Urteile zu Attentaten in Wien: Hohe Haftstrafen für Terrorhelfer

Zweimal lebenslang, einmal 20, einmal 19 Jahre: Die Freiheitsstrafen im Prozess um das Attentat in der Wiener Innenstadt 2020 fallen besonders hart aus.

Uniformierte Polizisten vor den Türen des Gerichts

Hoher Sicherheitsaufwand am Prozesstag in Wien Foto: Leonhard Foeger/reuters

WIEN taz | Mit Schuldsprüchen und Verurteilungen zu teilweise drastischen Freiheitsstrafen endete in der Nacht auf Donnerstag der Prozess am Wiener Landesgericht gegen Freunde und Helfer des islamistischen Attentäters vom 2. November 2020. Der damals 20-jährige Kujtim F. hatte in der Wiener Innenstadt vier Menschen erschossen und über 20 verletzt. Der bisher einzige dschihadistische Attentäter in Österreich selbst wurde von der Polizei getötet.

Maskierte und schwer bewaffnete Polizisten sorgten für den dramatischen Rahmen im Schwurgerichtssaal, als der Richter nach Mitternacht die Urteile verkündete. Zweimal lebenslang, einmal 20, einmal 19 Jahre Freiheitsstrafe verhängte das Gericht über vier Täter, die von den Geschworenen der Beihilfe zum Mord für schuldig befunden wurden. Zwei Freunde des Attentäters wurden zu nur zwei Jahren verurteilt und sind bereits auf freiem Fuß, da sie den Teil, der nicht auf Bewährung ausgesetzt ist, schon in der U-Haft abgesessen haben. Die hohen Haftstrafen sind noch nicht rechtskräftig, da die Anwälte Berufung und Nichtigkeitsbeschwerde angemeldet haben.

Mehr als zwölf Stunden beriet die nur aus Frauen zusammengesetzte Jury über den umfangreichen Fragenkatalog, den sie vom Gericht vorgelegt bekommen hatte. Ihr Spruch löste nur bei zwei der Angeklagten Erleichterung aus. Beim 22-jährigen Ismail B., einem österreichischen Staatsbürger und Jugendfreund des Attentäters, der nur wegen Terrorpropaganda verurteilt wurde, und beim gleichaltrigen Kosovaren Arijanit F., der Kujtim F. in seinem Auto nach Bratislava chauffiert hatte, wo dieser vergeblich versuchte, Munition für seine Kalaschnikow zu kaufen.

Lebenslang setzte es hingegen für Heydayatollah Z., einen 28-Jährigen mit afghanischen Wurzeln, der sich durch DNA-Spuren auf den Tatwaffen kompromittiert hatte. Seine Frau, die IS-Propaganda ins Deutsche übersetzt haben soll, und seine dokumentierten Aufrufe zum Töten von „Ungläubigen“ verorten ihn eindeutig im dschihadistischen Milieu.

Lebenslang bekam auch der 32-jährige Tschetschene Adam M., der gestanden hatte, er habe F. das Sturmgewehr serbischer Bauart und Munition besorgt. Dass er nicht gewusst habe, was jener damit im Schilde geführt habe, nahmen ihm die Geschworenen nicht ab.

Härtere Strafen als in Deutschland

Ishaq F., ein heute 22-jähriger Kindheitsfreund des Attentäters, gab zu, den Kontakt zum Waffendealer hergestellt zu haben, als F. in Haft saß. Schon damals habe dieser von einem Anschlag fantasiert. Sein Urteil: 20 Jahre Freiheitsentzug. 19 Jahre bekam Burak K., der beim Attentäter gewohnt und schon 2018 versucht hatte, mit Kujtim F. nach Syrien auszureisen, um sich der Terrormiliz IS anzuschließen.

Für den in Berlin forschenden Terrorexperten Guido Steinberg sind die Schuldsprüche „absolut nachvollziehbar, wenn man den österreichischen Kontext berücksichtigt.“ Es sei auffällig, „dass diese Haftstrafen doch deutlich über dem liegen, was in Deutschland üblich ist“, sagte der Experte am Donnerstag im Ö1 Morgenjournal.

Für Steinbach handelt es sich bei den Tätern um „Randfiguren“, die „ein bisschen desorientiert waren in der dschihadistischen Szene und deshalb eben erst sehr, sehr spät zu diesem Anschlag gekommen sind.“ Deswegen seien sie aber nicht weniger gefährlich. Der österreichische Verfassungsschutz sieht in seinem Jahresbericht 2021, dass nach der militärischen Niederlage des IS-Kalifats und der Schwächung der organisierten dschihadistischen Szene die größte Gefahr von radikalisierten Einzeltätern ausgehe.

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