Unterwegs im Camper: Wie auf dem Dorf

Campingplätze sind eine Welt für sich. Ein heimeliger Kosmos. Solidarität untereinander wird großgeschrieben. Sie kann aber auch nervig werden.

Wohnmobile auf einem Campingplatz in Burhave/Niedersachsen

Der Reisemobilstellplatz Burhave an der Nordsee Foto: McPhoto/imago-images

Eigentlich wollten wir ja nur das Waschpulver leihen. Weil wir keines hatten. Er bot uns welches an, wir redeten so, und weil er und Freundin im Lonely Planet gelesen hatten, dass die lokale U-Bahn so arg kompliziert sei, und sie Sehenswürdigkeiten abzuarbeiten hatten (sie, etwas gestresst: „ich habe Angst, im Urlaub was zu verpassen“), kamen sie mit uns.

Pärchen-Ausflug mit den Nachbarn vom Campingplatz. Der ist ein eigener Kosmos. Das Vertraute in der Fremde, eine heimelige Welt, Camper-Solidarität. Ein bisschen merkwürdig, denn wenn man schon ein Reisemobil hat, könnte man jenseits deutscher Grenzen fast überall stehen.

Die Wohnmobil-Werbung ist voll von Texten über die große Freiheit, aber offenbar ist vielen Leuten die große Freiheit viel zu groß. Lieber der Campingplatz, da hat man Ruhe vor Einheimischen (sie, entschieden: „Ich habe keine Lust, im Urlaub Leute kennenzulernen“) und Sicherheit. Die beiden berichten von einem Platz, da waren „Ausländer mit Zahnlücken“. Nicht auszudenken, was die tun könnten, Auto knacken und überhaupt. Sie waren dann aber doch ganz nett.

Dann gibt es die jungen Intellectuals, die Campingplätze verhöhnen, was eigentlich noch blöder ist. Der Campingplatz ist ja oft auch ganz lustig. Jedenfalls drängen Camper einem ihr tolles Ich nicht so offensiv auf wie Backpacker. Und gut situierte Rentnerpaare über 60, die man hier häufig antrifft, müssen nicht mehr angeben, sie stehen zu ihrer Ratlosigkeit bei Sim-Karte und WLAN. Und manchmal trifft man auch einen coolen Opi, der über seine Reisen in den Siebzigern in den Iran plaudert.

Natürlich ist all das gleichzeitig superspießig. Dabei gibt es offenbar eine ungeschriebene Campingplatz-Regel: sprachliche Segregation. Die Deutschen reden nur mit Deutschen, die Franzosen nur mit Franzosen, und jeder wartet auf Zuwachs zu seiner Gruppe. Sobald überhaupt ein Deutscher angefahren kommt, sprintet irgendein anderer Deutscher wie ein Irrwisch auf ihn zu und textet ihn ausführlich über das Modell der Trockentrenntoilette zu.

Die Rollenverteilung ist auch klar geregelt. „Du hast die passende Freundin zum Auto“, solche fragwürdigen Komplimente gibt es sonst wahrscheinlich nur noch bei der Formel 1. Dass es eigentlich mein Auto ist, habe ich dann relativ erfolglos angemerkt.

Keine Chance, die Männers reden weiter unter sich („dein Auto“, wie sie völlig ungerührt meinem Freund sagen), und die Frauen reden über, na ja, die Landschaft, die Sehenswürdigkeiten und so. Einladungen nimmt man lieber an, denn auf dem Campingplatz ist es wie auf dem Dorf: man sieht sich immer zweimal. Oder man fährt im Morgengrauen ab.

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Jahrgang 1991, studierte Journalismus und Geschichte in Dortmund, Bochum, Sankt Petersburg. Schreibt für die taz seit 2015 vor allem über politische und gesellschaftliche Sportthemen zum Beispiel im Fußball und übers Reisen. 2018 erschien ihr Buch "Wir sind der Verein" über fangeführte Fußballklubs in Europa. Erzählt von Reisebegegnungen auch auf www.nosunsets.de

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