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Urteil wegen rechtsextremer HetzeDer Knast rückt näher

Der Neonazi Sven Liebich ist in einem Berufungsverfahren am Landgericht Halle zu einer Haftstrafe ohne Bewährung verurteilt worden.

Der Rechtsextremist Sven Liebich nimmt im Landgericht Halle/Saale Platz Foto: Hendrik Schmidt/dpa

Halle an der Saale taz | Die Erleichterung sieht man Valentin Hacken an. „Ich freu mich schon doll“ sagt er nach der Urteilsverkündung vor dem Landgericht Halle. Der 32-Jährige ist Teil des Bündnisses „Halle gegen Rechts“, das seit Jahren die Aktivitäten des Neonazis Sven Liebich beobachtet. Hacken selbst ist dabei immer wieder zur Zielscheibe des Neonazis geworden.

Nun könnte Liebich bald zum ersten Mal ins Gefängnis kommen. An diesem Freitag hat das Landgericht Halle ihn in einem Berufungsverfahren zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten ohne Bewährung verurteilt. Unter anderem hielt ihn das Gericht der Volksverhetzung und üblen Nachrede für schuldig, zum Großteil begangen in den Jahren 2020 und 2021 auf seinen Kundgebungen.

Damit bestätigte das Landgericht das Urteil der ersten Instanz aus dem Juli 2023. Gegen das Urteil des Amtsgerichts Halle hatten sowohl Liebich als auch die Staatsanwaltschaft Berufung eingelegt. Diese wies das Gericht als unbegründet zurück. „Am Urteil des Amtsgerichts war nach Ansicht der Berufungskammer nichts auszusetzen“, stellte die Vorsitzende Richterin Sabine Staron klar.

Keine Bewährung

Auch eine Aussetzung der Strafe zur Bewährung sei nicht angemessen, da Liebich vorherige Bewährungsstrafen nicht zum Anlass genommen habe, sein Verhalten zu ändern. Der Staatsanwalt hatte eine Strafe von zwei Jahren gefordert, zeigte sich mit dem Urteil gegenüber der taz aber dennoch zufrieden.

Das Urteil war eigentlich für Ende Juni geplant gewesen. Sven Liebich hatte den Prozess jedoch mit einem Schlusswort in die Länge gezogen, für das sechs zusätzliche Prozesstage angesetzt werden mussten. Es war nicht das erste Mal, dass Liebich einen Prozess als Bühne genutzt hatte, mal war er vor Gericht in Sträflingskleidung erschienen, mal mit einem Maulkorb.

Für Valentin Hacken vom Bündnis gegen Rechts ist solch Verhalten keine Überraschung. Das Auftreten des Neonazis vor Gericht vergleicht er mit dessen Kundgebungen, die vor allem auf Aufmerksamkeit zielten. Bevor Liebich sich Anfang dieses Jahres zurückzog, stand er wöchentlich in der Innenstadt von Halle. 2023 zählte der Verein Miteinander 75 Versammlungen. Diese, sagt Hacken, seien nicht nur maßgeblich von der Person Liebich geprägt, sie seien immer auch Dauerwerbesendungen für dessen Geschäfte.

Neonazitum als Geschäftsidee

Liebich verbindet Hetze schon immer mit dem Geschäft. Bereits während seiner Zeit beim inzwischen verbotenen Neonazinetzwerk „Blood & Honour“ in den 1990ern vertrieb Liebich über verschiedene Firmen rechtes Propagandamaterial. Später betrieb er den mittlerweile aufgelösten Online-Versand „Politaufkleber“, der extrem rassistische und antisemitische Motive, wie gelbe Judensterne mit der Aufschrift „Ungeimpft“, anbot.

Lange Zeit blieb Liebich dabei vom Rechtsstaat ziemlich unbehelligt. Immer wieder stellte die Staatsanwaltschaft Halle Ermittlungsverfahren gegen Liebich ein. „Oftmals mit nicht nachvollziehbaren Begründungen“ sagt Valentin Hacken. Das Bündnis gegen Rechts hatte die Behörde für ihren Umgang mit Liebich immer wieder scharf kritisiert.

Im Prozess erwähnte Liebich selbst eine Staatsanwältin mit Namen, die ihn durch Einstellungen der Ermittlungsverfahren in seiner Auffassung bestärkt habe, dass seine Äußerungen von der Meinungsfreiheit gedeckt seien. Nach Recherchen des MDR ist diese Staatsanwältin seit Anfang 2023 nicht mehr für Ermittlungsverfahren gegen den Neonazi zuständig. Tatsächlich sind in den vergangenen Monaten mehr Verfahren gegen Liebich zur Anklage gekommen.

Gegenüber der taz räumt der Sprecher der Staatsanwaltschaft Halle, Dennis Cernota, ein, es sei richtig, dass in der Vergangenheit anders mit Liebich umgegangen worden sei als jetzt. Die Anklagebehörde habe aber keine Rechtsfehler begangen. Bei Fällen von Äußerungsdelikten habe man es oft mit einer Gratwanderung zu tun. Liebich habe es geschafft, über Jahre auf einem sehr schmalen Grat zu wandern. Allerdings „hätte man Zweifelsfälle zur Anklage bringen können.“

Hetze gegen Omas gegen Rechts

Auch 12 der insgesamt 17 Straftaten, für die Liebich im Berufungsverfahren nun erneut verurteilt wurde, hatte die Staatsanwaltschaft zunächst eingestellt. Dazu gehört ein Fall von Volksverhetzung, der wie schon in erster Instanz den größten Anteil an der Gesamtstrafe ausmacht. Dabei geht es um eine Kundgebung von Liebich im Herbst 2020.

Das Video der Kundgebung war auch Teil der Beweisaufnahme. Darin sieht man Sven Liebich auf dem Auto, in der Nähe vom Hauptbahnhof, von unten gefilmt. Liebich dreht an seiner Musikbox. „Hätt’ ich gewusst, dass die Omas gegen Rechts kommen, dann hätt' ich das auf jeden Fall vorbereitet“, sagt er ins Mikro. Er sieht aus, als würde er sich freuen. Kurz davor hat er die Omas gegen Rechts massiv sexualisierend beleidigt und im gleichen Atemzug gegen Geflüchtete gehetzt.

Dieser Fall sei am Ende nur vor Gericht gelandet, weil Betroffene Widerspruch eingelegt haben, sagt Valentin Hacken. Die jahrelange Auseinandersetzung mit Sven Liebich sei auch ein Kampf mit Behörden gewesen. Das Urteil gegen Sven Liebich ist für ihn daher vor allem ein Erfolg zivilgesellschaftlicher und antifaschistischer Arbeit. „Von sehr, sehr, sehr viel Arbeit“, wie er sagt.

Sven Liebich hat nun eine Woche Zeit, um Revision einzulegen. Dabei wird das Urteil nur auf Rechtsfehler geprüft. Sollte es bestätigt werden, muss der Neonazi in sechs bis neun Monaten ins Gefängnis.

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