: Urbane Bienen
Sie fühlen sich in der Stadt meist wohler als auf dem Land, das Angebot ist hier einfach größer. Weil es mit urbanen Lebensräumen allein auf Dauer nicht getan ist, sollen die Insekten aber auch in Wäldern und auf Feldern wieder bessere Ansiedlungsmöglichkeiten bekommen
Von Kristina Simons
Ohne Bienen wären wir um viele Obst- und Gemüsesorten ärmer. Äpfel, Erdbeeren und Kirschen, Gurken, Kürbisse und Tomaten würden zur Bückware. Denn 75 Prozent aller Kultur- und Nutzpflanzen sind bei der Vermehrung darauf angewiesen, dass Bienen sie bestäuben. Sie sorgen also nicht nur für den Honig auf unserem Frühstücksbrot, sondern auch für Artenvielfalt und den Erhalt unseres Ökosystems. Umso schlimmer ist es, dass schon seit vielen Jahren weltweit viele Bienenpopulationen sterben: aufgrund von Krankheiten und Parasiten, Pestizidbelastung und Monokulturen in der Landwirtschaft. Genau deshalb sind inzwischen Städte mit ihrem ganzjährigen Pflanzenreichtum in Kleingärten, Parks, urbanen Grünanlagen und Balkonkästen ein wichtiger Rückzugsort für Bienen. Den Artenreichtum, den wir hier heute haben, sucht man auf dem Land vergeblich.
Um ökologische Bienenhaltung in der Stadt geht es dem Verein Stadtbienen. Er bietet in mehr als 30 Städten Imkerkurse an und hat die kompakte Behausung Bienenbox entwickelt. Sie ermöglicht artgerechte Haltung auf Hausdächern, am Balkon oder im Garten. Die Idee dazu kam Vereinsgründer Johannes Weber, nachdem er mit seinen rund 50.000 Bienen den Dachgarten seines Nachbarhauses verlassen musste und ein neues Zuhause für sie suchte. „Die damals vorhandenen Beuten, also Bienenbehausungen, entsprachen nicht meinen Ansprüchen an ökologisches Imkern“, sagt Weber. „Also habe ich selbst eine Bienenbox konstruiert.“
Im Jahr 2012 war das. Weber bekam ein Stipendium, gründete den Verein Stadtbienen und beauftragte die Berliner Werkstätten für Menschen mit Behinderung (BWB) mit der ersten Kleinserie. Mit 70 Bienenboxen ging es los. Nach einer erfolgreichen Crowdfunding-Kampagne hatte der Verein das Geld für die Serienproduktion zusammen. „Inzwischen baut die Tischlerei der BWB im Jahr 500 Bienenboxen“, berichtet Benjamin Geron, Regionalleiter Süd-Südwest der BWB. Im Jahr 2022 sollen es 550, Im Jahr 2023 dann schon 600 Stück sein. Inzwischen vertreibt die BWB die Boxen auch.
Ökologisches Imkern bezieht sich beim Verein Stadtbienen sowohl auf die Art der Bienenhaltung als auch auf die Bienenbox selbst. Darin überwintern die Völker auf ihrem eigenen Honig und nicht auf Zucker. Geerntet wird deshalb nur der überschüssige Honig. „Außerdem arbeiten wir mit dem natürlichen Schwarmtrieb – etwas, das die konventionelle Imkerei gerade vermeiden will, denn dabei gehen immer Bienen und Honigertrag verloren“, so Weber. Die Bienenbox selbst ist ökologisch, weil sie zum einen aus Holz aus nachhaltiger Forstwirtschaft besteht und nicht, wie viele andere, aus Styropor oder Kunststoff. „Zum anderen arbeiten wir mit Naturwaben und nicht mit künstlich hergestellten. Dafür werden spezielle Schiffsrumpfleisten in den Rähmchen vormontiert. Auf diesen Naturwaben entwickelt sich das Brutnest als geschlossene Einheit.“ In der konventionellen Imkerei wird hingegen aufgrund eines Baukastensystems der Brutraum mehrfach geteilt. Für die Bienen bedeutet das Stress pur. Der Deckel der Bienenbox ist zudem hinterlüftet. Dadurch gibt die Box eindringende Feuchtigkeit wieder ab und behält die Wärme im Innern. So verringert sich die Gefahr, dass sich Schimmel bildet.
Die Bedeutung von Bienen als Bestäuber für Biodiversität und Ernährungssicherheit ist elementar für die Menschheit. Die Generalversammlung der Vereinten Nationen hat den 20. Mai als World Bee Day ausgerufen, um darauf hinzuweisen. Denn Bienen brauchen dringend Schutz, ihre Population geht weltweit zurück.
Der 20. Mai erinnert an Anton Janscha, der 1734 an diesem Tag geboren wurde. Als Hofimkermeister hat er unter anderem die erste moderne Imkerschule geleitet und zahlreiche Bücher über Bienen und Imkerei verfasst.
Rund um den Weltbienentag gibt es normalerweise auch viele lokale Einzelveranstaltungen. Im Jahr 2021 können sie aufgrund der Kontaktbeschränkungen nicht oder nur eingeschränkt stattfinden, einige wurden auf den Herbst verschoben.
Inzwischen siedelt der Stadtbienen-Verein zusammen mit mehreren Kooperationspartnern auch wieder wilde Honigbienen in ihrem natürlichen Habitat Wald an. „Millionen Jahre lebten Honigbienen dort völlig unabhängig“, sagt Weber. Doch durch züchterische Maßnahmen habe sich in den letzten Jahrzehnten eine Abhängigkeit von Imker*innen entwickelt, wilde Honigbienenvölker gebe es kaum noch. „Be(e) Independent“ heißt das Projekt, bei dem in zwei Brandenburger Waldgebieten Nisthöhlen in lebenden Bäumen geschaffen werden. Haben sich die Bienen dort angesiedelt, werden über Monitoringsysteme Daten für die weitere Erforschung von wild lebenden Honigbienen in Deutschland gesammelt.
Doch auch landwirtschaftlich genutzte Flächen sollen wieder bienenfreundlich werden. Vor etwa drei Jahren hat der Landesbetrieb Berliner Stadtgüter das Projekt „Mitschwärmen“ ins Leben gerufen, um vielfältige Lebensräume für Bienen und andere Bestäuber zu schaffen. „Der Rückgang von geeigneten Lebensräumen für zahlreiche Tiere durch das menschliche Zutun ist insbesondere im Berliner Umland ein großes Problem“, sagt Britta Ehlert, die bei den Stadtgütern Nord den Bereich Pflanzenbau koordiniert. „An unseren Feldrändern legen wir artenreiche Blühstreifen an, damit Insekten und andere kleine Lebewesen hier Nahrung und Rückzugsmöglichkeiten finden“, erläutert sie. Nördlich von Berlin, in Stolpe, Schönerlinde und Mühlenbeck, sind bereits auf einer Fläche von mehr als 100.000 Quadratmetern bienengerechte Blühflächen entstanden. Hier wächst nun eine Mischung aus Felderbse, Lupine, Sommerwicke, Phacelia, Sonnenblume, Inkarnatklee und anderen insektenfreundlichen Wildkräutern.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen