Urteil des Bundesverfassungsgerichts: Bürger dürfen Polizisten filmen
Macht die Polizei Aufnahmen von Versammlungen, darf ihrerseits gefilmt werden. Nicht nur damit stärkt Karlsruhe das Demonstrationsrecht.
Außerdem sei die Polizei nicht ohne Weiteres berechtigt, die Personalien von Demonstranten aufzunehmen, wenn diese die Einsatzkräfte filmten. Das sei ein verfassungswidriger Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung, urteilte das Bundesverfassungsgericht nun und hob damit Entscheidungen des Verwaltungsgerichts Göttingen und des Oberverwaltungsgerichts Niedersachsen in Celle auf.
Der Kläger hatte im Januar 2011 für die Initiative „Bürger beobachten die Polizei Göttingen“ an einer Demonstration gegen DNA-Zwangsabnahmen teilgenommen und war dort von Polizisten kontrolliert und gefilmt worden. Seine Begleiterin machte ihrerseits Aufnahmen der filmenden Beamten, woraufhin auch ihre Personalien überprüft wurden.
Der 49-Jährige hatte gegen seine Identitätsfestellung geklagt. Die Kontrolle wäre nur bei konkreter Gefahr für „polizeiliches Schutzgut“ zulässig gewesen, urteilten jetzt die Karlsruher Verfassungsrichter. Dazu müsste die Polizei etwa Anhaltspunkte dafür haben, dass die Aufnahmen veröffentlicht werden sollten.
„Fertigen Versammlungsteilnehmern Bildaufnahmen von eingesetzten Polizeibeamten an, kann nicht ohne nähere Begründung von einer konkreten Gefahr für ein polizeiliches Schutzgut ausgegangen werden“, so die Begründung der Richter. „Die bloße Möglichkeit einer strafbaren Verletzung des Rechts am eigenen Bild genügt nicht, um eine Identitätsfeststellung durchzuführen“, schrieben die Richter.
Denn dann unterlasse der „Betreffende aus Furcht vor polizeilichen Maßnahmen auch zulässige Aufnahmen und mit diesen nicht selten einhergehende Kritik an staatlichem Handeln“. „Bürgerrechtsorganisationen, die regelmäßig rechtswidriges Polizeihandeln aufdecken, sind bei manchen Polizeieinheiten nicht gern gesehen und daher immer wieder Adressaten polizeilicher Maßnahmen“, sagte der Göttinger Rechtsanwalt Sven Adam, der den Kläger vertritt.
Für die sei dieses Urteil eine gute Nachricht. Die Entscheidung habe grundsätzliche Bedeutung und stärke die Rechte von Demonstrationsbeobachtern.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Stromversorgung im Krieg
Ukraine will Atomkraft um das Dreifache ausbauen