GUD) ist Bestandteil der energiepolitischen Vereinbarungen zwischen der Stadt und dem Konzern vom November 2011. Damit hatte Hamburg einen Anteil von 25,1 Prozent an der Betriebsgesellschaft für das Fernwärmenetz und die Kraftwerke erworben.
Diese Verträge sind jedoch wegen des Volksentscheids zur Rekommunalisierung der Energienetze für Strom, Gas und Fernwärme hinfällig. Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) hatte deshalb vorige Woche vor der Bürgerschaft angekündigt, „zügig“ mit Vattenfall darüber sprechen zu wollen, ob das Unternehmen seine drei Viertel an den Netzgesellschaften an die Stadt verkaufen wolle. Wenn nicht, würden die Verträge rückabgewickelt.
Der Wedeler Kraftwerksneubau ist in den Verträgen jedoch nicht rechtsverbindlich festgeschrieben, sondern nur „beabsichtigt“. Für Vattenfall sei das Projekt aber weiterhin, sagt Kleimeier, „die bevorzugte Lösung“.
Die Alternative wäre, stattdessen das kurz vor der Inbetriebnahme stehende Kohlekraftwerk in Hamburg-Moorburg um eine Fernwärmeauskopplung zu ergänzen.
Diesen ursprünglichen Plan hatte Vattenfall in Abstimmung mit dem Senat ausgesetzt, könnte ihn aber wieder aufnehmen. Damit verbunden wäre die umstrittene Moorburg-Trasse: eine Fernwärmeleitung unter der Elbe hinweg und durch einen Grünzug hindurch nach Altona.
Diese Trasse war 2010 an Parkbesetzern gescheitert, die im Winter monatelang in Baumhäusern campierten, um das Fällen von rund 400 Bäumen zu verhindern. An einem Wiederaufflammen dieses Konflikts aber hat der Senat keinerlei Interesse.
Das GUD-Kraftwerk Wedel soll neben dem dortigen fast 50 Jahre alten Heizkraftwerk an der Elbe errichtet werden und etwa 180.000 Haushalte im Hamburger Westen mit Fernwärme und Strom versorgen. Zudem soll das Werk Wind zu Wärme machen können: Mit zeitweise überschüssigem Windstrom können bis zu 60.000 Kubikmeter Wasser in einem speziellen Speicher auf fast 100 Grad erhitzt werden. Dieses kann dann in die Fernwärmeleitungen fließen und somit bis zu zwei Tage lang die Wärmeerzeugung aus Gas ersetzen.
„Wir werden die Genehmigung sorgfältig prüfen und unsere Widersprüche einlegen“, sagt Kerstin Lueckow von der Bürgerinitiative „Kein Mega-Kraftwerk Wedel“.
Zudem steht auch ein Bürgerentscheid über das Kraftwerk an. Der Termin ist noch offen, dürfte aber Anfang nächsten Jahres liegen. Nach dem erfolgreichen Volksentscheid in Hamburg ist Lueckow „auch für Wedel optimistisch“.
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