Urteil zum Gleichbehandlungsgesetz: Es gibt nicht den gemeinen Ossi

Berliner Arbeitsgericht weist Klage wegen Diskriminierung als Ostdeutscher ab. Ein Wochenkommentar.

Eine Reihe von Flaschen mit Cola aus Ostproduktion

Eine DDR-Traditionsmarke, ja. Kann man sich aber auch im Westen dran verschlucken Foto: dpa

Beim Berliner Arbeitsgericht weiß man offenbar, was Timing ist. Einen Tag vor dem Feiertag, mit dem man sich hierzulande müht, der Deutschen Einheit zu gedenken, veröffentlichte es eine geradezu symbolhafte Entscheidung. Demnach ist das Mobbing eines ostdeutsch sozialisierten Arbeitnehmers kein Fall von Diskriminierung im Sinne des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes. Der gemeine Ostdeutsche, so die Argumentation des Gerichts, sei nun einmal weder Angehöriger einer eigenen Ethnie, noch teile er eine gemeinsame Weltanschauung.

Geklagt hatte ein bei einem Berliner Zeitungsverlag als stellvertretender Ressortleiter beschäftigter Mann. Er sei von zwei Vorgesetzten wegen seiner ostdeutschen Herkunft gedemütigt worden. Als Ausgleich verlangte er nun Schadenersatz, Entschädigung und Schmerzensgeld in Höhe von 800.000 Euro.

Für alle, die an dieser Stelle ein Déjà-vu haben: Bereits 2010 hatte ein Fall für bundesweite Schlagzeilen gesorgt, bei dem sich eine gebürtige Ostberlinerin auf Arbeitssuche in Schwaben als „Minus-Ossi“ diffamiert fühlte. Ein ortsansässiger Unternehmer hatte eine entsprechende Bemerkung am Rande ihrer Bewerbung notiert und sie gar nicht erst zum Gespräch eingeladen. Das Arbeitsgericht Stuttgart hatte ihre Klage mit den gleichen Argumenten wie in der aktuellen Begründung abgewiesen.

Gerade mal 40 Jahre DDR reichen nicht zu einer gemeinsamen Tradition

Es gab damals in den Medien auch Stimmen, die dies nicht goutierten. Es mache doch im Grunde keinen großen Unterschied, ob eineR wegen seiner türkischen oder seiner ostdeutschen Herkunft diskriminiert werde, kommentierte etwa ein Redakteur dieser Zeitung. Die Klägerin und der Unternehmer einigten sich schließlich mit einem Vergleich, bevor der Fall in die nächste Instanz ging. In der Klage ging es damals um 5.000 Euro.

Nun probierte es also ein Zeitungsredakteur mit ähnlichen Argumenten und weitaus höheren Forderungen. In gewisser Weise passt das zu einem innerdeutschen Unbehagen, das zu wachsen scheint, je runder die Mauerfalljubiläen werden.

Die Justiz zeigt sich davon nach wie vor unbeeindruckt. Schon in dem Stuttgarter Fall ließ der Richter wissen, dass es den Ostdeutschen schlicht nicht gebe und gerade mal 40 Jahre DDR nicht zu einer gemeinsamen Tradition, Sprache, Religion, Kleidung und Ernährung gereichten.

Die Ostdeutschen sind sich also in vielerlei Hinsicht so uneins wie die BewohnerInnen der Gebiete dies- und jenseits einer längst gefallenen Mauer. Eine Ungleichbehandlung ist insofern kein Fall für das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz. Das heißt jetzt übrigens nicht, dass Sie die ostdeutschen KollegInnen nach Herzenslust beleidigen können. Besagter Verlagsangestellter hätte gegebenenfalls mit einer Klage wegen Persönlichkeits- und Gesundheitsverletzung Erfolg gehabt. Er hatte es aber laut Gericht versäumt, seinen Arbeitgeber über das Mobbing zu informieren und ihm damit die Chance einzuräumen, an der Situation etwas zu ändern. So viel Eigenverantwortung muss dann schon sein.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.