Urteil im Achenbach-Prozess: Der falsche Kunstfreund
Das Landgericht Essen hat Helge Achenbach zu sechs Jahren Haft verurteilt. Auch das Eigentum von Superreichen wird vom Strafgesetzbuch geschützt.
In gewisser Weise kehrt Kunsthändler Helge Achenbach am Ende seiner Laufbahn zu seinen Berufsanfängen zurück. Als Student machte er ein einjähriges Praktikum in der Justizvollzugsanstalt Siegburg. Während seiner steilen Karriere in der Kunstbranche hat er sich sicher nicht träumen lassen, einst selbst im Knast zu sitzen. Am Montag hat das Landgericht Essen den 62-Jährigen wegen Betrugs zu einer Haftstrafe von sechs Jahren verurteilt.
Vor Gericht erschien der Erfinder des Berufs „Kunstberater“ deutlich älter, als er ist. Eigentlich war er ein wenn auch exklusiver Einkäufer. Die erfundene Berufsbezeichnung diente zur Imagepflege als Kunstexperte, dem es eben nicht ums Geld geht. Damit wurde Achenbach zu einem der ganz Großen im internationalen Kunstbusiness, der bei Reichen wie Kreativen ein und aus ging – bis er im Juni 2014 verhaftet wurde. Die Erben des 2012 verstorbenen Berthold Albrecht aus der Discounterdynastie Aldi hatten ihn angezeigt.
Das Geschäftsmodell des ehemaligen Düsseldorfer Asta-Vorsitzenden: die Freundschaft reicher Leute suchen, sie für Kunst begeistern und für sie auf der ganzen Welt das Beste und Teuerste einkaufen. Gerhard Richter, Roy Lichtenstein, Pablo Picasso – für Milliardäre wie die Albrechts konnte es nicht erlesen genug sein. Sie hielten ihn für einen Freund, er aber zockte sie ab.
Die vereinbarte Provision reichte Achenbach nicht. Er schob seinen Kunden fingierte Rechnungen unter, die er vor Gericht als „Collagen“ bezeichnete. Zum Verhängnis wurde dem siebenfachen Vater, dass er die Albrechts sträflich vernachlässigte, nachdem die keine Kunst mehr kaufen wollten. Bertholds Witwe Babette war die Kränkung darüber noch bei der Aussage im Gericht deutlich anzumerken. Allein ihren Mann hat der siebenfache Vater um 19,3 Millionen Euro betrogen.
Achenbach ist das Symptom eines aus dem Ruder gelaufenen Kunstbetriebs, dessen undurchsichtige Strukturen es Gaunern wie ihm leicht machen. Preise können auf diesem Markt offenbar willkürlich nach oben getrieben werden, kein Beschaffungsweg ist tabu. Mit den Albrechts ging Achenbach auch in große Museen – auf Einkaufstour.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag