Untersuchung zu Zeitungsverlagen: Springer von Spitze verdrängt
Alle zwei Jahre erhebt Medienwissenschaftler Horst Röper Zahlen zur Konzentration der Tagespresse in Deutschland. Diesmal steht die SWMH oben.
W ir unterbrechen das laufende Urlaubsprogramm für eine wichtige Durchsage von Horst Röper: Springer ist nicht mehr Deutschlands größter Zeitungsverlag. Über Jahre, ach was, Jahrzehnte, brachte jede Untersuchung stets das gleiche Ergebnis. Auf Position eins stand Springer, dann kamen die anderen und wechselten sich auf den folgenden Plätzen auch mal ab. Doch wegen der Millionenauflage der Bild blieb Springer im Ranking vorn, selbst als sich Springer 2013/14 von seinen Regionalzeitungen trennte.
Röper ermittelt im Rahmen einer Langzeitstudie seit den 1990er Jahren alle zwei Jahre den Konzentrationsgrad der deutschen Presse. Also wie viele Zeitungen zu welchen Verlagen gehören und welchen Anteil die an der Gesamtauflage aller Titel in Deutschland haben. Jetzt war es mal wieder so weit. Und siehe da: Vor 50 Jahren gab der Laden mit dem damals streng konservativ-antikommunistischem Weltbild derart den Ton an, dass längst nicht nur Ultra-Linke Springers Enteignung forderten.
Noch in den 1980er Jahren lag die Bild-Auflage allein bei rund fünf Millionen Exemplaren am Tag. Jetzt sitzt man im Sommerurlaub auf Hiddensee und grinst sich eins. Nach der aktuellen Auflagenstatistik verkauft sich Bild im ersten Quartal 2020 gerade noch 1,2 Millionen Mal am Tag – bei diesen Zahlen ist die kleine Berliner Bild-Schwester B.Z. sogar schon mitgerechnet.
Vielfalt im Lokaljournalismus schwindet
Wer die neue Nummer eins ist? Natürlich die ewige Nummer zwei im deutschen Verlagsgeschäft, die SWMH. Die tut zwar immer so, als wenn es sie in Wirklichkeit gar nicht gibt. Rein rechtlich gehören nämlich die Südwestdeutsche Medienholding (u. a. Süddeutsche, Schwarzwälder Bote, Stuttgarter Zeitung plus weitere Regionalblätter wie die Lausitzer Rundschau), die Medienunion der Gebrüder Schaub (Rheinpfalz u. v. a. m.) und die Südwestpresse aus Ulm nicht zusammen. Rein rechnerisch und verlagsstrategisch aber doch, und mit einem Anteil von 11,5 Prozent an der Gesamtauflage aller Zeitungen in Deutschland haben sie Springer (11,2 Prozent) überholt.
Danach folgen mit deutlichem Abstand die Funke-Gruppe (u. a. Thüringer Allgemeine, Hamburger Abendblatt) mit 7,5 Prozent, das Sammelsurium des Dirk Ippen (u. a. Frankfurter Rundschau, Münchner Merkur) mit 5,8 Prozent und Madsack (u. a. Hannoversche Allgemeine, Leipziger Volkszeitung) mit 5,4 Prozent.
Was Röpers neue Studie auch noch mal feststellt: Die Vielfalt im Lokaljournalismus geht durch Redaktionsschließungen und Kooperationen immer weiter zurück. In Röpers Heimatstadt Dortmund ist es besonders absurd. Dort gibt es zwar noch eine Auswahl zwischen drei Regionalzeitungen, doch alle haben den gleichen Lokalteil. Ich gehe jetzt zum Inselladen, ’ne Bild kaufen. Aus Urlaubstradition – und linker Solidarität.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Eine ganz normale Woche in Deutschland
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin