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Urteil im VW-Diesel-ProzessEin bisschen Genugtuung für die Geschädigten

Kommentar von Björn Hartmann

Es ist gut, dass gegen verantwortliche VW-Mitarbeiter harte Urteile gefallen sind. Doch die Schuldfrage wird wohl nie vollständig geklärt werden.

Martin Winterkorn im Jahr 2015, er weist jedes Wissen über die Manipulation von sich Foto: imago

E s ist vollbracht. Erstmals hat das Landgericht Braunschweig hochrangige Mitarbeiter des VW-Konzerns wegen des Dieselskandals verurteilt, zwei sogar zu Haftstrafen. Endlich. Vor fast zehn Jahren enthüllte das US-Umweltamt EPA, dass das Unternehmen Dieselmotoren manipulierte – zum Schaden der Umwelt, der Autofahrer und der Anleger. Der Skandal ist beispiellos. Die Fahrzeuge stießen bis zu 35 Mal mehr Schadstoffe aus, als zugelassen waren. Offensichtlich ist, dass manipuliert wurde. Nur wer verantwortlich war, ist unklar.

Das wird wohl so bleiben, trotz des Urteils jetzt und verschiedener Strafverfahren, die noch laufen. Denn es geht um die Ehre von Ingenieuren und Spitzenmanagern, ums Rechthaben und um sehr viel Geld, das niemand der Beteiligten zahlen will und kann. So wird auch dieses Verfahren nach vier Jahren und 175 Verhandlungstagen nicht beendet sein und wohl in die Revision gehen. Die Beklagten weisen sich gegenseitig die Schuld zu.

Bei VW konnten Ingenieure jahrelang systematisch täuschen. Aber sollten sie auch systematisch täuschen? Beantworten kann das wohl nur der ehemalige Konzernchef Martin Winterkorn, der jedes Wissen über die Manipulation von sich weist. Das Strafverfahren gegen den 78-Jährigen, gesundheitlich Angeschlagenen ruht allerdings. In seiner aktiven Zeit galt er als jemand, der sich gern auch in Einzelheiten einmischte.

Das Arbeitsklima bei VW scheint nicht besonders produktiv gewesen zu sein: Entweder konnten die Ingenieure ohne große Kontrolle tun und lassen, was sie wollten. Statt eine smarte Lösung zu finden, wählten sie in diesem Fall die Manipulation. Oder es herrschten Druck und Angst von oben, sodass die Ingenieure gar nicht anders konnten, als zu tricksen. Man kann in beiden ­Fällen nur hoffen, dass sich etwas geändert hat.

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Auf jeden Fall zahlte sich das Vorgehen nicht dauerhaft aus. Bisher hat der Skandal Volkswagen rund 33 Milliarden Euro gekostet. Das Geld hätten Winterkorns Nachfolger Matthias Müller, Herbert Diess und Oliver Blume sicher gern gehabt, um in die Zukunft des Konzerns zu investieren. Und der Skandal wird ihn noch über Jahre weiter beschäftigen. Auch wenn das Unternehmen betont, dass die Strafverfahren gegen einzelne Personen und nicht gegen den Konzern an sich gerichtet sind – Volkswagen wird immer genannt werden.

Für Autobesitzer und Aktionäre, die in verschiedenen anderen Verfahren klagen und auf Geld vom Konzern hoffen, birgt das aktuelle Urteil in Braunschweig vielleicht etwas Genugtuung – endlich wird jemand zur Verantwortung gezogen. Mehr aber auch nicht. Sie müssen weiter warten, womöglich Jahre.

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5 Kommentare

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  • Und das, obwohl namhafte Kräfte der Politk, ganz oben auf den Regierungsbänken, sicher nichts unvesucht gelassen haben diesen Kelch an den Verantwortlichen vorüber gehen zu lassen.

  • Wenn das Einfordern von Gesetzestreue ein bisschen, auch nur ein bisschen ernstgenommen werden soll, müssen die VW-Manager sowie Cum-Ex - Betrüger in Prozessen zur Verantwortung gezogen werden.

  • Nur fürs Protokoll: Die Geschädigten sind weder Autobesitzer noch Aktionäre. Die haben über die ganze Zeit hinweg an den Vorteilen des Betrugs partizipiert.



    Geschädigt sind die Menschen, die die Schadstoffe einatmen, und die kriegen überhaupt nichts.

    • @nihilist:

      Das sehen jene Käufer sicher anders, die in besten Glauben daran, ein besonders umweltverträgliches Auto zu kaufen den "VW-Preisaufschlag" bezahlt haben



      Und jene Aktioniäre die ihr Geld in eine vermeintlich umwelttechnisch besonders innovative Firma investiert haben auch.

  • " Statt eine smarte Lösung zu finden, wählten sie in diesem Fall die Manipulation. Oder es herrschten Druck und Angst von oben, sodass die Ingenieure gar nicht anders konnten, als zu tricksen. "



    Ganz klar die zweite Variante.



    Die "deutschen" Autobauer haben sich lange und vehement und lobbyistisch gegen die EU-Abgasregelegungen gesperrt. Frau Merkel an vorderster Front.



    Waren es Zweifel an der deutschen Ingenieurskunst? Oder einfach nur reine Profitgier, um Entwicklungskosten zu sparen oder zu strecken?



    Und außerdem: die scheinheiligen VW-Betrugsopfer gehen mir eh am .....



    Jeder konnte zu jeder Zeit wissen, dass die Automobilindustrie mit gezinkten Karten spielt. Wenn irgend jemand diesbezüglich an einer saubereren Umwelt gelegen hätte, wäre er gelaufen.



    Jetzt hängen sie sich an Sammelklagen, und bringen diese unverschämter Weise auch noch in Verruf.