Urteil wegen Meuterei in Bangladesch: 152 Soldaten zum Tode verurteilt
Vor vier Jahren starben 74 Menschen bei einer Meuterei des Grenzschutzes in Bangladesch. Nun sollen 152 Soldaten dafür mit ihrem Leben bezahlen.
BERLIN taz | Wegen ihrer Teilnahme an einer Meuterei in Bangladesch sind am Dienstag 152 Soldaten des Grenzschutzes zum Tode verurteilt worden. Bei einem Massenprozess verurteilte ein Gericht weitere 157 Männer zu lebenslanger Haft und verhängte mehr als 200 mehrjährige Haftstrafen. Von den insgesamt 846 Angeklagten wurden 271 freigesprochen.
Am 25. und 26. Februar 2009 hatten die Soldaten des paramilitärischen Grenzschutzes gegen ihre Offiziere gemeutert. Sie besetzten das Hauptquartier des Grenzschutzes in der Hauptstadt Dhaka, erschossen Offiziere und nahmen ihre Familien als Geisel. Grund für den Aufstand war eine weitverbreitete Unzufriedenheit über niedrige Bezahlung und die Tatsache, dass der Großteil der Offiziere aus der Armee rekrutiert wurde. Die Grenzschützer warfen ihnen Veruntreuung von Essenszuschüssen vor. Nach den 33 Stunden waren 74 Menschen tot, darunter 57 Armeeoffiziere, aber auch mehrere Meuterer.
Der Aufstand war die erste Herausforderung der neu gewählten demokratischen Regierung Bangladeschs. Erst zwei Monate zuvor hatte sie eine vom Militär unterstützte Übergangregierung abgelöst. Während die wütende Armeeführung Panzer mitten in die Innenstadt Dhakas fuhr und die Meuterer angreifen wollte, setzte die Regierung auf Verhandlungen. Schon am ersten Tag bot Premierministerin Sheikh Hasina ihnen eine Amnestie an, wenn sie ihre Waffen niederlegen würden.
Als jedoch am nächsten Tag noch immer keine Lösung in Sicht war, drohte sie mit einer „harten Entscheidung“, vermutlich die Freigabe eines Armeeinsatzes. Kurz darauf ergaben sich die Meuterer. Bei den Ermittlungen an den Tagen danach wurden die Leichen der Offiziere in Massengräbern und in der Kanalisation entdeckt. Die Regierung ließ daraufhin rund 7.000 Grenzschützer festnehmen und stellte sie vor Gericht.
Seitdem wurden mehr als 6.000 Soldaten zu Haftstrafen für ihre Teilnahme an der Meuterei verurteilt. Das alte Grenzschutz-Gesetz, das nur sieben Jahre Haft für Meuterei vorsah, wurde revidiert und schreibt nun die Todesstrafe vor. Die knapp 850, die nun vor Gericht standen, galten als Rädelsführer und wurden nach den regulären Gesetzen für Mord, Brandstiftung und Plünderung angeklagt.
Kritik an den Prozessen kommt von der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch, die in den Massenprozessen einen Verstoß gegen internationale Rechtsstandards sieht. Darüber hinaus seien die Angeklagten in der Haft gefoltert worden und mindestens 47 Verdächtige seien in der Haft gestorben. Die Behörden wiesen die Vorwürfe zurück.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Christian Lindner
Die libertären Posterboys
Außenministerin zu Besuch in China
Auf unmöglicher Mission in Peking
Olaf Scholz’ erfolglose Ukrainepolitik
Friedenskanzler? Wäre schön gewesen!
Comeback der K-Gruppen
Ein Heilsversprechen für junge Kader
Prozess gegen Letzte Generation
Wie die Hoffnung auf Klimaschutz stirbt
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP