Untersuchungsausschuss in Hannover: Ein Büro für alle Fälle
Sind in der Staatskanzlei von Ministerpräsident Weil SPD-Parteitage vorbereitet worden? Die niedersächsische CDU fährt neue Vorwürfe auf.
Die Sitzungen des Untersuchungsausschusses verloren sich allerdings immer mehr im Dickicht des komplizierten Besoldungsrechtes und der Frage, wer wann welchen Aktenvermerk gezeichnet hatte. Doch jetzt ist der CDU noch einmal ein Paukenschlag gelungen. Irgendwo in den Untiefen der angeforderten Aktenberge aus der Staatskanzlei haben sie einige E-Mails aufgetrieben, die zumindest weitere Fragen aufwerfen.
Der größte und wichtigste Vorwurf betrifft dabei die unzulässige Vermischung von Regierungs- und Parteiarbeit in der Staatskanzlei. Den Eindruck, dass hier nicht immer sauber getrennt wurde, produziert ausgerechnet der vorherige Büroleiter Weils. Das geht aus einem Schriftwechsel hervor, über den die FAZ zuerst exklusiv berichtet hat.
Demnach wurde der ehemalige Büroleiter gebeten, doch einmal eine Aufgabenbeschreibung zu verfassen, wohl in der Absicht, damit die hohe Besoldung der Stelle zu rechtfertigen. Und der Ex-Büroleiter ließ sich nicht lange bitten. Als Büroleiter schreibt er, sei man dafür verantwortlich, dass „der Ministerpräsident zur richtigen Zeit, mit den richtigen Menschen, am richtigen Ort ist und die richtigen Informationen vorliegen hat“.
Dafür müsse man gute Kontakte zu allen möglichen Stellen pflegen: Vom Büro des Bundeskanzlers bis zum Büro des VW-Aufsichtsratsvorsitzenden, zu den Abgeordneten der eigenen Fraktion genauso wie zu denen der Opposition und man sei – und da wird es heikel – Schnittstelle zur Partei. Immerhin ist der Ministerpräsident ja auch Landesvorsitzender der SPD.
Ein schwieriges Feld
Grundsätzlich ist das für alle Parteien ein schwieriges Feld. Theoretisch und juristisch müssen diese beiden Dinge sauber getrennt werden. Rein praktisch gibt es aber natürlich immer Überschneidungen, weil Termine und Inhalte abgestimmt werden müssen, aber auch weil das Personal munter hin- und herwechselt.
Was sich aber mit ziemlicher Sicherheit außerhalb dieser Grauzone bewegt, sind Dinge, die der Ex-Büroleiter dazu sonst noch so schreibt: Er habe an Gremiensitzungen teilgenommen oder den MP dazu begleitet und ihm vor Landesparteitagen oder wichtigen Reden Textbausteine zugeliefert, die der auch regelmäßig benutzt habe.
Dieser Passus gefiel Staatskanzleichef Jörg Mielke offenbar gar nicht: „Den parteipolitischen Teil würde ich sehr bewusst in der weiteren Darstellung nach außen weglassen“, soll er geantwortet haben.
Der Vorgang ist auch deshalb so bemerkenswert, weil Stephan Weil in dieser Hinsicht einschlägig vorbelastet ist, worauf Carina Hermann (CDU) noch einmal genüsslich hinweist. 2012 hatte Weil, damals noch Oberbürgermeister von Hannover zerknirscht zugeben müssen, dass er eine Parteitagsrede von seiner Sekretärin im Rathaus abtippen ließ.
Hermann, Parlamentarische Geschäftsführerin der CDU-Fraktion und Wortführerin im Untersuchungsausschuss, lässt nichts unversucht, um nun wenigstens den Staatskanzleichef in die Bredouille zu bringen. In ihren Augen ist dies nämlich nicht die einzige Stelle, an der die öffentliche Darstellung der Staatskanzlei nicht den Fakten entsprach.
Das gilt zum Beispiel auch für die Behauptung, man habe eine Länderumfrage gemacht und die Besoldungspraxis sei in den meisten Ländern ähnlich. Erst im Nachhinein stellte sich heraus, dass überhaupt nur sieben oder acht Länder befragt wurden.
Oder bei der Behauptung, es seien mindestens zwei weitere Mitarbeiter anderer Häuser in den Genuss der neuen Beförderungsregeln gekommen. Sie hätten die Beförderung aber wohl auch nach den alten Spielregeln bekommen. In den Akten steht außerdem: Die Frage danach, wie viele Personen insgesamt von der Neuregelung profitiert haben, lässt sich gar nicht seriös beantworten. Dazu fehlt der Überblick beziehungsweise man hätte alle Beförderungsfälle einer Vorher-Nachher-Prüfung unterziehen müssen.
Etwas Ähnliches gilt für die vorherige Bezahlung der neuen Büroleiterin. Sie sei ja irrtümlich davon ausgegangen, dass diese schon auf ihrem vorigen Posten in Hamburg nach der Stufe EG 15 bezahlt worden wäre und nicht nach EG 14, beschwert sich die Regierungssprecherin in einer Mail. Das habe sie auch Journalisten gegenüber so gesagt, das müsse man doch jetzt sofort korrigieren. Antwort des Ministerpräsidenten: „Darüber würde ich gern morgen nochmal reden.“
Unnachgiebig und ungerührt
Staatskanzleichef Jörg Mielke zeigt sich aber auch in seiner zweiten Befragung durch den Ausschuss unnachgiebig und ungerührt. „Niemand bereitet den MP auf Parteitage vor, schon gar nicht irgendeine Büroleitung.“ Der Kollege, lässt er durchblicken, habe da wohl überzogen. Und alles andere waren eben auch bloß Irrtümer und Missverständnisse und die habe man ja nun hinlänglich ausgeräumt. Das man unterstelle, hier sei gelogen oder absichtlich die Öffentlichkeit getäuscht worden, verbitte er sich.
Die CDU will sich eine Vereidigung Mielkes offen halten. Außerdem hat sie Beschwerde bei der Staatsanwaltschaft eingelegt, die ein Ermittlungsverfahren wegen Untreue eingestellt hatte. Eigentlich müsse der Staatskanzleichef endlich die Verantwortung übernehmen und zurücktreten, heißt es.
Die Vertreter der Regierungsparteien rollen demonstrativ mit den Augen. „Natürlich wird in der Staatskanzlei keine SPD-Parteiarbeit gemacht, wie auch in der vergangenen Legislatur beim stellvertretenden Ministerpräsidenten Bernd Althusmann (CDU) ganz sicher keine CDU-Parteiarbeit gemacht wurde“, sagt der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD, Wiard Siebels. Das alles beziehe sich doch nun nur auf die E-Mail eines Mitarbeiters, der sich selbst attestiere, was er nun alles gemacht habe.
Und auch aus der Staatskanzlei heißt es: „Der Ministerpräsident hält seine Reden in aller Regel frei. Davon ausgenommen sind etwa Regierungserklärungen, zu denen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch Bausteine liefern. Sowohl die Regierungserklärungen als auch Parteitagsreden schreibt der Ministerpräsident selbst.“
Ob das reicht, um diese neuen Vorwürfe zu entkräften, wird sich zeigen. Am 24. Oktober tagt der Untersuchungsausschuss zum nächsten, dem zehnten Mal.
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