Urteil im NSU-Prozess für André Eminger: Die Neonazi-Szene hat ihren Helden
Das milde Urteil im NSU-Prozess für Eminger, engster Unterstützer der Rechtsterroristen, stößt auf Empörung. Die rechte Szene feiert.
Das Strafmaß für Eminger war die große Überraschung der Urteilsverkündung im NSU-Prozess am Mittwoch. Und sie hallt nach. Denn Eminger war die engste Bezugsperson des abgetauchten Trios Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe. Er half ihnen bis zum Schluss im November 2011. Die Bundesanwaltschaft hatte für Eminger denn auch zwölf Jahre Haft gefordert – und ihn im September wegen Fluchtgefahr in U-Haft nehmen lassen. Und nun das: zweieinhalb Jahre. Mehr nicht. Und am Ende des Prozesstags hob Richter Götzl auch den Haftbefehl von Eminger auf. Der verließ das Gericht als vorerst freier Mann.
„Wir sind nicht nur enttäuscht, sondern auch wütend über das Urteil“, erklärten noch am Mittwochabend 22 Anwälte von Angehörigen der NSU-Opfer. Die geringe Strafe für Eminger sei für die Hinterbliebenen „unerträglich“. Der NSU-Helfer habe im gesamten Prozess keinen Hehl aus seiner rechtsextremen Haltung gemacht. Die Strafe könne dieser nun „als Bestätigung seines Auftretens auffassen“.
Auch auf den Demonstrationen zum Ende des Prozesses, die am Abend bundesweit stattfanden und weitere Aufklärung im NSU-Komplex einforderten, wurde scharfe Kritik laut. Die Strafe für André Eminger sei eine Verharmlosung des Rechtsterrorismus, ein „Fanal“, sagte eine Rednerin in München.
Eminger schwieg bis zum Schluss
Tatsächlich hatte ihn der Generalbundesanwalt noch angeklagt, weil er dem Trio logistische Hilfe geleistet hatte, in dem er etwa Wohnmobile und Wohnungen angemietet hatte.
2007 rettet Eminger Zschäpe vor einer zufälligen Entdeckung. In Zwickau stand im Januar des Jahres ein Polizist vor der Tür. Es ging um einen Wasserschaden und einen Diebstahl im Wohnhaus. Zschäpe öffnet und stellt sich als „Susann Eminger“ vor. Zur Anhörung auf das Polizeirevier begleitet sie André Eminger. Sie gaben sich als Ehepaar aus, im Haus seien sie nur zu Besuch gewesen. Der Beamte schöpft keinen Verdacht.
Ganz am Ende, nach dem Tod von Mundlos und Böhnhardt half er Zschäpe zu fliehen. War er der vierte Mann im NSU? Stand womöglich „die vierte Paulchen Panther Figur im Video für Sie, Herr Eminger?“, fragte ihn der Oberstaatsanwalt in seinem Plädoyer vor knapp einem Jahr. Gemeint war das NSU-Bekennervideo das Zschäpe nach dem Tod der Uwes verschickt hatte.
Eminger schwieg zu alledem bis zum Schluss, als einziger der Angeklagten. Aus seiner Gesinnung aber machte er keinen Hehl. Von oben bis unten mit Nazi-Tattos übersät, erschien er im Prozess mal mit Pullover mit Sturmgewehr, mal mit „Brüder schweigen“. Nach dem Prozesstag zog es ihn zu einem Pegida-Aufzug in München oder er besuchte ein rechtsextremes Großkonzert im thüringischen Themar.
Szene unterstützte Eminger während des Prozesses
Der Strafsenat aber sah die Anklagevorwürfe gegen Eminger als nicht ausreichend nachgewiesen an. Im Verfahren blieb offen inwieweit Eminger wissentlich involviert war in die Planungen und Durchführungen der Morde und Bombenanschläge. Die Anmietung von Wohnmobile die Mundlos und Bönhardt bei Banküberfällen nutzten, konnte ihm vorgehalten werden. Unstrittig ist auch, dass er jenes Fahrzeug anmietete, das die beiden nutzten, um eine Bombe in einem Kölner Laden zu deponieren. Unklar, so Götzl, blieb jedoch ob Eminger wusste, was das Trio genau geplant hat.
Deshalb wurde Eminger am Ende nur für minderschwere Hilfeleistungen verurteilt und nicht etwa für Waffenübergaben, wie andere Angeklagte.
Die rechtsextreme Szene aber hat jetzt ihren Helden. Über den Prozess hinweg hatte sie Eminger unterstützt, genauso wie den früheren NPD-Funktionär Ralf Wohlleben. „Freiheit für Wolle und André“, posteten mehrere Szene-Webseiten noch kurz vor dem Urteil, auch der NPD-Chef von NRW stimmte in die Forderung ein. Nun dürfte die Szene feiern.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann