piwik no script img

Untersuchung zum "Wetten, dass..?"-UnfallDas ZDF trägt keine Schuld

Ein Gutachten belegt: Für den Unfall von Samuel Koch bei "Wetten, dass..?" trägt das ZDF keine Verantwortung. Glücklich ist man dort trotzdem nicht.

Schockstarre nach dem Unfall von Samuel Koch bei "Wetten, dass..?". Bild: dapd

KÖLN taz | Die interessanteste Frage bei der unabhängigen Untersuchung zum "Wetten, dass..?"-Unfall ist ohne Zweifel die nach dem Warum: Aus welchem Grund ist Samuel Koch am 4. Dezember 2010 beim Versuch, auf Sprungstelzen ein auf ihn zu fahrendes Auto zu überspringen, schwer verunglückt – und wer trägt die Verantwortung dafür?

Die Antwort ist einfach und deutlich: "Die Unfallursache liegt in einem bewegungstechnischen Fehler des Kandidaten", fasst Prof. Dr. Gert-Peter Brüggemann seine biotechnische Analyse des Unfalls zusammen. "Kein technisches Versagen, keine technischen Ursachen des Unfalls, adäquate Risikoeinschätzung" – das ZDF hat also alles richtig gemacht, Samuel Koch hingegen nicht, er ist sozusagen: selber schuld.

Koch ist seit seinem Sturz gelähmt. Ob er jemals geheilt werden kann, ist ungewiss. Betreten sitzen Brüggemannn und ZDF-Programmdirektor Thomas Bellut auf dem Podium im Hörsaal 1 der Deutschen Sporthochschule Köln. Diese Ergebnisse der dort in Auftrag gegebenen Untersuchungen entlasten das ZDF, das ist eine gute Nachricht für Bellut, und doch sieht er da oben ganz und gar nicht glücklich aus. "Es ist sicherlich nicht die Schuld des Kandidaten", sagt Bellut. Ein Versuch, Schicksal oder Zufall als Ursachen herbeizuziehen. "Eigentlich hat alles gestimmt, und es ist trotzdem schief gegangen."

Doch die Untersuchung hat eine andere Antwort gefunden, und es ist deutlich spürbar, dass die alle begriffen haben. Man kann niemanden zur Rechenschaft ziehen, keinem die Schuld geben, es ist eine schreckliche Tragödie, doch letztendlich auch eine menschliche, denn Samuel Koch hat einfach einen Fehler gemacht.

Denn er riss die Arme nach oben, kurz bevor er zum Absprung über den Audi A8 ansetzte, mit dessen Windschutzscheibe er letztendlich kollidierte. Die erhobenen Arme sind der Grund dafür, dass Samuel in Rücklage geriet und sich "in einer anderen geometrischen Situation" befand, als er in den beidbeinigen Absprung hineinging. Seine Sprungstelzen katapultierten ihn flacher als sonst nach vorn, die erforderliche Höhe konnte er gar nicht mehr erreichen. So musste sein Salto schiefgehen, sein Kopf schlug gegen die Windschutzscheibe, er verlor wahrscheinlich sofort das Bewusstsein.

Wenn an der gut gemeinten und durchaus aufklärenden Informationsveranstaltung etwas absurd ist, dann Momente wie dieser: Videosimulationen eines geglückten und des Unfallsprungs laufen parallel ab, ganz langsam, man erinnert sich sofort an den 4. Dezember, erkennt die verhängnisvolle Rückenlage, sieht den Zusammenstoß, während der Professor irgendwie unbeeindruckt erklärt, welche Kräfte beim Aufprall auf den Körper des Kandidaten einwirkten.

Warum Samuel die Arme hob, ist nach wie vor ungeklärt. Vielleicht glaubte er, das Auto sei ihm schon zu nah, mutmaßt der Professor – damit hätte er falsch gelegen. Aber ohnehin konnte Samuel in dem Moment, als er die Arme nach oben riss, nichts mehr am Sprung ändern. Die Sprungfedern haben eine Eigendynamik, zwei Schritte vor dem Absprung kann man sich noch entscheiden, ob man den Sprung nun durchzieht oder nicht, danach ist es zu spät.

ZDF-Programmdirektor Thomas Bellut gibt zerknirscht zu, dass das Risiko bei dieser Wette sehr hoch war, und dass die Redaktion sich von den verschiedenen angebotenen Versionen der Wette die spektakulärste und risikoreichste Variante ausgesucht hat, sei auch richtig, doch die Sicherheitsvorkehrungen seien einwandfrei gewesen, garantieren könne man totale Sicherheit niemals.

Einem Gerücht zufolge soll Thomas Gottschalk unmittelbar nach dem Unfall intern gesagt haben, dass "Wetten, dass..?" auch weiterhin spektakuläre Wetten brauche. "Das sollte man nicht auf die Goldwaage legen", sagt Bellut. Gottschalk habe dies wahrscheinlich noch "unter Schock" von sich gegeben – "ich kann mir solche Wetten in der Sendung nicht mehr vorstellen."

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • Q
    Querulant

    Eine Spießersendung die im Konkurrenzkampf versucht hipp und aufregend zu sein. Die haben einfach nicht richtig über die Konsequenzen bei einem Scheitern nachgedacht bei ihrer Gier nach Spektakulärem für ihre Quote. (Vom Product-Placement mit den Autos gar nicht zu reden...). Klar ist dieser Typ letztlich selber Schuld wenn er da mit macht und so einen Blödsinn durchzieht. Aber die Veranstalter haben auch ihren Anteil daran...

  • BK
    Bernhard Kaiser

    "...doch die Sicherheitsvorkehrungen seien einwandfrei gewesen, garantieren könne man totale Sicherheit niemals..."

     

    Was für Sicherheitsvorkehrungen? Was will man tun, wenn der Sprung schief geht? Bei so einem Stunt gibt es keine Sicherheit, das hat man ja gesehen, da hilft auch ein Helm nicht viel, das Ganze ist einfach viel zu riskant!

     

    Und die wichtigere Frage ist doch, ob man überhaupt so eine Sendung wie "Wetten dass...?" im öffentlich rechtlichen Fernsehen braucht. Produktionskosten pro Sendung ca. 1,5 Millionen €, Honorar von Gottschalk nicht mit eigerechnet!

  • J
    just@nuhb

    Tragisch, durchaus - doch war es nicht abzusehen, dass früher oder später einmal etwas schiefgehen würde?

    Vor einigen Jahren machte sich ein Junge daran, Betonplatten mit seinem Schädel zum Bersten zu bringen - nur ein Beispiel, dass mir lebhaft in Erinnerung geblieben ist. Damals ist - zum Glück - nichts passiert, doch es hätte etwas passieren können.

    Es gibt immer ein Restrisiko und was Herr Gottschalk warum auch immer gesagt haben mag, eines steht fest: "Wetten, dass...?" braucht definitiv risikoreiche, gewagte Wetten - sonst verliert die Sendung ihren Reiz.

    Es ist schlichtweg naiv zu glauben, dass immer alles gut geht.

  • IF
    Ich frage mich ehrlich gesagt...

    Wie hatte das ZDF eigentlich geplant, dass der Kandidat verliert ohne sich zu verletzen?