Urteil im Diesel-Skandal: Bewährung gegen Geständnis
Urteil im Diesel-Skandal: Ex-Audi-Chef Rupert Stadler hat weggeschaut und seine Pflichten vernachlässigt, muss aber nicht ins Gefängnis.
Die Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts München bewahrt ihn und zwei weitere Angeklagte in ihrem Urteil zum Dieselabgasskandal vor dem Gefängnis. Gemäß eines „Deals“, einer Absprache zwischen Gericht und Angeklagtem, erhält der 60-Jährige eine Bewährungsstrafe von einem Jahr und neun Monaten. Zudem muss er 1,1 Millionen Euro an die bayerische Staatskasse sowie an gemeinnützige Organisationen zahlen.
Die zwei Mitangeklagten, Wolfgang Hatz – einst bei Audi und später Porsche-Entwicklungsvorstand –, sowie der ihm unterstellte Ingenieur Giovanni P. erhalten ebenso Bewährungsstrafen. Damit geht ein Mammutverfahren zu Ende, in dem erstmals ein Urteil gegen einen früheren Volkswagen-Vorstand wegen manipulierter Software bei Dieselfahrzeugen gesprochen wurde. Über zweieinhalb Jahre hinweg wurde an insgesamt 172 Tagen verhandelt. Und das Auffliegen des Dieselskandals ist auch schon fast acht Jahre her.
Alle drei Angeklagten wurden wegen Betruges verurteilt. Hatz und der Ingenieur hatten schon recht früh ihre Schuld gestanden, Deals abgeschlossen und ausgesagt. Stadler hingegen war bis Mitte Mai bei seiner Haltung geblieben, unschuldig zu sein. Der Betrug habe sich hinter seinem Rücken abgespielt und er nichts davon gewusst, hatte Stadler lange behauptet. Erst nachdem ihm das Gericht klar gesagt hatte, dass es genug Beweise sehe für eine Verurteilung mit Gefängnis, ging Stadler auf den Deal ein: Geständnis gegen Bewährung.
Stadler hat weggeschaut
In seiner Urteilsbegründung listete der Vorsitzende Richter Stefan Weickert vor allem Stadlers Versäumnisse als oberster Audi-Mann auf. Dieser habe „gesehen, dass es Möglichkeiten gibt, Betrug zu verüben“. Ihm sei „bewusst gewesen, dass es Entwicklungen gegeben hat, deren rechtliche Zulässigkeit nicht gesichert waren“. Kurz: Stadler hat weggeschaut, wo er hätte hinschauen und einschreiten können, ja sollen.
Bei den verzweigten Fällen geht es um Dieselabgasmessungen verschiedener Autos von Audi und VW. Begonnen hatte das Problem in den USA, als dort schärfere Gesetze für den Ausstoß von Schadstoffen eingeführt wurden. Im Kern tüftelten die Ingenieure Systeme aus, bei denen der Abgasausstoß bei den Messungen niedrig sein sollte. Diese Werte hatten aber nichts mit denen zu tun, die tatsächlich bei den Fahrten ausgestoßen wurden. Diese lagen um ein Vielfaches höher.
So wurden Behörden, Audi-Vertragshändler und Kunden ausgetrickst. Als der Dieselskandal 2015 aufflog, führte das zu tiefgreifenden Erschütterungen in der gesamten Automobilindustrie. Allein in den USA entstand laut dem Vorsitzenden Richter Weickert ein Schaden von 2,3 Milliarden Euro, für den Wolfgang Hatz und der Ingenieur laut Urteil verantwortlich sind.
Stadler werden dagegen in dem Urteil nur in Deutschland entstandene Schäden zur Last gelegt – fast läppische 41 Millionen Euro wegen des Verkaufs von manipulierten Dieselautos in Deutschland. Hier wurden die Manipulationen durch relativ günstige Softwareupdates ausgebügelt, in den USA hatten die betroffenen Autos nach dortiger Rechtslage nur noch Schrottwert.
Seine Anwälte stellten ihn als unschuldig dar
Dass beim Ex-Chef Stadler eine gewisse Schuldeinsicht besteht, war in dem gesamten Verfahren nicht zu erkennen. Seine Anwälte stellten ihn als unschuldig dar, er selbst hat nie etwas gesagt. Das Mitte Mai von seiner Verteidigerin vorgelesene Geständnis hörte sich karg und dünn an. Mit vielen Einschränkungen und Konjunktiven hatte er darin erklärt, dass es „ein Mehr an Sorgfalt bedurft hätte“. Er habe die Möglichkeit „billigend in Kauf genommen“, dass manipuliert worden sei. Und als einziger Satz der Entschuldigung: „Das bedauere ich sehr.“
Mit welchem Aufwand und wie durchtrieben an den Abgasvorrichtungen manipuliert wurde, zeigen die langen Ausführungen des Richters in der Urteilsbegründung. Für den Laien sind die einzelnen technischen Schritte und Vorgehensweisen kaum verständlich. Es zeigt sich aber: Es wurde zeitaufwändig, sehr komplex und immer wieder neu am Betrug getüftelt.
Der Ingenieur, so der Richter, wusste vom Betrug, „fand sich damit aber ab“. Er wollte „Nachteile für sich abwenden“. Wolfgang Hatz sei der Auffassung gewesen, „dass es keine anderen Lösungen gab“.
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