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Urteil gegen Fahrer von ViehtransportBrutales Geschäft

Ein Viehtransporter-Fahrer wurde wegen Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz verurteilt. Der Schlachthof, in dem das geschah, war ein Ort des Grauens.

Bei vollem Bewusstsein wurden Kühe über die Sprossen der LKW-Rampe gezogen Foto: Soko Tierschutz

Bad Iburg taz | Saal 126 ist eine Augenweide: Stuck­ornamente, Bogenfenster, Steinfußboden. Aber was am Montagmorgen in ihm zu sehen ist, in langen, schonungslosen Videos, ist roh, brutal und grausam.

An diesem Morgen wird im niedersächsischen Amtsgericht Bad Iburg, auf dem Burgberg im Schloß, gegen Viehtransporter-Fahrer Sascha P. verhandelt, wegen Verstoßes gegen den Paragrafen 17, Nr. 2b, des Tierschutzgesetzes. Im September 2018 hatte P. Rinder gefahren, zum berüchtigten Schlachthof der Vieh- und Fleisch Karl Temme GmbH & Co. KG in Bad Iburg. Dabei habe er, so der Vorwurf der Anklage, „die Schmerzen und Leiden der Tiere auf der Fahrt und beim Abladen jedenfalls billigend in Kauf genommen“.

Die Videos, die Richter Edmund Jahner zeigt, sind erschütternd. Tiere humpeln aus dem Anhänger, auf drei Beinen, sinken entkräftet zu Boden, liegen teils aufeinander. Elektroschocks werden gesetzt. Drei Kühe, die nicht mehr stehen können, werden bei vollem Bewusstsein per Kette über die Sprossen der LKW-Rampe gezogen. Keine Bolzenschussbetäubung, wie es Pflicht ist. Einfach Schlinge um den Fuß, Motor an, erledigt. Sascha P. arbeitet bei all dem mit, er bedient die Winde. Routiniert sieht er dabei aus.

Jahner nimmt Sascha P., der bis heute Tiertransporte fährt, derzeit als Selbstständiger, hart unter Beschuss, hinterfragt seine Berufseignung, lässt durchblicken, dass er bei Temme nicht an Einzelfälle glaubt. Und er setzt ein deutliches Signal: 100 Tagessätze zu 50 Euro. Jedem, der ihn fragt, wird Sascha P., wenn das Urteil Rechtskraft erlangt, ab jetzt sagen müssen, dass er vorbestraft ist.

Sascha P. ist geständig, aber einsilbig und abwehrend. Er knetet seine Hände, wieder und wieder, reibt und faltet sie. Manchmal gähnt er. Der „Vorgang“ tue ihm Leid, lässt er seinen Anwalt sagen. Er selbst sagt: „Ich war nur Fahrer.“

Die Videos stammen von der Soko Tierschutz

Die Videos, die Richter Jahner zeigt, stammen von Friedrich Müllns Münchner Tierrechtsorganisation „Soko Tierschutz“. Mülln ist ein mutiger Mann. Bei seinen investigativen Undercover-Einsätzen riskiert er zuweilen sogar sein Leben, denn manch enttarnter Tierquäler ist auch gegen Menschen brutal. Vor allem in der Fleischwirtschaft hat Mülln Fein­de.

An diesem Montag zeigt sich, wie erfolgreich seine Arbeit ist. Ohne Müllns Soko wäre der Horror im Schlachthof Temme vielleicht nie ans Licht gekommen. Sie hatte der Staatsanwaltschaft Oldenburg, Zentralstelle für Landwirtschaftsstrafsachen, verdeckt gefilmtes Videomaterial vorgelegt. Fünf Wochen lang hatte sie im Herbst 2018 das Geschehen dokumentiert.

Anfang Oktober 2018 stellte Mülln Strafanzeige und Strafantrag, gegen den Schlachthof und dessen Personal, gegen Tierhalter und Tiertransportunternehmen, gegen Hoftierärzte und amtliche Veterinäre. Von Fußtritten, Mistgabelstichen und Knüppelschlägen spricht er darin; von blutenden Wunden und ex­tremer Abmagerung; von Wassermangel und Überbeladung. Die amtliche Tierärztin habe „in über 98 Prozent der Abladungen die Lebendschau der Tiere unterlassen“. Eine Untersuchung schwacher, kranker, verletzter Tiere sei unterblieben.

Der Landkreis Osnabrück hat damals schnell reagiert und den Schlachthof Temme stillgelegt, die Ärzte freigestellt. Und jetzt, zwei Jahre danach, beginnen die Strafverfahren. Sascha P. ist dabei nur der Auftakt.

„Die Staatsanwaltschaft Oldenburg hat uns rund 100 Verfahren angekündigt“, sagt Susanne Kirchhoff, Direktorin des Amtsgerichts Bad Iburg. „23 davon haben wir bereits hier.“ Viel wird über Strafbefehle geregelt, über Geldstrafen, ohne mündliche Hauptverhandlung. Vier davon sind bereits rechtskräftig.

Auch gegen Landwirte laufen Verfahren

Aber ein paar Tausend Euro, ohne viel Aufsehen, und fertig? Mülln findet das „der Schwere der Tat nicht angemessen“. Die „Bad Iburg-Connection“, sagte er, trage „Züge einer kriminellen Vereinigung“. Temme sei „bundesweit dafür bekannt gewesen, Tiere anzunehmen, die kein anderer will“ – die eigentlich notgetötet hätten werden müssten, in Tierkörperbeseitigungsanstalten entsorgt.

Viele der Verfahren richten sich gegen Viehtransporter-Fahrer wie Sascha P., einige gegen Land­wirte. Ob auch gegen die Verantwortlichen des Schlachthofs verhandelt wird, gegen die Tierärzte, weiß Kirchhoff noch nicht: „Wir werden sehen, was kommt.“ Was Mülln „Connection“ nennt, ist zerschlagen. Wie sie aussah, werden die 100 Verfahren zeigen: „Am Ende“, sagt Kirchhoff, „muss man das dann natürlich auch in seiner Gesamtheit betrachten.“

Dass es den Schlachthof Temme nicht mehr gibt, heißt natürlich nicht, dass das Leiden aufgehört hat. Mülln, bitter: „Das Geschäft haben andere übernommen.“ Viel zu tun für seine Soko.

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6 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • " Ohne Müllns Soko wäre der Horror [...] vielleicht nie ans Licht gekommen."



    Dieses vollkommene Versagen der eigentlich vorgesehenen Kontrollinstanzen wäre doch eigentlich der erste Punkt an dem etwas geändert werden müsste. Es ist ja nun wirklich nicht der erste Fall bei dem Amtstierärzte und Behörden mit den Tätern durch bewusstes Wegsehen gemeinsame Sache machen.

  • Jedes mal, wenn ich im Sommer an all den Lokalen und Restaurants vorbeigehe, in denen Menschen im Freien, vor einem großen Teller sitzen, mit einem noch größeren Stück Fleisch darauf, möchte ich diesen am liebsten auf deren großen Teller kot..... (Ich bitte darum, den unqualifizierten und wenig sachlichen Kommentar zu entschuldigen, aber ich staune stets auf's Neue, wie wenig es meinen eigenen Artgenossen vor überhaupt irgendwas zu grausen scheint). (Fast) allein unter einer Horde von Monstern. Da bekommt man auch eine Ahnung darüber, wo all das Schlechte auf der Welt herrührt...

    • @Telligraph:

      Ich kann dir nur beipflichten und dir sagen: "Du bist nicht allein! Wir sind (global) Million und wir werden bei dir sein!"

    • 9G
      95692 (Profil gelöscht)
      @Telligraph:

      Finden Sie nicht, das Sie etwas übertreiben mit " wo all das Schlechte auf der Welt herrührt..."



      Das hat ja schon religiöse Züge. Und was das "schlechte in der Welt herrührt" : Hess und Hitler waren Vegetarier.

      • @95692 (Profil gelöscht):

        Finden Sie nicht, das Sie auch etwas übertreiben?



        Das regelmäßig wieder kolportierte Märchen von Hitlers Vegetarismus zeigt vor Allem wie langlebig Propaganda sein kann, aber selbst wenn es wahr wäre, ist es einfach mal vollkommen egal und spielt mit Sprüchen wie "Ihr esst meinem Essen das Essen weg" und "Fleisch ist mein Gemüse" in der stumpfesten und billigmöglichsten Kategorie der Plattitüden die Fleischesser Vegetarieren eben regelämßig um die Ohren hauen um sich selbt zu versichern, dass sie an der Spitze der Nahrungskette stehen.

        • 9G
          95692 (Profil gelöscht)
          @Ingo Bernable:

          Was Plattitüden angeht sollten sich Veganer und Vegetarier doch bitte mal an die eigenen Nase fassen.



          Und das bei den Nazis der Vegetarismus sehr beliebt war ist ganz gewiss kein kolportiertes Märchen !

          Um ihrer Selbsttäuschung nicht gewahr werden zu müssen, bedienen sich Vegetarier und Tierrechtler eines einfachen Tricks: Alles, was ihrem Selbstbild zuwiderläuft, wird als “nicht echt” bezeichnet. Hitler war gar kein “echter Vegetarier”, weil er Eier aß; die Tierliebe der Nazis sei “unecht” gewesen, weil sie nur bestimmte Arten und Rassen bevorzugt hätten etc. etc.



           

          Fast alle Nazi-Größen sympathisierten mit dem Vegetarismus. Goebbels hielt den Fleischverzehr für eine “Perversion des modernen Menschen”; Heß, Himmler und Hitler waren praktizierende Vegetarier. Himmler ließ in Dachau Versuche an Häftlingen mit veganer Ernährung durchführen, um die Überlegenheit der Pflanzenkost zu beweisen. Die Jagdleidenschaft von Reichsjägermeister Göring stieß bei seinen Mitstreitern auf nahezu einhellige Ablehnung. Hitler hielt die Jagd schlichtweg für Mord und duldete sie nur aus “ökologischen” Gründen.



           

          oder



          Hitler äußerte sich über seine Essgewohnheiten zum Reichsjugendführer Baldur von Schirach: !Ich esse alles, was die Natur freiwillig hergibt: Obst, Gemüse, Pflanzenfett. Ich bitte, mir alles zu ersparen, was Tiere nur unfreiwillig hergeben: Fleisch, Milch und Käse. Vom Tier also nur die Eier.! Vegetarier waren auch Rudolf Heß und Heinrich Himmler. Himmler ließ im KZ Mauthausen Menschenversuche mit veganer Ernährung durchführen.