Untersuchungsausschuss Afghanistan: Ein Horst Seehofer macht keine Fehler
Ex-Innenminister Seehofer (CSU) blieb im Afghanistan-Untersuchungsausschuss kritikunfähig. Unklar ist, wie der Ausschuss nach dem Koalitionsbruch weitergeht.
Daraus sei damals „ein Popanz der Arroganz“ gemacht worden, beschwerte sich der frühere Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) am Donnerstag im Untersuchungsausschuss des Bundestages zum deutschen Afghanistan-Einsatz. „Wo kann man heute noch etwas Ironisches sagen“, fragte er rhetorisch. „Es gibt viele Sätze von mir.“ Aber: „Es gibt keinen Anlass, einen davon zu korrigieren oder zu relativieren.“
Auch sonst legte Seehofer, inzwischen 75 Jahre alt und ohne politisches Amt, wenig Bereitschaft zu Selbstreflexion an den Tag, von Selbstkritik ganz zu schweigen. Mit Bezug auf Afghanistan könne er „bis heute sagen, wir haben da keine Fehler gemacht“.
Das betreffe auch die Evakuierung von Ortskräften oder gefährdeten Afghan*innen. Im Gegensatz zu vielen anderen der seit September vorletzten Jahres vor den Ausschuss geladenen Zeugen hielt er es nicht einmal für nötig, eine Eingangserklärung abzugeben. Auch bei Details zeigte er sich wenig erinnerungsfähig. Dies stünde ja in den Akten.
Seehofer verwickelt sich in Widersprüche
Auch in seiner Migrationspolitik von „Humanität und Ordnung“ insgesamt fühlt der frühere CSU-Chef und bayerische Ministerpräsident sich durch den „Konsens“ bestätigt, der sich inzwischen entwickelt habe. Wobei „für Humanität umso mehr Raum“ gegeben sei, „je mehr Ordnung sie gewährleisten“. Ordnung heiße, „nach offensichtlichen Regeln“ zu agieren. Das habe bedeutet, es habe Priorität, „dass wir sicher sein müssen, keine Sicherheitsprobleme zu importieren“, weil „Fehler irreversibel wären“.
Das bezog Seehofer auch auf die Ortskräfte aus Afghanistan. Ohne Regeln könne man sich „ein Sicherheitsproblem aufladen – Stichwort Islamismus“. Man habe vor allem „Größenordnungen“ einreisender Afghan*innen befürchtet wie in den „berühmten Jahren 2015/16“. Insgesamt könne er auch in dieser Frage „in den Spiegel schauen“. Die damalige Bundesregierung habe sich „in vielen Fällen flexibel gezeigt“.
Beim Thema der Abschiebeflüge verwickelte sich Seehofer zunehmend in Widersprüche. Über den „ganzen Sommer“ 2021 sei der Vormarsch der Taliban ja für jeden sichtbar, gewesen „im Gegensatz zu dem, was die Nachrichtendienste sagten“. Zu diesem Zeitpunkt sei „offenkundig“ gewesen: die afghanische Regierung „ist zusammengebrochen“. An anderer Stelle sagte er aus, dass „niemand gedacht habe“, dass die Regierung in Kabul „so schnell“ zusammenbrechen würde.
Im Ausschuss zog er sich auf die Position zurück, dass dafür ein Abkommen mit der Regierung in Kabul bestand und diese Abschiebungen akzeptiert habe. Er erwähnte nicht, dass Kabul mehrmals darum „bat“, diese auszusetzen, und Anfang Juli sogar ein einseitiges Moratorium für alle Abschiebungen aus der EU verkündete. Zu einer Forderung war Kabul nicht in der Lage, weil militärisch und finanziell auch von Deutschland abhängig. Intern hatten deutsche Diplomaten wiederholt mit Mittelkürzungen gedroht, sollte Kabul nicht kooperieren.
Abschiebungen nach Afghanistan „nicht umstritten“
Abschiebungen nach Afghanistan führten Seehofer und die Bundesregierung bis Juli 2021 durch. Eine letzter, für Anfang August geplanter Flug wurde mehrmals neu terminiert, kam aber nicht mehr zustande. Seehofer schrieb noch am 5. August mit fünf europäischen Amtskollegen nach Brüssel, dass die EU auf Kabul Druck ausüben solle, das Abschiebemoratorium wieder aufzuheben. Die Frage, warum er das angesichts der kurz vor dem Kollaps stehenden afghanischen Regierung noch umsetzen wollte, ersparten die Mitglieder des Ausschusses Seehofer leider. Insgesamt, so Seehofer, sei das Thema Abschiebungen nach Afghanistan in der Bundesregierung „nicht umstritten“ gewesen: „Das war, was die Regierung, die damals im Amt war, wollte.“
Seit Wiederaufnahme von Sammelabschiebeflügen im Dezember 2016 schob Deutschland insgesamt 1.104 abgelehnte afghanische Asylbewerber ab. Diesen Oktober führte die Bundesregierung eine erste Abschiebung zu den Taliban durch, mit 28 betroffenen Afghanen, die sie überwiegend als „schwere Straftäter“ bezeichnete.
In der derzeitigen Regierungskrise steht auch die Arbeit des Afghanistan-Ausschusses unter Vorbehalt. Geplant war ein ausführlicher Abschlussbericht bis Ende der regulären Legislaturperiode. Dafür könnte jetzt die Zeit fehlen. Ausschusschef Ralf Stegner (SPD) sagte der taz jedoch, „wir wollen den Auftrag abarbeiten. Näheres besprechen wir nächste Woche.“ Von einem der Mitglieder war zu hören, dass auch diskutiert werde, alternativ einen Kernbericht mit umfassenderen Sondervoten zu verabschieden.
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