Urteil über Al-Qaida-Anhänger: Nicht jeder Unterstützer ist Mitglied
Der Bundesgerichtshof hat Urteile zu Al-Qaida-Leuten nur teilweise aufgehoben. Das Oberlandesgericht Düsseldorf muss neu über das Strafmaß eines Palästinensers verhandeln.
Nur wer von al-Qaida als Mitglied aufgenommen wurde, kann auch als Al-Qaida-Mitglied verurteilt werden. Dies entschied jetzt der Bundesgerichtshof (BGH) und hob ein Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Düsseldorf teilweise auf. Wer einfach so mit al-Qaida zusammenarbeitet, sei nur Al-Qaida-Unterstützer und werde milder bestraft, erklärte der BGH.
Konkret ging es um einen groß angelegten Versicherungsbetrug, mit dem drei Islamisten Mittel für al-Qaida beschaffen wollten. Dabei schloss der Palästinenser Yasser Abu S. im Sommer 2004 mehrere Lebensversicherungen ab. Bei einer späteren Urlaubsreise in Ägypten wollte er seinen Tod vortäuschen. Die Versicherungssumme von rund vier Millionen Euro sollte überwiegend in die Terrorfinanzierung fließen. Angestiftet hatte ihn Ibrahim Mohamed K., ein Syrer, der bereits in einem Al-Qaida-Ausbildungslager war. K. galt deshalb als Haupttäter. Geholfen hat bei dem Plan auch ein Bruder von Abu S.
Am Ende verurteilte das OLG Düsseldorf unter Richter Otmar Breidling alle drei wegen terroristischer Aktivitäten und Betrugs zu Haftstrafen zwischen dreieinhalb und sieben Jahren. Wesentliches Beweismittel war ein 150 Tage dauernder Lauschangriff auf die Mainzer Wohnung von K.
Der BGH übte umfangreiche Kritik am Düsseldorfer Urteil, doch nur an einem Punkt wurde es auch im Ergebnis geändert: Der Palästinenser Yasser Abu S. kann nur wegen Unterstützung, nicht wegen Mitgliedschaft in der al-Qaida verurteilt werden. Abu S. war - anders als der Syrer K. - nie in einem Ausbildungslager, und auch K., der als Mitglied gilt, hatte ihn nie in die Organisation aufgenommen. Die bloße Zusammenarbeit mit K. mache Abu S. noch nicht zum Al-Qaida-Mitglied, so der BGH.
Im Fall von Yasser Abu S. muss das Oberlandesgericht Düsseldorf bald noch einmal neu über das Strafmaß verhandeln. Richter Breidling, der derzeit das aufsehenerregende Verfahren gegen die Sauerland-Gruppe leitet, dürfte sich ärgern. Er hat bisher immer damit angegeben, dass seine Urteile noch nie vom BGH aufgehoben wurden.
Auch im Übrigen hatte der BGH einige Kritik an Breidlings Urteil, allerdings nur in der Begründung. So wollte das OLG Düsseldorf die Anforderungen an eine terroristische Vereinigung absenken, um sicherzustellen, dass auch das Terrornetzwerk al-Qaida darunterfällt. Das OLG berief sich dabei auf einen EU-Rahmenbeschluss von 2002, der auch lockere Strukturen genügen lässt. Der BGH hielt das aber für unzulässig. Sollte das deutsche Strafrecht nicht den EU-Vorgaben entsprechen, könne dies nur der Bundestag korrigieren, nicht aber ein Oberlandesgericht.
Im Ergebnis hielt der BGH den Winkelzug auch für unnötig. Al-Qaida sei selbst nach deutschen Maßstäben eine terroristische Vereinigung - auch nach der US-Intervention in Afghanistan und der zeitweiligen Schwächung des Netzwerks. Die Verteidigung hatte vor allem die Nutzung der Informationen aus dem Lauschangriff kritisiert. Das rheinland-pfälzische Polizeigesetz sei damals noch nicht an die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zum Schutz des privaten Kernbereichs angepasst gewesen, so die Anwälte. Richter Breidling hatte das Pfälzer Gesetz einfach "verfassungskonform ausgelegt" und trotzdem angewandt.
Auch das sei unzulässig, entschied jetzt aber der BGH und stufte die Abhöraktion als verfassungswidrig ein. Dennoch erklärte der BGH nach einer "Gesamtabwägung" die Beweise für verwertbar. Denn die Polizei habe freiwillig die Vorgaben des Verfassungsgerichts beachtet.
Die Verteidiger Ricarda Lang und Axel Nagler kündigten im Gerichtssaal eine Verfassungsbeschwerde gegen die BGH-Entscheidung an.
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