Urteil in Myanmar: Sieben Jahre Haft für Journalisten
Zwei Reuters-Journalisten werden in Myanmar verurteilt. Sie hatten über Militäroperationen gegen die Rohingya-Minderheit berichtet.
Wa Lone und Kyaw Soe Oo zählten zu den wenigen myanmarischen Journalisten, die aus dem Krisenstaat Rakhine berichteten, wo eine Militäroperation 2017 rund 700.000 muslimische Rohingya über die Grenze nach Bangladesch trieb, wo sie von Vergewaltigung, Brandstiftung und Mord berichteten. Regierung und Militär leugneten die Vorwürfe stoisch. Dann brachten die beiden Reporter das Lügengebäude zum Einsturz, als sie in einem Report geständige Täter zur Sprache kommen ließen. Wenig später wurden sie wegen Verrats von Staatsgeheimnissen verhaftet.
Das Urteil galt auch als Test, ob der internationale Druck Wirkung auf Myanmars Regierung zeigt. Vergangene Woche forderte die UNO in einem Bericht, Myanmars Militär wegen Völkermord an den Rohingya anzuklagen. Facebook sperrte am selben Tag unter Verweis auf deren Hetzcharakter die Facebook-Seite des myanmarischen Oberkommandierenden.
Der Gerichtssaal war so voll, dass die Angeklagten nicht durch den normalen Eingang zur Urteilsverkündung geführt werden konnten. Der Polizist am Eingang kaute gelangweilt auf seiner Betelnuss, während der australische Botschafter sich angesichts der Schwüle in dem verschimmelten Bau zügig seiner Krawatte entledigte. Der Richter las das Urteil eine Stunde lang monoton, aber mit fester Stimme vor. Niemand rechnete mit einem positiven Ergebnis. Doch als das Urteil verkündet wurde, ging doch ein Raunen durch den Gerichtssaal.
Die beiden Journalisten seien in Besitz geheimer Dokumente gewesen. Dazu zählte das polizeiinterne Sicherheitskonzept zum Papstbesuch 2017. Einer der Reporter habe außerdem die Telefonnummer des Anführers der Rebellenarmee im Krisenstaat Rakhine besessen.
„Ist das neuerdings ein Verbrechen oder was?“, fragte der Journalist Moe Myint von der myanmarischen Nachrichtenplattform Irrawaddynach der Urteilsverkündung. „Dann müssten sie uns alle ins Gefängnis werfen.“ Das Urteil sei lächerlich, der Prozess eine Farce gewesen. Die Verurteilung stelle eine Beleidigung für alle Journalisten in Myanmar dar. „Wir wollen unserem Land dienen. Stattdessen stellt die Regierung uns als Verräter hin.“ Mratt Kyaw Thu vom Nachrichtenmagazin Frontierin Yangon erinnert sich, den jetzt verurteilten Kyaw Soe Oo kurz nach Ausbruch der Rohingya-Krise im Konfliktgebiet getroffen zu haben. „Ich habe ihn damals gewarnt: Geh bloß nicht zu weit, Kumpel!“ Er befürchtet, dass der Fall Journalisten im Land weiter einschüchtern wird.
Tumultartige Szenen
Am Wochenende protestierten Dutzende Journalisten in Yangon für Pressefreiheit. Jenseits des Journalistenzirkels sorgt der Fall aber für wenig Aufruhr. Weil die Rohingya vielen Myanmaren als Störenfriede gelten, betrachten sie die beiden Reporter als Landesverräter.
Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini warnte, dass die Verurteilung der Reuters-Journalisten die Pressefreiheit, das Recht der Myanmaren auf Information und die Entwicklung von Rechtssicherheit in Myanmar unterwandere. Und die EU forderte die unverzügliche Freilassung der beiden Reporter.
„Wir werden alles tun, die beiden freizubekommen. Es ist noch nicht vorbei“, sagte Anwalt Than Zaw Aung nach der Urteilsverkündung. Reuters-Chefredakteur Stephen J. Adler schrieb: „Wir werden in den kommenden Tagen weitere Schritte prüfen und auch in Erwägung ziehen, Hilfe in internationalen Foren zu suchen.“
Nach der Urteilsverkündung kam es beim Abtransport der beiden Reporter zu tumultartigen Szenen. „Werft uns ins Gefängnis, aber verschließt nicht die Augen und Ohren der Menschen!“, rief Kyaw Soe Oo wartenden Journalisten zu, die sich dem Polizeiauto in den Weg stellten, das die beiden ins Gefängnis zurückbringen wollte.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!