Urteil des Bundesverwaltungsgerichts: Kein Zugang zu Twitter-Nachrichten

„Frag den Staat“ wollte Zugang zu den Direktnachrichten vom Bundesinnenministerium. Doch die Leipziger Richter habe die Klage abgelehnt.

Innenminister Seehofer mit Smartphone.

Dienstliche Kommunikation per Twitter Direktnachrichten? Will nicht verraten, wem er was schreibt Foto: Stefan Boness

LEIPZIG taz | Das Innenministerium muss seine Twitter-Direktnachrichten nicht herausgeben. Das entschied das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig in einem Grundsatzurteil. Geklagt hatte das Transparenzportal „Frag den Staat“.

Arne Semsrott, Projektleiter von Frag den Staat, hatte das Bundesinnenministerium (BMI) aufgefordert, ihm Einsicht in alle Twitter-Direktnachrichten zu geben, die das Ministerium von 2016 bis 2018 versandt und erhalten hat. Er stützte sich dabei auf das Informationsfreiheitsgesetz (IFG) von 2005. Danach haben Bür­ge­r:in­nen Anspruch auf Zugang zu „amtlichen Informationen“ von Bundesbehörden. Sie müssen ihr Interesse nicht einmal begründen.

Das BMI wies den Antrag Semsrotts damals aber ab. Es handele sich hier nicht um„amtliche Informationen“, sondern um „rechtlich irrelevante“ Korrespondenz der Social-Media-Redaktion des BMI. Pro Tag gebe es etwa fünf bis zehn Twitter-Direktnachrichten an andere Behörden oder Bürger:innen. Dabei würden zum Beispiel informelle Absprachen mit den Social Media-Redaktionen anderer Ministerien getroffen. Oder es werde Bür­ge­r:in­nen für Hinweise auf Fehler gedankt. Jour­na­lis­t:in­nen werde der Weg zur:m richtigen An­sprech­part­ne­r:in gewiesen.

Arne Semsrott ging jedoch davon aus, dass durchaus auch Relevanteres per Twitter-Direktnachricht ausgetauscht wird: „Da wird vermutlich auch die Pressearbeit mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz oder der Bundespolizei koordiniert“. Anders als Twitter-Tweets sind Twitter-Direktnachrichten nicht öffentlich sichtbar; nur Sen­de­r:in­nen und Emp­fän­ge­r:in­nen können sie lesen.

Demokratische Teilhabe – ein weites Feld

Das Verwaltungsgericht Berlin entschied im August 2020 für Frag den Staat. Die Direktnachrichten des BMI seien amtliche Informationen, die unter das Informationsfreiheitsgesetz fallen. Das Gesetz, das die demokratische Teilhabe der Bür­ge­r:in­nen stärken wolle, sei weit auszulegen.

Für Frag den Staat war das ein großer Erfolg. Denn eigentlich ging es Semsrott weniger um die Twitter-Direktnachrichten, sondern vor allem um die SMS von Kanzlerin Angela Merkel und die WhatsApp-Nachrichten von Verkehrsminister Andreas Scheuer. „Wir wollen hier die grundsätzliche Frage klären, ob auch neue Kommunikationswege unter das IFG fallen.“ Nach den Twitter-Nachrichten fragte man, weil diese zweifellos vorhanden sind, da Twitter sie jahrelang speichert.

Doch das BMI akzeptierte das Berliner Urteil nicht und ging in die Sprungrevision zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig. Dort hatte das Ministerium nun auch Erfolg.

„Geringfügige inhaltliche Relevanz“

Die Leipziger Rich­te­r:in­nen lehnten das Ansinnen von Frag den Staat ab. Es handele sich bei den Twitter-Direktnachrichten doch nicht um „amtliche Informationen“, sagte der Vorsitzende Richter Franz Schemmer, da sie von Twitter gespeichert werden und nicht vom Innenministerium. Die Aufzeichnung diene also nicht amtlichen Zwecken. „Twitter speichert die Nachrichten nach dem eigenen Geschäftsmodell und nicht im Auftrag des Ministeriums“, so der Richter. Das Gericht akzeptierte auch die Einschätzung des BMI, dass die Twitter-Direktnachrichten „aufgrund ihrer geringfügigen inhaltlichen Relevanz keinen Anlass geben, einen Verwaltungsvorgang anzulegen“.

Arne Semsrott zeigte sich nach dem Urteil enttäuscht. Man werde nach Prüfung des Urteils künftig wohl Kommunikationen herausverlangen, die niemand als „geringfügig“ einstufen könne. „Vielleicht fragen wir dann doch nach den SMS der Kanzlerin“, sagte Semsrott.

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