Väter und Kinder: Lass mich mal machen!
Er will sich ja kümmern, der Vater. Aber alle sind gegen ihn: die Ämter, die Tradition, die Gesellschaft und nicht zuletzt die Mutter.
Er ist da: „Kates kleiner Prinz“, titeln Boulevardblätter. Die Queen hat einen Urenkel. Die Eltern sind glücklich, die Mutter ist wohlauf und der Vater darf das Baby auch mal kurz halten. Er lächelt.
Kate wird nun von aller Welt beobachtet, wie sie sich als Mutter macht. Und William, der Vater? Er wird wieder schnell seiner Arbeit nachgehen und fleißig repräsentieren. Die Vaterschaft ist die große Nebenrolle seines Lebens. Mehr nicht.
Die Hauptrolle hat die Mutter. Sie wird milde lächelnd zusehen, wie William bisweilen auch eine Windel wechselt. Und vielleicht beginnt dann die Schwärmerei vom metrosexuellen Monarchen. So wie wir einst zu schwärmen hatten von diesem fußballspielenden Gecken David Beckham, der zum Ideal des modernen Vaters wurde, nur weil er die Geburtstage seiner Kinder aufsagen konnte, ohne zu stottern. Und doch ist es wie im richtigen Leben: Die Väter Prinz William und David Beckham haben mit dem Baby kaum etwas zu tun.
Die Mutter macht’s. Praktisch ist das für die Väter. Und die meisten lassen es sich gerne gefallen, wenn ihnen ihr Kind abgenommen wird, wenn sie im Alltag als Ingenieur, Journalist, Lehrer, Schreiner oder Sachbearbeiter ihren Mann stehen, aber nie auf ihre Rolle als Vater angesprochen werden.
Kritischer Blick
Klaglos fügen sich immer noch viel zu viele Mütter in ihre Rolle als Glucke, finden verständnisvolle Worte für ihre Männer, wenn diese aus dem gemeinsamen Schlafzimmer ausziehen, weil sie das Geschrei des Säuglings um den Schlaf bringt. Brauchen Mütter keinen Schlaf?
Und wenn sich der Vater tatsächlich einmal am Wickeltisch versucht, dann schauen etliche Frauen ihrem Partner kritisch über die Schultern, bereit, bei der kleinsten Unsicherheit das Geschäft mit dem Geschäft wieder an sich zu reißen. Lass mich mal machen!
Es ist ein Jammer. Da versucht der Staat mit seiner Gesetzgebung ein gleichberechtigteres Leben für Paare zu ermöglichen, aber viele scheinen davon nichts wissen zu wollen. Aus Bequemlichkeit verzichten die Väter darauf, eine echte Bindung zu ihrem Kind aufzubauen. Denn: Leicht ist das nicht bei diesen hässlichen, verschrumpelten Säuglingen, deren Gesicht nach der Geburt mehr an Konrad Adenauer erinnert als an das der Frau, in die er sich einst so verliebt hat. Aber es geht – Mütter schaffen das ja auch.
Sie ziehen jedoch völlig überzogene Schlüsse daraus, nehmen in den ersten beiden Lebensjahren des Kindes fast eine Rolle als Alleinerziehende an, als sei das eine naturgesetzliche Verpflichtung. Gesetze können die Rollenverteilung, die sich so fortschreibt, nicht aufbrechen. Die Gesellschaft müsste sich von der Familie aus verändern.
Teilzeit vielleicht
Dass Männer bei Vorstellungsgesprächen nicht nach gerade geborenen Kindern gefragt werden, obwohl diese im Lebenslauf aufgeführt sind, wird sich erst ändern, wenn es normal geworden ist, dass Säuglinge zwei Bezugspersonen haben. Vielleicht ist dann auch endlich von Vätern die Rede, wenn über die Vereinbarkeit von Familie und Beruf geschrieben wird. Auch in unserer Titelgeschichte letzte Woche kamen sie kaum zu Wort.
Aber wo sind die Väter, die ihre möglichen Arbeitgeber im Bewerbungsgespräch danach fragen, ob sie nicht doch etwas über ihr Kind wissen wollen? Die Papas sitzen gut ausgeschlafen im Besprechungszimmer, während sich die Mutter zu Hause mit tiefen Augenringen bemüht, das Kleine endlich zum Schlafen zu bewegen, damit sie sich auch einmal ein paar Gedanken machen kann, wie es für sie beruflich weitergehen könnte: Teilzeit vielleicht, dann hat das Kind mehr von ihr. Nicht selten sind das Frauen, die gerne in ihrem Beruf gearbeitet haben.
Das Kind braucht doch seine Mutter
Währenddessen freut sich Papa auf die zwei Vätermonate, in denen er Elterngeld beziehen wird, macht Pläne für eine große Reise und ist guter Dinge, weil er sich endlich ein bisschen ausruhen kann. Seine Mutter will kommen und ihn mit dem Kind unterstützen. Danke, Staat! Bei alldem hat er sich nie bewusst gemacht, dass der Vater das Recht hätte, mehr als nur zwei Monate Elterngeld zu beziehen. Aber wie soll das gehen? Das Kind braucht doch seine Mutter…
Es gibt Väter, die sich das Recht auf ihr Neugeborenes nicht nehmen lassen, die alles für und mit ihrem Kind machen und die sich nicht aus der Säuglingsbetreuung heraushalten, nur weil sie nicht stillen können. Aber auch wenn die Familie in einer Wohnung zusammenlebt, müssen Väter teilweise hart um das Recht auf Umgang mit ihrem Nachwuchs kämpfen: Gib her! Ich mach das schon! Ich geh mal raus mit dem Kleinen! Mütter sind nicht freigebig, was ihre Säuglinge betrifft.
Irgendwann ist das Kleine zum Glück abgestillt. Darauf können die Väter ruhig drängeln und sich dagegen aussprechen, dass das Kind immer, wenn es in der Nacht aufwacht, den mütterlichen Busen in den Mund gesteckt bekommt. Nehmen! Selber beruhigen!
Und dann: Nichts wie weg mit dem Kleinen! Eine Woche lang alleine mit einem sechs Monate alten Kind zu verbringen, macht den Vater so richtig zum Papa! Und schnell ist aus dem verschrumpelten Etwas das süßeste Kind geworden, das Mann sich vorstellen kann. Ein Kind, von dem der Vater weiß, wie sehr es nerven kann, wenn es schreit, wie oft es ihn vom Lesen abhält oder verhindert, dass er zum Joggen geht. Ein ganz normales Kind eben.
Haben Sie auch das Sorgerecht?
Väter, die eine enge Bindung zu ihrem Kind haben, verschmerzen die zahlreichen Demütigungen leichter, die ihnen regelmäßig zuteil werden. Schnell ist diese Dame vom Amt vergessen, die bei der Vaterschaftsanerkennung durch den anwesenden Mann hindurchschaut und die werdende Mutter fragt: Sind Sie sich wirklich sicher, dass das der Vater ist – Sie wissen ja gar nicht, was ich hier schon alles sitzen hatte.
Wer weiß, was Vaterschaft bedeuten kann, der steckt es auch weg, wenn er trotz absolvierter Anerkennungsprozedur eine Geburtsurkunde ausgehändigt bekommt, auf der tatsächlich steht: Vater unbekannt. Und er lächelt milde, wenn er nach Hause geschickt wird, wenn er für seinen Nachwuchs einen Pass beantragen will: Haben Sie überhaupt das Sorgerecht?
Und wenn das Verhältnis zu den Kindern echt ist, dann ist es auch nicht so schlimm, wenn keiner der Kollegen fragt, wie es denn zu Hause mit den Kindern geht, obwohl sie wissen, dass der Vater ein halbes Jahr lang alleine mit den Kleinen ist, nachdem die Mutter einen wichtigen Job im Ausland angenommen hat. Ein Glück ist es dann, wenn die Kita, in der die Kinder untergekommen sind, in Ordnung ist. Auch der gleichberechtigte Vater will ja weiterarbeiten, trotz seiner Kinder zumindest ein bisschen Karriere machen. Da ist es umso bitterer, wenn er feststellen muss, dass es nie um Männer geht, wenn von Kinderaufzucht und Karriere die Rede ist.
Oft wird der Eindruck vermittelt, als müsse nur den Müttern geholfen werden. Aber wer hilft den Vätern, die sich entschieden haben, für ihre Kinder da zu sein, ohne sich im überkommenen Hausmannsystem einer Machomutter unterzuordnen? Die Gesellschaft nimmt sie nicht wahr. Zu bequem haben sich die meisten, Männer wie Frauen, eingerichtet in diesem auf die Mutter fixierten Familienbild.
William und Kate brauchen sich über Broterwerb und Karriere gewiss keine Gedanken zu machen. Zum großen Vorbild taugen sie schon deshalb nicht. Aber es wäre schön, wenn der Prinz einmal einen Termin absagen würde, weil sein hoheitlicher Bub gerade Windpocken hat und er unbedingt bei ihm sein will. So gebannt wie auch hierzulande auf die Geschehnisse in der englischen Königsfamilie geschaut wird, könnte es sogar etwas bewirken. Deshalb: Nimm dir dein Baby, Willy!
45, ist Vater von zwei Söhnen
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Berliner Sparliste
Erhöht doch die Einnahmen!