Unveröffentlichtes Kohle-Gutachten: Empörung in Keyenberg
Es hagelt Kritik bis hin zur Rücktrittsforderung: Wirtschaftsminister Altmaier soll eine Studie zum Kohleausstieg unter Verschluss gehalten haben.
Sie spricht von einem Gutachten, das seit Dienstag öffentlich ist. Es zeigt, dass die betroffenen Dörfer der Kohle wegen des geplanten Kohleausstiegs nicht zwangsläufig weichen müssten. Caspers befürchtet wie andere, dass RWE aber schnell Fakten schaffen will, bevor die politische Debatte darum hochkocht.
Das zeichnet sich jedoch schon ab: Opposition und Klimabewegung kritisieren Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) scharf, nachdem der Spiegel am Mittwoch berichtet hatte, das Ministerium habe das Gutachten bewusst unter Verschluss gehalten. Es hatte die Untersuchung des Beratungsfirmen BET und EY neben vier weiteren im Frühjahr 2019 beauftragt für die Erarbeitung des Kohleausstiegsgesetzes. Nur: Das Gesetz haben Bundestag und Bundesrat eben schon Anfang Juli beschlossen – und mit ihm die „energiepolitische Notwendigkeit“ des Tagebaus Garzweiler.
Die anderen Gutachten sind längst erschienen. Das aktuelle Papier nicht, obwohl es im Prinzip schon seit mehr als einem Jahr fertig ist. „Die inhaltlichen Arbeiten an diesem Gutachten wurden Ende November 2019 abgeschlossen“, schreiben die Autoren, um darauf hinzuweisen, dass neuere Entwicklungen nicht berücksichtigt sind.
Eines der zwei Szenarien nimmt den Erhalt der Dörfer an
Ihr Gutachten baut auf dem Beschluss der Kohlekommission auf, die im Auftrag der Bundesregierung einen sozial- und klimaverträglichen Plan für den Kohleausstieg erarbeiten sollte. Es geht darum, nach welchem Prinzip man eine Reihenfolge zur Abschaltung der Kohlekraftwerke entwickeln kann. Eines der zwei gangbaren Szenarien nimmt ausdrücklich den Erhalt der bedrohten Dörfer Keyenberg, Kuckum, Ober- und Unterwestrich sowie Berverath an.
„Ein Wirtschaftsminister, der ein so brisantes Gutachten zurückhält, schadet mit dieser Vorgehensweise dem Ansehen der Demokratie“, findet Antje Grothus aus dem nordrhein-westfälischen Buir, das nahe dem RWE-Tagebau Hambach liegt. Sie war als Vertreterin der Tagebaubetroffenen Teil der Kohlekommission. „Es ist ein handfester politischer Skandal.“
So sieht das auch Lorenz Gösta Beutin, klimapolitischer Sprecher der Linken im Bundestag. „Herr Altmaier hat die Öffentlichkeit getäuscht“, kritisiert er. „Dafür muss er zurücktreten.“
Das Wirtschaftsministerium weist die Vorwürfe hingegen zurück. „Das Gutachten wurde selbstverständlich beim Kohlekompromiss berücksichtigt, war aber nicht allein maßgeblich“, gab eine Sprecherin Auskunft. Der Abnahmeprozess habe aber Zeit in Anspruch genommen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Wahlprogramm von CDU und CSU
Der Zeitgeist als Wählerklient
Keine Konsequenzen für Rechtsbruch
Vor dem Gesetz sind Vermieter gleicher
Anschlag in Magdeburg
Auto rast in eine Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Vieles deutet auf radikal-islamfeindlichen Hintergrund hin
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen