Colorado-Urteil gegen Donald Trump: Aufbäumen der Demokratie
Trump hat klar am Aufstand gegen die demokratische Ordnung mitgewirkt. Die aber könnte so beschädigt sein, dass sie sich nicht mehr wehren kann.
W ohl selten war ein Urteil so bahnbrechend und so wirkungslos zugleich wie das des Obersten Gerichtshofes des US-Bundesstaats Colorado vom Dienstag. Ex-Präsident Donald Trump, entschieden die Richter*innen mit 4:3 Stimmen, dürfe wegen seiner Beteiligung an einem Aufstand gegen die verfassungsmäßige Ordnung kein öffentliches Amt mehr bekleiden. Daher sei sein Name von Wahlzetteln der republikanischen Vorwahl in Colorado zu streichen.
Das klingt verheißungsvoll nach der Handlungsweise einer wehrhaften Demokratie, die sich selbst ernst nimmt und ihrer eigenen Zerstörung wirkungsvoll vorbeugt.
Nur: Trump wird vor den von ihm selbst während seiner ersten Amtszeit konservativ umgeformten Obersten Gerichtshof ziehen. Der wird das Verfahren annehmen und sich damit Zeit lassen. Währenddessen, so hat es Colorados Gericht selbst bestimmt, kann Trump antreten. Die Vorwahlen sind im März. Bis dahin wird es kein Urteil des Supreme Courts geben – und auch danach käme es einem Wunder gleich, wenn die 6-köpfige konservative Mehrheit der Richter*innen ausgerechnet jenen Mann von der Wahl ausschließen würde, dem drei von ihnen ihren Platz auf der Richterbank verdanken.
Auch republikanische Rivalen stützen Trump
Und: Niemand aus der Riege führender Republikaner*innen, nicht einmal Trumps wenig aussichtsreiche Rival*innen, rücken ob dieses Urteils – oder auch der vielen anderen Strafverfahren gegen den Ex-Präsidenten – von Trump ab. Im Gegenteil: Sie bestätigen sein Gerede, es handele sich um politische Justiz der Biden-Regierung gegen einen unliebsamen Konkurrenten. Mit dieser Verachtung der Justiz machen sie sich politisch mitschuldig an der planmäßigen Zerstörung des Rechtsstaats.
Es kann überhaupt keinen Zweifel daran geben, dass Trump 2020/21 alles, inklusive Betrugsversuch und Gewaltaufruf, unternommen hat, um die Amtsübergabe an den legitimen Wahlsieger Joe Biden zu verhindern. Ja, das ist ein Aufstand gegen die demokratische Ordnung. Die aber könnte schon so beschädigt sein, dass sie sich nicht mehr effektiv zu wehren vermag.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind