Urteil zum Sturm aufs US-Kapitol: 22 Jahre Haft für Proud Boy
Im Frühjahr war Enrique Tarrio wegen seiner Rolle beim Sturm aufs US-Kapitol schuldig gesprochen worden. Jetzt wurde er zu 22 Jahren Haft verurteilt.
Tarrio war selbst gar nicht dabei, als am 6. Januar 2021 tausende Anhänger*innen des damals noch amtierenden, aber abgewählten US-Präsidenten Donald Trump ins Kapitol eindrangen, um die offizielle Bestätigung des Wahlsiegs von Joe Biden zu verhindern. Tatsächlich war er schon zwei Tage zuvor wegen des Vorwurfs der Sachbeschädigung am Rande einer Pro-Trump-Demonstration in Washington im Dezember festgenommen worden.
Aber bereits im Frühjahr hatte ihn eine Geschworenenjury als Drahtzieher und Organisator des Angriffs wegen „aufrührerischer Verschwörung“ für schuldig befunden. Jetzt verkündete das Gericht das Strafmaß. Tarrios Anwälte kündigten an, gegen das Urteil Berufung einzulegen.
Tarrio ist einer von rund 1.100 Menschen, die bislang wegen der Attacke angeklagt wurden. Rund 600 Urteil sind bisher gefällt worden. Bislang waren 18 Jahre Haft das höchste Strafmaß, das ein Gericht im Mai verhängt hatte – gegen Stewart Rhodes, den Chef einer anderen rechten Miliz, den Oath Keepers. Auch Rhodes war nicht selbst ins Kapitol eingedrungen, wurde aber wegen „aufrührerischer Verschwörung“ verurteilt, weil er eine organisierende Funktion innehatte.
Auch Trump angeklagt
Die Proud Boys waren nach den Ereignissen vom 6. Januar rasch ins Visier des FBI geraten, weil zahlreiche Videoaufnahmen nahelegten, dass sie eine zentrale Rolle bei der Beseitigung von Barrikaden, dem Einschlagen von Fenstern und Angriffen auf die Polizei gespielt hatten.
Der heute 39-jährige Tarrio stand einige Jahre an der Führungsspitze der Proud Boys. Die Gruppierung, die sich selbst als „Fußsoldaten der Rechten“ begreift, wie die New York Times ein Mitglied zitiert, nahm während Trumps Präsidentschaft eine immer wichtigere Rolle ein – bei teils militanten Pro-Trump-Kundgebungen, aber auch bei Angriffen auf anders Gesinnte.
Trump selbst sorgte bei einer TV-Debatte im Vorfeld der Wahl 2020 für einen prominenten Status der Proud Boys, als er, von Biden aufgefordert, sich von Rechtsextremen zu distanzieren, ausrief: „Proud Boys, stand back and stand by“ (Proud Boys, haltet euch zurück und steht bereit).
Auch Trump selbst ist wegen seiner eigenen Rolle am 6. Januar wegen Verschwörung angeklagt. Wann der Prozess allerdings beginnen soll, ist derzeit noch vollkommen offen. Mitte Januar beginnen die Vorwahlen um die republikanische Präsidentschaftskandidatur 2024.
Trump führt in allen Umfragen haushoch, und seine Anwälte wollen den Prozessbeginn am liebsten erst nach der Wahl im November kommenden Jahres sehen – in der Hoffnung, dass ein siegreicher Trump im Weißen Haus sich selbst und alle anderen von Bundesgerichten wegen des Sturms auf Kapitol Verurteilten dann ein für alle Mal begnadigen könnte.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Der Jahrestag der Ukraine-Invasion
Warum Russland verlieren wird
Nach der Bundestagswahl
Jetzt kommt es auf den Kanzler an
Sieger des rassistischen Wahlkampfes
Rechte Parolen wirken – für die AfD
Alles zur Bundestagswahl
Oma gegen rechts hat Opa gegen links noch nicht gratuliert
Wahlsieg der Union
Kann Merz auch Antifa?
Wahlniederlage von Olaf Scholz
Kein sozialdemokratisches Wunder