Untersuchungsausschuss zu CSU-Affären: Wir hätten da noch 244 Fragen

Im Frühjahr wurde die CSU von unappetitlichen Maskendeals erschüttert. Ein Untersuchungsausschuss soll sie jetzt aufarbeiten – und nicht nur das.

Eine schwarze Maske und 4 weiße Masken

Foto: Joerg Böthling/imago

MÜNCHEN taz | „Untersuchungsausschuss Maske“ hätte er früher vielleicht geheißen. Damals, als Untersuchungsausschüsse noch kurze, knackige Namen hatten wie „Ei“, „Labor“ und „Modellbau“. Nun wird das Gremium, dessen Einsetzung die bayerischen Oppositionsparteien Grüne, SPD und FDP gerade beantragt haben, wohl eher sperrig „1. Untersuchungsausschuss der 18. Wahlperiode“ heißen. Schade eigentlich.

Die Politiker, die den Ausschuss seit Monaten vorbereiten, haben auch andere Bezeichnungen parat: „Schwarzer Filz“ nennt ihn intern Florian Siekmann von den Grünen. „Patronage“ könnte man ihn nennen, schlägt der stellvertretende Landtagspräsident Markus Rinderspacher von der SPD vor, und für dessen Parteichef Florian von Brunn ist es schlicht der „Untersuchungsausschuss Amigo“.

Amigo – ein Begriff, der an die guten alten Zeiten der CSU-Spezlwirtschaft erinnert. An Zeiten, als der damalige Ministerpräsident Max Streibl, der sich private Brasilienreisen von einem Unternehmer hatte sponsern lassen, seine Parteifreunde mit „Saludos, amigos!“ begrüßte und fragte, ob es in der CSU denn eine Schande sei, Freunde zu haben. An Namen auch wie Tandler und Strauß. Namen, die nun plötzlich wieder zu hören sind.

Am Mittwoch berät der Ältestenrat des Landtags über die Einsetzung des Ausschusses, danach der Verfassungsausschuss. Gegen Ende des Jahres, so schätzen Siekmann und Rinderspacher, die ihre Parteien im Untersuchungsausschuss vertreten sollen, entscheidet dann das Plenum. Wenn alles nach Plan läuft, könnte das Gremium Anfang 2022 seine Arbeit aufnehmen.

„Den Augias-Stall ausmisten“

Mit dem Untersuchungsausschuss will die Ampel-Opposition das undurchsichtige Geflecht der Strippenzieher an den Schnittstellen zwischen Politik und Wirtschaft etwas durchschaubarer machen – „den Augias-Stall ausmisten“, sagt von Brunn. Einen Katalog von 244 Fragen haben die Parteien aufgestellt.

Auslöser der parlamentarischen Initiative sind die Maskendeals, die die CSU im Frühjahr erschüttert haben. Der Untersuchungsauftrag soll allerdings weit darüber hinausgehen. Es geht um nicht weniger als die „Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens der zuständigen Staatsbehörden des Freistaats Bayern, der zuständigen Ministerien, von Abgeordneten, Staatsbediensteten, und politischen Ent­schei­dungs­trä­ge­r*in­nen bei der Vergabe, Vermittlung und Annahme von Aufträgen und Vertragsabschlüssen“. Und das Ganze über einen Zeitraum von zehn Jahren.

Eine zentrale Figur wird dabei natürlich der Landtagsabgeordnete Alfred Sauter sein, gegen den die Generalstaatsanwaltschaft München derzeit ermittelt – unter anderem wegen des Anfangsverdachts der Bestechlichkeit und Bestechung. Sauter, der Ende der Neunziger mal ein Jahr lang Justizminister in Bayern war, verfügte in den vergangenen Jahren über großen Einfluss in Partei und Regierung, ohne entsprechende Ämter innezuhaben.

Sauter galt als enger Vertrauter des früheren Ministerpräsidenten Horst Seehofer, hatte jedoch auch zu dessen Nachfolger Markus Söder einen guten Draht. Für Unternehmer, die das Gespräch mit den Regierenden suchten, machte er gern den Türöffner. Laut Süddeutscher Zeitung soll Sauter auch für beide Freistaats- und Parteichefs im Münchner Nobelrestaurant Käfer Treffen mit möglichen CSU-Spendern organisiert haben.

1,2 Millionen Euro Provision

Zusammen mit dem inzwischen aus der CSU ausgetretenen Bundestagsabgeordneten Georg Nüßlein soll Sauter, so der Vorwurf, den Ankauf von Schutzmasken durch die Staatsregierung eingefädelt und dabei enorme Provisionszahlungen kassiert haben. Von insgesamt 1,2 Millionen Euro ist die Rede.

Sauter, der die Vorwürfe zurückweist, hat auf Druck seiner Parteifreunde bereits die CSU-Fraktion verlassen, ist allerdings noch immer CSU-Mitglied und will auch sein Landtagsmandat nicht abgeben.

Um eine ganze Menge Geld soll es auch einem anderen Maskendeal gegangen sein, der den Ausschuss beschäftigen wird. So soll Andrea Tandler, Tochter von Strauß-Intimus Gerold Tandler, ebenfalls millionenschwere Provisionen für die Vermittlung von Masken an die Gesundheitsministerien in Bayern, Nordrhein-Westfalen und im Bund bekommen haben. Es soll sich dabei auch noch um völlig überteuerte Masken des Schweizer Unternehmens Emix gehandelt haben – 8,90 Euro pro Maske.

Den Kontakt zu den Gesundheitsministerien wiederum – und hier schließt sich der Kreis historisch ein bisschen – soll Franz Josef Strauß’ Tochter Monika Hohlmeier vermittelt haben. Jedoch gibt es bislang keine Hinweise darauf, dass dafür ebenfalls Geld geflossen ist. Hohlmeier will lediglich zwei SMS geschrieben haben – eine an Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, eine an die damalige bayerische Gesundheitsministerin Melanie Huml.

„Zu schmutzigen Deals gehören immer mindestens zwei“

Dennoch fragt sich SPD-Parteichef von Brunn: „Welche Rolle hat Hohlmeier wirklich gespielt? War das wirklich nur eine SMS? Ich glaube ja, da ist noch die alte Strauß-Connection am Werk.“ Außerdem wundert er sich, „warum diese Frau noch einen solchen Einfluss hat“.

Vor allem aber geht es in der Causa Tandler nach Ansicht des Grünen-Politikers Florian Siekmann darum zu verstehen, „wie Türen in den Ministerien so schnell geöffnet werden konnten“. Der Deal sei auch deshalb so spannend, weil er sehr zu Beginn der Pandemie geschlossen worden sei und dann erstmal zwei Wochen gar keine Beschaffungsverträge für Masken mehr abgeschlossen worden seien. „Da liegt natürlich der Verdacht nahe, dass man alle Energie in ein Geschäft mit der Vermittlung von Frau Tandler gesteckt hat, und die Frage ist, ob man überhaupt weiter aktiv nach Schutzausrüstung gesucht hat.“

Und Helmut Kaltenhauser, finanz- und haushaltspolitischer Sprecher der FDP-Fraktion, fordert: „Das Geflecht rund um die fragwürdigen Maskendeals und andere Beschaffungen muss entwirrt werden. Sauter, Tandler oder Hohlmeier sind nur die Spitze des Eisbergs. In den bisher bekannten Fällen agierte sicher niemand im luftleeren Raum.“

Überhaupt, betont SPD-Kollege Rinderspacher, gelte das Hauptaugenmerk des Ausschusses der Staatsregierung und nicht Figuren wie Sauter, Nüßlein oder Tandler. „Zu schmutzigen Deals gehören immer mindestens zwei.“ Ihn interessiert nun die andere Seite der Deals: die Behörden, die Staatsregierung.

Mit großer Erwartung sieht er deshalb auch dem Tag entgegen, wenn Ministerpräsident Söder vor dem Ausschuss aussagen muss. Der habe die Pandemiebekämpfung schließlich von Beginn an klar zur Chefsache gemacht. „Man muss also davon ausgehen können, dass er über die Vorgänge der Beschaffung von medizinischer Ausrüstung informiert worden ist.“

Sauter droht Anklage durch Landtag

Es dürften zum Teil unangenehme Fragen sein, denen sich die Zeugen werden stellen müssen. Dabei hätte es die Regierung durchaus in der Hand gehabt, den Untersuchungsausschuss zu verhindern, sagen die Oppositionspolitiker. Sie hätten eine Vielzahl von Anfragen zu dem Themenkomplex an die Regierung gestellt. Doch diese seien nur sehr schmallippig und sehr spät beantwortet worden. Von Brunn spricht gar von „Vertuschung“. Auch der Vorschlag eines unabhängigen Sonderermittlers sei abgelehnt worden. So sei letzten Endes nur noch die Option eines Untersuchungsausschusses geblieben.

Für Alfred Sauter könnte der Untersuchungsausschuss indes noch eine weitere Konsequenz haben. Sollte sich in dessen Verlauf ergeben, dass die gegen ihn erhobenen Vorwürfe Bestand haben, streben die Grünen eine Abgeordnetenanklage, also eine Anklageerhebung durch den Landtag, an.

Es handelt sich hierbei um ein in Artikel 61 der bayerischen Verfassung vorgesehenes Mittel, dessen tatsächliche Anwendung ein Novum in der Geschichte des Freistaats darstellen würde. So kann Anklage gegen ein Mitglied des Landtags erhoben werden, das „in gewinnsüchtiger Absicht seinen Einfluss oder sein Wissen in einer das Ansehen der Volksvertretung gröblich gefährdenden Weise missbraucht hat“.

Um eine solche Anklage zu beantragen, bedarf es lediglich eines Drittels der Abgeordneten – diese Hürde könnten Grüne, SPD und FDP alleine nehmen. Die tatsächliche Anklageerhebung geht dann allerdings nur mit einer Zweidrittelmehrheit, das heißt, sie wäre nur mit Unterstützung der Regierungsfraktionen möglich. Am Ende urteilt der bayerische Verfassungsgerichtshof, und Sauter könnte sein Mandat verlieren. Etwas Eile wäre dafür allerdings angesagt. Im Herbst 2023 endet die Legislaturperiode – und damit auch Sauters Mandat.

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