Urteil zu Kinderehen in Indien: Kein Schutz für Vergewaltigung mehr
Bislang galt nicht einvernehmlicher Sex in Indien nicht als Vergewaltigung, wenn er in der Ehe stattfand. Nun urteilt das Oberste Gericht: für Kinderehen gilt das nicht.
Das Oberste Gericht in Neu Delhi berief sich bei seiner Entscheidung auf die offizielle Altersgrenze für die sexuelle Mündigkeit sowie für Eheschließungen in Indien, die auf dem Subkontinent in beiden Fällen bei 18 Jahren liegt. Dennoch werden immer noch Millionen Minderjährige zur Heirat gezwungen. Besonders in ärmeren, ländlichen Regionen gilt eine frühe Heirat nach wie vor als finanzielle und moralische Absicherung.
Im indischen Recht waren verheiratete Paare bisher von dem Straftatbestand der Vergewaltigung ausgenommen. Nicht einvernehmlicher Geschlechtsverkehr mit Minderjährigen war somit straffrei, wenn er im Verbund der Ehe stattfand. Zurzeit verhandeln indische Gerichte über die Gesetzeslage zur Vergewaltigung in der Ehe.
Der Anwalt Vikram Srivastava, der den Antrag zur Reform des Gesetzes eingereicht hatte, begrüßte die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs, da sie minderjährigen Opfern Schutz biete. „Wenn jemand ein Mädchen unter 18 Jahren heiratet und dieses innerhalb eines Jahres Beschwerde wegen nicht einvernehmlichen Geschlechtsverkehrs einreicht, kann der Ehemann strafrechtlich wegen Vergewaltigung verfolgt werden“, sagte Srivastava dem Nachrichtensender NDTV.
Risiken für verheiratete Mädchen
Die Folgen von Eheschließungen sind für Minderjährige oft verheerend: Viele verheiratete Mädchen brechen die Schule ab und bleiben damit ohne Ausbildung. Auch sind sie erheblichen Gesundheitsrisiken durch frühe Geburten ausgesetzt.
Nach einer Studie der Kinderhilfsorganisation Save the Children und der Weltbank werden jedes Jahr weltweit 7,5 Millionen Mädchen frühverheiratet, obwohl dies nach den jeweiligen nationalen Gesetzen illegal ist. Hinzu kämen 100 Millionen weitere Mädchen, für die kein solcher rechtlicher Schutz greife, erklärte Save the Children. „Viele frühverheiratete Mädchen sind Gewalt und Missbrauch ausgesetzt, zudem werden sie ihrer Bildungs- und Entwicklungschancen beraubt“, sagte Susanna Krüger, Vorstandsvorsitzende von Save the Children Deutschland. „Das muss ein Ende haben.“
Fortschritte gebe es immerhin bei der Gesetzgebung. Aber bestehende Gesetze würden wegen der widerstrebenden Traditionen und religiösen Vorschriften nicht konsequent umgesetzt, kritisierte Save the Children. Hoffnung setzt die Organisation nach eigenen Angaben in eine internationale Konferenz zur Abschaffung von Kinderehen, die vom 23. bis 25. Oktober im Senegal stattfindet. Daran nehmen Regierungsvertreter, religiöse Anführer, Kinderrechtsorganisationen und UN-Organisationen teil.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!