Prozess wegen rechtsextremer Hetze: Haftstrafe für Neonazi Sven Liebich

Geld- und Bewährungsstrafen und hunderte Ermittlungsverfahren hat er schon hinter sich. Erstmals verurteilte ihn ein Gericht zu einer Gefängnisstrafe.

Sven Liebich sitzt in einem Saal

Forderte Freispruch und zeigte keine Reue: der rechtsextreme Sven Liebich im Juni 2023 im Amtsgericht Halle Foto: Inga Jahn/dpa

LEIPZIG taz | Der überregional bekannte Rechtsextremist Sven Liebich aus Halle an der Saale ist erstmals zu einer Haftstrafe verurteilt worden – unter anderem wegen Volksverhetzung und übler Nachrede. Das Amtsgericht Halle verhängte am Donnerstag eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten. Gegen Liebich lagen insgesamt sechs Anklagen vor, etwa wegen seiner Äußerungen bei Demonstrationen. In vorangegangenen Prozessen hatten die Gerichte ihn lediglich zu Geld- oder Bewährungsstrafen verurteilt.

Die Richterin bezeichnete Liebich als „Gratwanderer“, der in manchen Fällen die Grenzen des Rechts überschreite. Er sei das beste Beispiel dafür, dass man in Deutschland bis zur Grenze der Unerträglichkeit seine Meinung äußern dürfe. „Aber nicht, wenn man beleidigt“, stellte die Richterin klar. Darüber, dass der Rechtsstaat manchmal langsam und träge sei, müsse und dürfe diskutiert werden.

Die Staatsanwaltschaft hatte zwei Jahre Haft für Liebich gefordert. Der Angeklagte habe über viele Jahre persönliche Feindbilder manifestiert, zeige „überhaupt kein Unrechtsbewusstsein“ und nehme den Prozess nicht ernst, so der Staatsanwalt am Dienstag in seinem Plädoyer. Die Verteidigung Liebichs hingegen hatte auf Freispruch plädiert.

Im Herbst 2022 war Liebich erstmals zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden. Das Landgericht Halle sprach ihn unter anderem wegen Verleumdung schuldig, nachdem er die Grünen-Politikerin Renate Künast auf Facebook bewusst falsch zitiert und damit einen Shitstorm gegen sie ausgelöst hatte.

Liebich attackierte die „Omas gegen rechts“

Der 1970 geborene Rechtsextremist veranstaltet seit Jahren nahezu wöchentlich Demonstrationen in Halle und hetzt gegen Minderheiten und politische Gegner. Unter anderem hat er immer wieder die „Omas gegen Rechts“ verbal attackiert. Während der Pandemie organisierte Liebich Kundgebungen gegen die Coronapolitik auf dem Marktplatz von Halle. In einem Onlineshop vertreibt er Shirts mit Querdenker-Aufdrucken und Sprüchen wie „Ich bin im Frieden mit Russland“.

Bereits in den 1990er Jahren war Liebich aktiv in der Neonazi-Szene von Sachsen-Anhalt und handelte mit rechtsextremer Musik. Er war Teil des seit 2000 verbotenen Neonazi-Netzwerks „Blood & Honour“. Es liefen schon Hunderte Ermittlungsverfahren gegen ihn, die meisten wurden eingestellt. Das Bündnis „Halle gegen Rechts“ hatte die Staatsanwaltschaft deswegen in der Vergangenheit immer wieder scharf kritisiert.

Das Bündnis begrüßt nun das Urteil. Es sei ein „Erfolg in der juristischen Auseinandersetzung mit dem Neonazi“ und „ein Signal an die extreme Rechte, dass Hetze auch zu Haft führen kann“, sagte Sprecher Valentin Hacken. Lob für die Staatsanwaltschaft gab es trotzdem nicht: „Der Neonazi wurde auch wegen Taten verurteilt, die nur vor Gericht gelandet sind, weil die Betroffenen sich gegen die Einstellung der Ermittlungen teils mit anwaltlicher Vertretung gewehrt haben“, so Hacken. Das Bündnis fordert, Liebich künftig als Versammlungsleiter und Redner abzulehnen.

Sebastian Striegel, innenpolitischer Sprecher der Grünen-Landtagsfraktion, twitterte: „Straftaten haben Konsequenzen, auch wenn es viel zu lange gedauert hat!“ Für die Amadeu Antonio Stiftung ist die Strafe für Liebich „die schönste Nachricht der Woche“. Nach zig Verfahren ohne Konsequenzen sei das längst überfällig, schrieb die Stiftung ebenfalls auf Twitter. Auch die „Omas gegen Rechts“ frohlockten: „In Halle wird ein Neonazi verurteilt. Wir können es noch gar nicht glauben“.

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