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Unterstützung für StudierendeBafög-Zahlen weiter auf Talfahrt

Die versprochene Trendwende bei der Unterstützung für Studierende ist ausgeblieben. Dafür werden die Rufe nach einer umfassenden Reform lauter.

Die Trendwende beim Bafög wird seit Anfang der 80er Jahre eingefordert, wie hier in Bonn 1982 Foto: Klaus Rose/picture alliance

Berlin taz | Der Abwärtstrend hält an: Immer weniger Schü­le­r:in­nen und Studierende erhalten Bafög. Wie das Statistische Bundesamt am Donnerstag mitteilte, sank die Zahl der Bafög-Empfänger:innen im vergangenen Jahr um 41.000 auf nun rund 639.000 Personen. Das ist ein Rückgang von 6 Prozent. Gleichzeitig stieg der durchschnittliche Förderbetrag: Bafög-Empfänger:innen erhielten 2020 im Schnitt 556 Euro pro Monat – 53 Euro mehr als noch 2019.

Die Zahl der Bafög-Empfänger:innen schrumpft seit langem: Vor zehn Jahren hatten noch über 900.000 Schü­le­r:in­nen und Studierende Geld für die Ausbildung erhalten. Diese Entwicklung setzt sich also weiter fort, obwohl die Große Koalition für die aktuelle Wahlperiode eine „Trendumkehr“ angekündigt hatte. Die sollte spätestens mit der jüngsten Bafög-Reform eintreten: 2019 waren die Freibeträge für das Einkommen der Eltern sowie für das Vermögen der Studierenden angehoben worden, um mehr jungen Menschen Zugang zur Förderung zu ermöglichen.

Das ist offensichtlich nicht gelungen – dabei wären viele Studierende und Schü­le­r:in­nen auf das Geld angewiesen. Gerade die Coronapandemie hat die finanzielle Not vieler junger Menschen verstärkt. Da hilft es wenig, dass mit der Reform die Beitragssätze und die Wohnpauschale erhöht wurden.

Viele, die eigentlich einen Anspruch auf die Förderung hätten, stellen gar keinen Antrag, erklärt Andreas Keller von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW): „Die Aussicht, nach dem Studium mit einem Schuldenberg ins Erwerbsleben zu starten, schreckt insbesondere Kinder aus nicht­akademischen Familien von einer Hochschulausbildung ab.“ Er dringt auf eine „Rundumerneuerung“ der Ausbildungsförderung.

Karliczek macht zögerlich weitere Vorschläge

Der studentische Dachverband fzs sieht das ähnlich: „Anpassungen reichen nicht, es braucht eine grundlegende Neustrukturierung“, fordert Vorsitzende Carlotta Kühnemann. „An erster Stelle steht für uns, dass die Elternfreibeträge weiter erhöht werden. Außerdem müssen wir zum Vollzuschuss zurückkehren, sodass die Emp­fän­ge­r:in­nen das Geld nicht zurückzahlen müssen.“

Vergleichbare Vorschläge kommen von den Bundestagsfraktionen: Der hochschulpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Kai Gehring, will „einen Neustart mit einer Grundsicherung für Studierende und Auszubildende“, die bedarfsunabhängig ausgezahlt wird. Es soll außerdem an den Bedarf gekoppelte Zuschüsse geben. Beide Zuschüsse müssten nicht zurückgezahlt werden. Auch der bildungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Oliver Kaczmarek, will die Freibeträge erhöhen und weg vom Darlehensmodell – und macht Bildungsministerin Anja Karliczek (CDU) verantwortlich für die schrumpfende Zahl der Empfänger:innen.

Karliczek hatte erst am Montag weitere Anpassungen beim Bafög versprochen. Sie will die Altersgrenze für Studierende verlängern und die Förderung nicht mehr automatisch mit der Regelstudienzeit enden lassen. Das sind gute Ideen, meint Carlotta Kühnemann vom fzs, kritisiert aber: „Das fordern wir seit Jahren. Und die CDU besetzt seit 2013 das Bildungsressort. Diese Vorschläge kommen also viel zu spät.“

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2 Kommentare

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  • Eine umfassende Reform des BAföG-Rechts mag sicherlich sinnvoll sein und sollte eher heute als morgen auf der politischen Agenda stehen.



    Dennoch gehen die im Artikel genannten Forderungen meiner Ansicht nach viel zu weit. Der Rückgang an Beziehern kann auf viele Ursachen zurück zu führen sein - so hat z.B. das duale Studium immer weiter an Bedeutung gewonnen, bei dem die Studierenden oftmals finanziell vom BAföG unabhängig sind.



    Und so lange statistisch betrachtet die weitaus überwiegende Mehrheit der Studierenden aus einem bildungs-bürgerlichem Millieu stammt, deren Familien über ein entsprechend überdurchschnittlichen Einkommen verfügt, wäre eine bedarfsunabhängige Vollförderung für mich eine überflüssige Subvention. Natürlich zahlen die Uniabsolventen später mehr Steuern, aber das tun spezialisierte Handwerker und Selbständige vielfach auch.

    Wichtiger fände ich eine Reform der Rückzahlungsmodalitäten. Nicht alle Studienfächer garantieren später ein überdurchschnittliches Gehalt. Man könnte demnach einen Freibetrag einführen, so dass z.B. bei einem Monatseinkommen von weniger als xxxx Euro die Rückzahlung automatisch gestundet wird. So liegt der aufgebaute Schuldenberg erst einmal neben einem Absolventen und gerade in der Startphase des Berufslebens, kann man sich auf wesentliche Ausgaben konzentrieren, während erst mit steigendem Einkommen die Rückzahlung geleistet werden muss. Dies wäre sozial deutlich verträglicher, als der derzeitige status quo und dürfte den Durchschnitt der Uni- oder FH-Absolventen nicht sonderlich beeinträchtigen.

    • @Cerberus:

      Die Rückzahlungsmodalitäten sind doch beim Bafög bereits ans verfügbare Einkommen gekoppelt. Wenn Sie weniger als den Freibetrag von 1225€ im Monat verdienen, wird die Rückzahlung gestundet.