Haftstrafe für Kunstberater Achenbach: Absturz des Strippenziehers
Es war einer der spektakulärsten Prozesse der deutschen Kunstszene: Kunstberater Helge Achenbach wurde zu einer sechsjährigen Haftstrafe verurteilt.
ESSEN dpa | Der Düsseldorfer Kunstberater Helge Achenbach ist wegen Betrugs an reichen Kunden zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt worden. Das Landgericht Essen sprach Deutschlands einst bekanntesten Kunstberater am Montag unter anderem des Betrugs in 18 Fällen schuldig. Der 62-jährige Achenbach hatte gestanden, den 2012 gestorbenen Aldi-Erben Berthold Albrecht sowie den Pharma-Unternehmer Christian Boehringer betrogen zu haben.
Unter anderem habe der Kunstberater vertragswidrig verdeckte Preisaufschläge vorgenommen, sagte der Vorsitzende Richter Johannes Hidding in seiner Urteilsbegründung. Die Anklage hatte sieben Jahre Haft für den seit Juni 2014 in Untersuchungshaft sitzenden Achenbach gefordert. Die Verteidigung hatte auf ein deutlich niedrigeres Strafmaß plädiert.
Die Richter gingen davon aus, dass bei den Kunst- und Oldtimerverkäufen an Albrecht ein Schaden von insgesamt fast 20 Millionen Euro entstanden ist. Achenbach hatte die Betrugsvorwürfe bei den Fahrzeugverkäufen stets zurückgewiesen. Er habe seinen Duzfreund Albrecht über die Preisaufschläge aufgeklärt. Doch dem schenkte die Kammer keinen Glauben.
Einen schriftlichen Vertrag zwischen Achenbach und dem Milliardär habe es nicht gegeben, hob Richter Hidding hervor. „Das entspricht auch gewissen Üblichkeiten im Kunstmarkt.“Nach dem Tod Albrechts hatte dessen Witwe die Rechnungen überprüft und Unregelmäßigkeiten entdeckt. Eine Strafanzeige der Familie Albrecht hatte die Ermittlungen gegen Achenbach in Gang gebracht. Achenbachs mitangeklagter ehemaliger Geschäftspartner Stefan H. wurde zu einer Strafe von einem Jahr und drei Monaten auf Bewährung verurteilt.
Auf dem Flughafen verhaftet
Am 10. Juni 2014 war Achenbachs glamouröses Leben vorbei. Er kam aus Brasilien zurück, wo er noch das WM-Quartier der deutschen National-Elf mit Kunst veredelt hatte. Am Flughafen Düsseldorf wurde er festgenommen.
Die monatelange Untersuchungshaft und der Prozess haben den einst jovialen Kunstberater und siebenfachen Vater sichtbar mitgenommen. Unter Tränen und mit brüchiger Stimme entschuldigte sich der 62-jährige Achenbach mehrmals vor Gericht für sein „unmögliches“ Handeln – bei seinen Kunden und bei seiner Familie.
Gelegentlich aber schimmerte der frühere Witz des gebürtigen Siegeners im Gerichtssaal noch durch. „Ich bin entmaterialisiert“, sagte er einmal in einem kurzen Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. „Ich bin zwar pleite, aber nicht ruiniert.“ Zum Ende des Verfahrens aber saß Achenbach wieder blass und sichtbar geschwächt zwischen seinen Verteidigern.
Der Aufstieg des Sozialpädagogen
Achenbach war Teil der linken Studentenbewegung, bevor er vor rund 40 Jahren in die Kunst einstieg. Er machte nach dem Studium der Sozialpädagogik ein Jahr Praktikum in der Justizvollzugsanstalt Siegburg, bevor er 1973 seine erste Galerie in Düsseldorf gründete und sein Aufstieg als Kunstberater begann.
Achenbachs Gespür für aufstrebende Künstler ließ ihn zum einflussreichsten Strippenzieher der Kunstszene werden. Er empfahl schon in den 70er Jahren Werke von Gerhard Richter zu Summen, die heute als Spottpreise gelten würden. „Ein überschwänglicher Mensch voller Ideen“, so beschrieb Glenn D. Lowry, Direktor des weltberühmten Museums of Modern Art in New York, den deutschen Kunstexperten.
Achenbach liebte aber auch den Glamour und Partys. Er fuhr den Bentley von Joseph Beuys. Er beschaffte das Geld für die Kokain-Orgien von Jörg Immendorff, weil er dachte, es wäre für die medizinische Behandlung seines Freundes. „Ein Filou war er immer schon“, sagte Gerhard Richter über Achenbach.
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