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Untersuchungsberichte zum FischsterbenGift in der Oder

Polen und Deutschland legen eigene Berichte zum Fischsterben vor – mit unterschiedlichen Ergebnissen. Das liegt auch an den Wahlen im Nachbarland.

Wie es zu der plötzlichen Algenblüte kommen konnte, ist weiter strittig Foto: Patrick Pleul/dpa

Berlin taz | Jetzt ist es offiziell: Die Goldalge Prymnesium parvum hat das massenhafte Fischsterben an der Oder im August ausgelöst. Zu diesem Ergebnis kommt sowohl der Bericht der polnischen als auch der deutschen Expertenkommission, die jeweils am Donnerstag und am Freitag getrennt vorgestellt wurden.

Die Blüte der Brackwasseralge erzeugt ein Toxin, das Atmungsorgane von Kiementieren schädigt. Millionen Fische, Muscheln, Schnecken sind qualvoll erstickt. Wie es aber zu der plötzlichen Algenblüte kommen konnte, ist weiter strittig. Die einzellige Mikroalge kommt eigentlich nur im Meer- oder Brackwasser vor, also dort, wo es einen hohen Salzgehalt gibt – nicht aber im Süßwasser der Oder.

249 Tonnen Fischkadaver wurden auf der polnischen Seite der Oder eingesammelt, auf deutscher Seite waren es über 100 Tonnen. „Das kann nur die Spitze des Eisbergs sein, denn nach dem Platzen der Schwimmblase trieben die meisten toten Fische unter Wasser Richtung Ostsee“, sagt Michael Tautenhahn, Vizeleiter des Nationalparks Unteres Odertal.

Fragt sich, wer verantwortlich ist für den Umweltskandal. Die polnische Oppositionspartei Bürgerkoalition hatte aufgedeckt, dass es 282 illegale Einleitungen von Abwasser in die Oder gab, darunter auch salzhaltiges aus dem Bergbau. Viele Bergbauunternehmen sind in Staatsbesitz, es ist Wahlkampf in Polen und ein Umweltskandal käme der regierenden Partei PiS ungelegen: Angler sind hier ein großes Wählerpotenzial.

Keine Auskunft, woher die hohe Salzfracht kommt

Der polnische Untersuchungsbericht spricht davon, dass die Wasserqualität der Oder schon in den vergangenen Jahren schlecht war und einen hohen Salzgehalt aufwies. Zudem hätten hohe Temperaturen im Sommer das Wachstum der Alge begünstigt. Woher die hohe Salzfracht kommt – dazu sagt der Bericht aber nichts.

„Salzeinleitungen sind nach Ansicht der Fachleute die Ursache für das Fischsterben“, erklärte Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne). Neben der illegalen Einleitung von Abwasser gibt es legale, in Deutschland etwa durch eine große Papierfabrik in Schwedt oder die Raffinerie PCK. „Wir müssen die Einleitungen von Stoffen, zum Beispiel aus Kläranlagen, in Flüsse überprüfen und reduzieren“, betonte Lemke.

Ein Fischsterben, zwei Abschlussberichte. „Dass nach dieser Katastrophe die deutsch-polnische Zusammenarbeit im Umweltschutz so schlecht funktioniert, ist erschütternd“, sagt die grüne Europaabgeordnete Hannah Neumann. Die EU-Kommission müsse sich einschalten und auf die Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie pochen. Polen will die Oder zu einer Ostsee-Schwarzmeer-Wasserstraße über Elbe und Donau ausbauen, Deutschland ist dagegen.

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13 Kommentare

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  • Schweigen, verheimlichen, nur weil Wahlen sind? Man muss sich schon wundern, wie wenig Umweltverbände, Organisationen in Polen Einfluss bzw. Einsicht haben. Es kann aber nicht angehen, dass unsere Ministerin hierzu schweigt und nicht auf Offenheit und Transparenz der polnischen Behörden besteht. Die Oder betrifft auch uns direkt, dann muss auch direkt darauf gedrungen werden diese Missstände sofort zu beheben. Das erwarte ich von unserer Regierung.

  • Ehrlich gesagt kann ich diese Bebilderung mit toten Fischgesichtern nicht mehr sehen.

    Das klingt jetzt vielleicht ein bisschen überspannt, aber das sind Lebewesen.

    Und deswegen finde ich die Selbstverständlichkeit, mit der das nicht nur in der taz so gehandhabt würde, für ein bisschen würdelos.

    Nur die Ansicht eines vegetarischen, halb-veganen Foristen.

    • Stefan Kleie , Autor*in ,
      @Jim Hawkins:

      Sehr geehrter Herr Hawkins,

      ich kaufe morgen meinen ersten toten Hecht, den ich dann "au beurre blanc", mit Estragon verfeinert, zubereite. Dazu ein guter Pouilly-fumé von der Loire; man muss das Leben feiern, bevor es einem die Apokalyptiker kaputt machen. Deshalb werde ich - folgerichtig - einem toten Fisch ins Auge blicken. Auch wenn die taz mit ihrer Umsonstpolitik - die Genossenschaft macht's möglich - eher schädigend auf den geschwächten Mediensektor wirken mag, hier kann ich kein Problem erkennen. Massenhaft tote Fische - und ein toter Fisch zur Bebilderung. Wer würde denn nicht den Mars abbilden, wenn dort gerade eine Raummission von der Erde gelandet ist...?

      • @Stefan Kleie:

        Zumal eine geradezu atemberaubende Lernresistenz zu konstatieren ist.



        Paulus Schiemenz - der Vater & Begründer der Fischereiwissenschaft - untersuchte - quasi als entree - in den 20er ein Fischsterben in der Peene - verursacht durch ungeklärt Abwässer einleitende Papierfabriken.



        Von ihm stammt der geradezu seherische Satz zu der “überschwemmten Wiese“ vulgo Ostsee und die fortschreitende Industriealisierung der Anrainerstaaten:



        “Wenn wir damit so weitermachen - wird der Hering (Armeleute/Brotfisch) ein begehrter Speisefisch werden!“



        Und wenn ich dann lese: - legal oder nicht - Salzeinleitungen in unkontrollierter Höhe! Denke ich - nix dazugelernt •

        unterm—— servíce —-



        Leider sind aus unerfindlichen Gründen die ausführlichen Beiträge über Paulus Schiemenz verschwunden.



        “ (1856–1936), deutscher Zoologe, Limnologe und Fischereibiologe, langjähriger Direktor des einschlägigen Instituts in Berlin-Friedrichshagen am Müggelsee.“



        &



        www.igb-berlin.de/forschungsschiff



        &



        www.deutsche-biogr....de/sfzS03725.html



        &



        www.wikidata.org/wiki/Q20046306

      • @Stefan Kleie:

        Wissen Sie, ich bin kein Fanatiker, letztes Wochenende habe ich bei Freunden in Brandenburg Steaks vom Galloway-Rind gegessen.

        Dennoch habe ich nicht so ein dingliches Verhältnis zu Lebewesen, als dass es mir egal wäre, dass mich seit Wochen tote Fischaugen aus jedem Medium anglotzen.

        Was das alles mit Umsonstpolitik zu tun hat, erschließt sich mir nicht.

        Jedenfalls, guten Appetit!

        • @Jim Hawkins:

          Wenn es darum geht, diese Lebewesen wertzuschätzen, sollte man ihren Tod nicht GERADE ins Bild rücken? So wird einem das Ausmaß der Katastrophe und erzeugte Leid doch zumindest ein bisschen besser klar als nur mit einer nüchternen Beachreibung.

          Solange man dem Problem nicht ins Gesicht schauen muss, lässt es sich doch viel leichter verdrängen.

          Und den Fischen selbst wird's herzlich egal sein, da sie a) tod sind und sie b) der Umstand in einer Zeitung abegdruckt zu sein selbst lebendig nichz im geringsten tangieren würde.

          Ich muss von daher schon fragen: setzen Sie sich hier wirklich für die Fische oder nur gegen Ihr eigenes Unwohlsein in Anbetracht dieser ein?

          • @Snip Snap:

            Sagen wir so, ich setze mich insofern für Fische und andere Tiere ein, indem ich sie in aller Regel nicht esse. Ausnahmen bestätigen die Regel.

            Angefangen habe ich damit aus gesundheitlichen Gründen, später kamen ethische dazu.

            Fische haben das Pech, dass sie keine Geräusche von sich geben können. Man ihre Schmerzen beim Ersticken also nicht mitbekommt.

            Den Leuten ist das in aller Regel ohnehin Schnuppe. Ob Fisch, ob Rind, ob Schwein. Leiden tun alle.

            98 Prozent des Fleisches in Deutschland kommen aus der Massentierhaltung. Jeder kann wissen, was das bedeutet.

            Ich weiß nicht, wie der Fall liegen würde, sähe man jeden Tag in der Zeitung die aufgerissenen Augen eines erbärmlich verreckten Hundes oder eines anderen Kuscheltieres.

            Was meinen Sie?

            • @Jim Hawkins:

              Ich würde sagen, Sie haben recht.

              Es hat in dieser Form etwas Würdeloses, weil es um die Sensation geht.

              Da zieht auch das Argument mit dem zu verspeisenden Hecht nicht.

              Klar ist es dem toten Fisch egal. Die Würde von Toten hat immer was mit den Lebenden zu tun, das ist bei toten Menschen nicht anders.

            • @Jim Hawkins:

              🏴‍☠️ - einfach mal Innehalten - hm.

              Der letzte Vergleich - von geradezu - “bremischer“ Qualität - könnte Anlaß zu nem Revirement sein - odr?



              Viel Glück. Das wird.

              • @Lowandorder:

                Ich mache doch keine Fisimatenten.

                Ich wollte nur darauf hinweisen, dass die meisten Haustiere gehätschelt werden wie Kinder, während gleichzeitig hingenommen wird, dass Tiere, die nicht weniger sensibel oder intelligent als diese sind, behandelt werden, wie man es ja kennt.

                Der Wau-Wau liegt unter dem Tisch und Herrchen schiebt sich das Schnitzel in den Mund.

                • 9G
                  95820 (Profil gelöscht)
                  @Jim Hawkins:

                  "Sagen was ist" (Rudolf Augstein)



                  Zeigen was ist (taz).



                  Fische sind es nicht alleine.



                  Bisweilen gibt's auch tote Schweine,



                  Was nicht immer lieblich ist,



                  liegen die krepiert im Mist.

                  • 9G
                    95820 (Profil gelöscht)
                    @95820 (Profil gelöscht):

                    Ich bin dafür, dass auf Kottelettpackungen u.ä. Schockbilder von Elendstieren aus Massentierhaltung gedruckt werden - nach dem Beispiel von Zgarettenpackungen.



                    (Für die Gastronomie muss ich mir noch was ausdenken.)

                • @Jim Hawkins:

                  Hm. Deckemer einfach das ⛺️ des Schweigens drüber! Wollnich.