Urteil nach Sturm der Reichstagstreppen: Geldstrafe für Treppensturm

Das Amtsgericht verurteilt einen Mann nach dem Sturm der Reichstagstreppen im August 2020. Viele andere Verfahren laufen ins Leere.

Protestierende, teils vermummt, schwenken Reichsflaggen auf den Treppen des Reichstagsgebäudes

Kommt gleich Donald Trump? Foto: Fritz Engel

BERLIN taz | Für viele, die sich seit einigen Jahren im Aufstand gegen die Coronamaßnahmen und die Bundesrepublik als Ganzes wähnen, war es der Höhepunkt ihrer Proteste: Am 29. August 2020 stürmen einige hundert Menschen die Treppen des Reichstagsgebäudes. Die Bilder von den Reichsflaggen schwenkenden Protestierenden gingen um die Welt. Alle Parteien bis auf die AfD verurteilten den Vorfall scharf; Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sprach von einem „Angriff auf das Herz unserer Demokratie“.

In einem Fall haben die Geschehnisse nun Konsequenzen. Am Dienstag sprach das Amtsgericht Tiergarten den 28-jährigen Nik A. des Landfriedensbruchs schuldig. Das Gericht sieht es als bewiesen an, dass A. mehrere Polizeigitter aushebelte, wodurch eine größere Gruppe von Protestierenden zum Reichstagsgebäude gelangen konnte. Das Urteil: 60 Tagessätze à 30 Euro. Die Staatsanwaltschaft hatte 90 Tagessätze beantragt.

Das Urteil ist insofern besonders, als dass bisher nur sehr wenige Strafverfahren im Zusammenhang mit dem Treppensturm zu einer Verurteilung geführt haben. Von den insgesamt 85 Verfahren, die die Staatsanwaltschaft Berlin bearbeitet hat, endeten bisher lediglich drei mit einer rechtskräftigen Verurteilung, allesamt zu Geldstrafen. 67 Verfahren wurden etwa wegen Mangels an Beweisen eingestellt. Sechs Verfahren sind noch vor Gericht anhängig, in fünf weiteren wird noch ermittelt.

Für das Urteil am Dienstag entscheidend waren die Aussagen von zwei Zivilpolizisten, die sich an dem Tag unter die Protestierenden gemischt hatten. Sie schildern, was hektische Szenen gewesen sein müssen. A. habe sich in einer Gruppe Protestierender befunden, die vom Simsonweg zur Reichstagswiese drängte. Die Polizeigitter an der Scheidemannstraße hielten sie zunächst auf, dort hätten sich nur vier bis fünf Po­li­zis­t:in­nen befunden. Diese seien mit Gegenständen beworfen worden, die Be­am­t:in­nen hätten Pfefferspray eingesetzt.

Der Angeklagte schweigt

Auf der Reichstagswiese brachen die De­mons­tran­t:in­nen inzwischen durch. Dort hatte die Heilpraktikerin Tamara K. von einer Bühne aus zum Durchbruch aufgerufen und unter anderem gesagt, Donald Trump sei in Berlin gelandet, die Demonstrierenden müssten jetzt ein Zeichen setzen. Die Beamten berichten, A. habe dann mit einem weiteren Mittäter die Führung übernommen. Sie hätten sich vermummt und etwa „Los, kommt her!“ und „Aufziehen!“ gerufen. Dann hätten sie mehrere Polizeigitter ausgehebelt. Die Menge habe die Po­li­zis­t:in­nen überrannt, viele hätten sich in Richtung Reichstagstreppen bewegt.

Diese Schilderungen verfolgt A. regungslos. Zu den Vorwürfen äußert er sich nicht, nur sein Anwalt spricht. Der groß gewachsene Mann sitzt aufrecht. Gelegentlich grinst er, auch während die beiden Beamten seine Handlungen beschreiben. Rechte Tattoos oder Ähnliches trägt er nicht – er ist kein bekanntes Gesicht der Szene. Wie ein erfahrener Demonstrant hat sich A. auch nicht verhalten. Zum Verhängnis wurde ihm unter anderem, dass er seine Kleidung nach seiner Tat nicht wechselte. Die Zivilbeamten konnten A. so sicher identifizieren.

A. zugute hielt die Richterin, dass er keine Vorstrafen hat und seither auch nicht wieder auffällig geworden ist. Die Tat sei „verhältnismäßig nicht zu wild“ gewesen. Beim Bundestag handle es sich aber nicht „um irgendein Gebäude“, sondern um das Herz der deutschen Demokratie. Zum Abschluss wünscht sie A. alles Gute. „Ich hoffe, dass wir uns nicht wiedersehen.“

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