Folgen der Erderwärmung: Doppelt aufgeheizt wie die Ozeane
Der Klimawandel führt zu Erwärmung von Nord- und Ostsee. Deswegen gibt es dort jetzt Pazifische Auster und Japanischen Beerentang.
Messungen des Bundesamts für Seeschifffahrt und Hydrographie zeigen, dass die Oberflächentemperaturen in der Ostsee größtenteils 1,5 Grad und mehr über dem langjährigen Mittel lagen. Dies galt besonders für Meeresgebiete zwischen Südschweden und dem Baltikum. Die Nordsee hat sich vor allem in ihrer Südhälfte erwärmt, nahe der Ostküste Englands und im Ärmelkanal war es mehr als ein Grad wärmer als im Mittel der Jahre 1997 bis 2021.
Natürlich bringt diese Erwärmung die Natur aus dem Takt. In der Nordsee gibt es neuerdings Austernriffe. Crassostrea gigas, wie die Pazifische Auster unter Biologen heißt, ist eigentlich vor den Küsten Koreas und Japans zu Hause. Statt des Großen Seegrases wuchert jetzt der Japanische Beerentang, die Amerikanische Pantoffelschnecke macht sich breit.
„Kein Meer hat sich so stark verändert wie die Nordsee“, sagt Karen Wiltshire, Vize-Direktorin des Alfred-Wegener-Instituts und Leiterin der Außenstelle auf Sylt. „Wir messen, dass sich die Nordsee doppelt so schnell aufheizt wie die globalen Ozeane“.
Dem Kabeljau wird es zu warm
Weil die Temperaturen im Winter nicht mehr so tief sinken, überleben plötzlich Arten, die früher keine Chance hatten. Die Rippenqualle beispielsweise, die ursprünglich in subtropischen Atlantikgewässern heimisch ist, wurde 2006 erstmals vor Helgoland gesehen und geht seitdem nicht wieder weg.
Einst typischen Arten wie dem Kabeljau hingegen ist es in Teilen der Nordsee bereits zu warm geworden. Für seine Fortpflanzung braucht der Dorsch, wie er als Jungfisch heißt, eine Wassertemperatur von um die drei Grad. Die findet er hier immer seltener und wandert Richtung Polarmeer. Auch Seelachs oder Blauer Wittling, eine kommerziell wichtige Art, haben sich zurückgezogen, berichten Forscher.
Statt kälteliebender Speisefische wie Makrele oder Kabeljau finden die Fischer zunehmend Thunfisch oder Kalmare in ihren Netzen. In der südlichen Nordsee werden Sardinen bereits gezielt befischt, 50 Tonnen wurden 2019 gefangen. Doch verglichen mit den immer noch knapp 400.000 Tonnen Nordsee-Hering ist das Sardinen-Geschäft kaum von Bedeutung. Die Fänge der Neuankömmlinge sind noch zu sporadisch, um die klimabedingten Verluste bei den früheren Fangarten auch nur annähernd auszugleichen.
Viele der neuen Arten „passen“ aber nicht ins Bild. Miesmuscheln beispielsweise vermehren sich nach eisigen Wintern richtig gut, weil ihre Feinde, junge Krebse, Kälte nicht ertragen. Die Miesmuschel leidet gleich doppelt unter den steigenden Temperaturen: Ihr wärmeliebender Konkurrent, die Pazifische Auster, besiedelt viele angestammte Plätze und verdrängt die Miesmuschel. Das wiederum macht Möwen oder Eiderenten zu schaffen: Deren Schnäbel sind auf Miesmuscheln ausgelegt, Pazifische Austern können sie nicht knacken.
In der Ostsee sorgen hohe Temperaturen und Überdüngung indes für riesige Todeszonen, „sauerstoffarme Gebiete, in denen höheres Leben wie Muscheln oder Fische nicht mehr möglich ist“, sagt Thomas Neumann, Ozeanograf am Leibniz-Institut für Ostseeforschung in Warnemünde. Hier gebe es heute schon sauerstoffarme Totwasserzonen dreimal so groß wie Mecklenburg-Vorpommern.
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