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Urteil gegen Le PenRechtspopulisten wittern eine „Kriegserklärung Brüssels“

Unisono kritisieren der Kreml und die europäischen Rechtspopulisten Matteo Salvini, Geert Wilders und Viktor Orbán den Wahlausschluss von Marine Le Pen.

„Ich bin Marine!“, sagt Ungarns Premier Orban nach dem Urteil gegen Le Pen; hier ein Bild von einem Treffen 2021 in Budapest Foto: Laszlo Balogh/ap/dpa

Wien AFP | Die Verurteilung der französischen Rechtspopulistin Marine Le Pen hat in Russland und im rechtspopulistischen Lager in Europa für Empörung gesorgt. Der Kreml in Moskau sprach am Montag von einer „Verletzung demokratischer Normen“. Italiens Vize-Regierungschef Matteo Salvini bezeichnete das Urteil als „Kriegserklärung Brüssels“. Le Pen wurde von einem Gericht in Paris wegen Veruntreuung öffentlicher Gelder in ihrer Zeit als EU-Abgeordnete zu einer vierjährigen Haftstrafe und fünf Jahren Nicht-Wählbarkeit verurteilt.

Kreml-Sprecher Dmitri Peskow warf europäischen Regierungen die Verletzung demokratischer Regeln vor. „Immer mehr europäische Hauptstädte beschreiten den Weg der Verletzung demokratischer Normen“, sagte er, als er auf das Urteil angesprochen wurde. Zwischen dem Kreml und Le Pens Rassemblement National (RN) bestehen seit Jahren enge Verbindungen, wie ein Bericht des französischen Parlaments aus dem Jahr 2023 dokumentierte. Russland pflegt zu vielen rechtspopulistischen Parteien Europas gute Kontakte und wird immer wieder der Einmischung in Wahlen in westlichen Demokratien bezichtigt. Parteien wie der RN vertreten häufig pro-russische Positionen.

Rechtspopulistische Solidarität

Rechtspopulisten in Europa brachten ihre Solidarität mit Le Pen zum Ausdruck. Salvini sah in der richterlichen Entscheidung ein Übergehen des demokratischen Willens der Franzosen. „Diejenigen, die das Urteil der Wähler fürchten, sehen sich oft in den Urteilen der Gerichte bestätigt“, erklärte er. Von der „Kriegserklärung Brüssels“ wolle er sich nicht bremsen lassen. „Wir lassen uns nicht einschüchtern, wir lassen uns nicht aufhalten“, erklärte er.

Der niederländische Rechtspopulist Geert Wilders zeigte sich im Onlinedienst X „schockiert über das unglaublich harte Urteil“ gegen Le Pen. Er sei jedoch zuversichtlich, dass „sie die Berufung gewinnen und die Präsidentin Frankreichs werden wird“.

Auch Ungarns Regierungschef Viktor Orban drückte Le Pen in Reaktion auf das Urteil seine Unterstützung aus. „Ich bin Marine!“, erklärte er auf Französisch auf X. Der Rechtsnationalist hatte Le Pen in der Vergangenheit aufgerufen weiterzukämpfen, wie andere verurteilte „Patrioten“. Orban pflegt gute Kontakte zum russischen Präsidenten Wladimir Putin.

Das Gericht in Paris hatte kurz zuvor entschieden, dass Le Pen wegen der Veruntreuung öffentlicher Gelder in ihrer Zeit als EU-Abgeordnete ab sofort für fünf Jahre nicht bei Wahlen antreten darf. Dies bedeutet, dass das Verbot auch im Fall einer Berufung zunächst weiter bestehen bleibt, und sich Le Pens Aussichten deutlich verringern, bei der Präsidentschaftswahl in Frankreich im Jahr 2027 antreten zu können. Außerdem wurde Le Pen zu vier Jahren Haft verurteilt, von denen zwei zur Bewährung ausgesetzt wurden und die übrigen zwei durch das Tragen einer elektronischen Fußfessel abgegolten werden sollen.

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18 Kommentare

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  • An dieser Stelle offiziell das Angebot an Victor Orban aus der EU austreten zu dürfen.

  • Immer wieder dichten Rechtspopulisten und Faschisten ihren demokratischen Gegnern an, was sie selber tun und möchten: den Staat plündern, korrupte Seilschaften etablieren, politische Gegner verfolgen und liquidieren, die unabhängige Justiz aushebeln. Eine Gaunerbande aus dem Spiegeluniversum. Und die oberste Maxime lautet stets: Regeln und Gesetze gelten nur für die Andern. Ich wünschte die AfD-wählenden Wutbürger würden mal hingucken, wie es in PiS-Polen, Orban-Ungarn, Erdoganland und Trumperica lief und läuft - niemand, der das sieht, versteht und bei klarem Verstand ist würde doch freiwillig noch die deutschen Republikfeinde aus der dritten Reihe wählen, egal wie sehr Scholz, Merz, Lindner und Habeck nerven mögen.

  • „Der Führer schützt das Recht“ hatte Carl Schmitt am 1. August 1934 in der „Deutschen Juristen-Zeitung“ geschrieben, nun melden sich Herrschende aus der Europäischen Union zu Wort, die ganz offen in solche Spähren vordringen wollen, es ist zunächst in der EU schon mal ein Knaller die Entscheidung eines französischen Gerichts mit solchen Worte zu kommentieren.



    Marine Le Pen hat das allerdings auch provoziert, sie konnte a) die Vorwürfe nie entkräften, b) sie ist direkt aus dem Gerichtssaal gegangen, ohne sich das vollständig anzuhören, das Urteil übrigens. Dass dann noch Menschen, die teilweise regieren, so was in dieser Form kommentieren, ist ein dicker Skandal.



    Und leider auch eine Drohung. Der demokratische Rechtsstaat ist selten so offen kritisiert worden, darin steht der Gedanke, dass man ihn auch grundsätzlich in Frage stellen kann / darf / muss = Siehe Carl Schmitt.



    Gerade im Bezug zu Russland wirkt es auf mich schon so, als wenn uns Verrräter in der EU dazu zwingen wollen, dass Menschen wie Marine Le Pen am Ende nicht nur Präsidentin Frankreichs wird, sondern uns an Russland für Gas verhökert. Das macht mir Angst.

  • Was Rechtspopulisten wittern ist mir total egal.



    Dass Rechtspopulisten wirksam bekämpft werden ist wichtig.



    Dieses Urteil ist ein Meilenstein, sollte es (hoffentlich) Bestand haben.

  • Faschisten halten halt zusammen. Regeln gelten sowieso nur für Andere.

  • Schon interessant, dass die Rechten glauben, dass sie über dem Gesetz stehen und dass alles nur ein Selbstbedienungsladen und Betrug nicht geahndet werden soll. Zumindest nicht bei ihnen.

    Und das Orban twittert "Je suis Marine" sagt auch alles.

    • @Anna Bell:

      Die Rechten von Marine Le Pen revoltieren (RN) momentan gegen die Verschärfung einer Anti - Korruptions-gesetz-gebung die sie selbst im Jahr 2016 gefordert haben.

      Die Schmierenkommödie welche der RN derzeit zum Besten gibt: Was interessieren uns Gesetze für die wir



      (Rechtsradikalpopulisten) gestern gestimmt haben - aber uns heute in diesen Gesetzen verheddert und schuldig gemacht haben?

  • Ist überhaupt nicht das gleiche. Aber trotzdem lustig, dass Putin sich über Wahlausschluss beschwert. Was hat er erwartet, 10 Jahre Lagerhaft? Giftmord?

    Und wo bleibt Erdogan? Der darf doch nicht fehlen. Experte für freie Wahlen ;-)

  • Wieso zeigen da welche nach Brüssel? Ich dachte, das sei ein französisches Gericht gewesen. Da hätte sich Frau Le Pen evtl. ein wenig mit der Rechtslage beschäftigen sollen. Vielleicht hätte das geholfen.

  • Der Kreml erregt sich, lol. Nungut, dort werden Oppositionelle nicht nur inhaftiert...

  • Na wenn überhaupt, dann nimmt Brüssel den Federhandschuh auf, den ihm die Le Pens, Wildersw, Orbans oder Salvinis lautstark vor die Füße geworfen haben. Die haben ja schon längst mehr als offen der EU den "Krieg" erklärt.



    Und wenn Orban ab jetzt Marine heißen will, dann muss er halt auch so ein Selbstbestimmungsgesetz einführen. Meinen Segen hätte er.

    • @Deep South:

      Die EU hat ein kriminelles Verhalten in einem französischen Gericht vorgetragen und das Gericht hat es als erwiesen angesehen. Die EU betreibt keine Gerichte. Und Marine Le Pen war nach meinem Wissen exzellent anwaltlich vertreten. Und sie kann sich dagegen wehren, dass das Urteil rechtskräftig wird, dazu müsste sie aber die Anklagepunkte widerlegen. Bis Gestern ist das ja nicht gelungen ....

  • „Je suis Marine“ – aaach, Viktor, herrlich befreiend so ein Coming-out, was? Mann, gäbe es diese tumben Tropfen nicht, man müsste sie fast erfinden.

    • @Thomas Raukamp:

      In einem Comic oder Zeichentrickfilm würden sie sicher für Erheiterung sorgen ...

    • @Thomas Raukamp:

      "From now on, I want you all to call me Loretta"

  • Jetzt warte ich nur noch darauf, dass einer der sauberen Herren die Verurteilung Le Pens mit der Verhaftung Imamoglus in der Türkei vergleicht.

  • Das der ehemalige franz. Präsident Sarkozy auch erst vor kurzem Verurteilt wurde scheint die Rechtskonservativen nicht zu irritieren.



    Es ist nicht üblich, dass hohe Politiker für ihr Handeln zur Rechenschaft gezogen werden. Europa sollte sich am französischen Rechtsystem ein Beispiel nehmen.



    Unser ehem. Verkehrsminister Scheuer, oder gar Ex-Kanzler Kohl kämen in Haft wegen Veruntreuung (Mautsystem) und Bestechung (Kohl mit Geldkoffer ertappt). Bei uns und den anderen Staaten scheint es Sache der Politiker zu sein Anzeige gegen ihre eigenen Leute zu machen, wenn sie mit der Hand im Töpfchen erwischt wurden. In Frankreich ist das wohl eine Angelegenheit der Staatsanwaltschaft. ein gutes System

  • Das ist ja ganz nett, wie auch die Wahlannulierung in Rumänien aber wie sieht es mit dem Entzug des Stimmrechts für die widerporstigen Magyaren aus? Hatte ihm nicht schon eine deutsche Grüne klipp und klar zu verstehen gegeben, er sei nicht willkommen in „our house“ (The Madness so in den 80ern: in the middle of our street).