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Unterstützung für Stiefmütter und -väterHer mit dem Unterhalt!

Gastkommentar von Elsa Koester

Als Stiefmutter trägt unsere Autorin Verantwortung für zwei kleine Menschen – auch finanziell. Doch der Staat behandelt sie, als sei sie kinderlos.

Die Steuer- und Finanzpolitik orientiert sich immer noch am tradionellen Familienmodell Foto: Smartboy10/getty images

W as stimmt nicht mit meinem Kontostand? Da ist ein Minus, wo doch sonst immer ein Plus war? Ist das die Inflation? Denn meinen Lebensstil habe ich kaum geändert: Dieselbe Wohnung, kein Auto, und Restaurants, Bars und Reisen sind doch viel seltener geworden, seit der … richtig: Seit der Kids! Mein Kontostand leidet, seit ich Stiefmutter geworden bin. Wo ich vorher Miete nur für mein WG-Zimmer zahlte, zahle ich jetzt mehr Miete für eine Vierzimmerwohnung, in der mein Partner, ich und zeitweise die zwei Kinder leben. Wo ich vorher nur für meine Fischstäbchen zahlte, zahle ich jetzt Fischstäbchen für zwei kleine Menschen mit. Und der Staat? Gibt mir nichts dafür! Keine Stiefkinder-Freibeträge, keine Steuererleichterungen. Vom Kindergeld sehe ich nichts. Kinderzuschläge zahlt mir mein Arbeitgeber keine. Denn aus sozialstaatlicher Perspektive bin ich ja: kinderlos. Erklären Sie das mal meinem Konto.

Nun lässt sich das alles ja wunderbar erklären: Die Kinder, für die der Staat Unterstützung zahlt, sind ja nicht mehr geworden, es waren zwei, als sie nur zwei Eltern hatten, und es sind immer noch zwei, jetzt, wo sie zwei Eltern plus eine Stiefmutter haben. Die Freibeträge gelten also weiter für beide Eltern, und das Kindergeld geht an dasjenige „echte“ Elternteil, das das Kind gerade mehr betreut, und Kinderzuschläge gibt es bei den Arbeitgebern der Eltern meiner Stiefkinder eh keine. Ich mag zwar Stiefmutter geworden sein und immer mehr Verantwortung für die Kids tragen, aber finanziell bin ich aus der Elternsache raus: Das für die Kindersorge notwendige Geld landet bei den biologischen Eltern, also sollen sie auch zahlen.

Aber haben Sie mal mit einer Familie zusammengelebt? Das geht ja ungefähr so: Fünf Uhr abends, Heimweg, Whatsapp: „wir brauchen noch Fischstäbchen für heute Abend, ich schaff es nicht, hol noch den Kleinen ab“, „ok kauf ich“, „ah und Ketchup“, „ok“, dann die Stieftochter: „hey hab gehört du gehst einkaufen bitte sushipapier und die geilen onigiri und saft“, „ok“, „kaffee ist auch alle“, und guck mal, der Lieblingsjoghurt vom Kleinen, und ach ja, Klopapier und Olivenöl, zack, 40 Euro für einen ungeplanten Feierabendeinkauf. Und dann drei Tage später noch mal und dann noch mal. Machen Sie dann wirklich eine Liste? „1 Onigiri für Stieftochter, Saft“?

Und dann holen Sie sich das Geld von Ihrem Partner fein säuberlich wieder, wenn dieser gerade mit Kopfschmerzen auf dem Sofa liegt, weil sein Konto seit der Trennung ständig ins Minus rollt am Ende des Monats, seit zwei Eltern plötzlich zwei Wohnungen finanzieren müssen und nicht mehr nur eine? Ich bringe das nicht übers Herz. Und ich bin ja auch Stiefmutter! Ich trage die emotionale Verantwortung für die kleinen Menschen, mit denen ich jetzt seit drei Jahren zusammenlebe. Warum sollte ich nicht auch finanziell Verantwortung übernehmen? Ich muss nach einer Trennung ja auch keinen Unterhalt für meine Stiefkids zahlen, heißt es. Ja, warum eigentlich nicht?

Das kleine Sorgerecht ist ein Witz: Wer es hat, darf gerade mal die Kleine von der Kita abholen
Elsa Koester

Elsa Koester ist Redakteurin bei der Wochenzeitung der Freitag und lebt mit zwei Stiefkindern und ihrem Partner in Berlin. Ihr Buch „Stiefmutter sein“ erscheint im Herbst bei Penguin.

Mit Zeit. Anerkennung. Und Geld auf dem Konto

Diese Gesellschaft verändert ihr Familienleben. Die Ampelregierung hat das eigentlich längst verstanden: „Familien sind vielfältig. Sie sind überall dort, wo Menschen Verantwortung füreinander übernehmen, und brauchen Zeit und Anerkennung“, so steht es im Koalitionsvertrag. In Regenbogenfamilien tun sich häufig drei Eltern für ein Kind zusammen: Zwei Väter und eine Mutter, zwei Mütter und ein Vater. Und auch werdende Hetero-Eltern suchen sich manchmal eine dritte Elternperson, um die Familie für die Kinder zu vergrößern. Bundesjustizminister Marco Buschmann von der FDP hat deshalb Pläne: Er möchte das „kleine Sorgerecht“ auf bis zu vier Elternpersonen ausweiten. Vier rechtliche Eltern? Wow!

Leider ist es so: Außer auf dem Koalitionspapier verändert sich überhaupt nichts. Zum einen ist das „kleine Sorgerecht“ ein Witz: Wer es hat, darf gerade mal die Kleine von der Kita abholen (geht auch so) und entscheiden, was der Kleine auf sein Brot bekommt. Zum anderen geht es da um Rechte, nicht um Geld. Finanzielle Unterstützung der multiplen Elternschaft? Da wartet man bei einer Regierung mit FDP-Beteiligung lange. Auch queere Mütter warten noch immer auf ihr Elterngeld und ihre Kinderfreibeträge – auf die Gleichstellung zu Heteromüttern also.

Den Liberalen geht es weniger um soziale Sicherheit als mehr um liberale Freiheit: Alles muss möglich sein im Zusammenleben, aber bitte ohne Verbindlichkeit, und kosten darf es auch nichts. Ihr wollt zu dritt ein Kind? Bitteschön, wir ermöglichen euch alles, wir sind ja liberal! Aber wie ihr das finanziert bekommt, das schaut doch bitte selbst. Und so ist die Frage der Familiengründung, der Trennung und der Familienneugründung als Patchworkfamilie in dieser Gesellschaft leider weiterhin eine soziale Frage. Wer zu wenig Geld hat, kann keine zwei Wohnungen finanzieren und bleibt womöglich als sich hassendes Elternpaar zusammen. Wer zu wenig Geld hat, kann als Stiefelternteil weniger Verantwortung für die Kinder übernehmen, als sie oder er das vielleicht möchte.

Ich übernehme finanzielle Verantwortung für meine Familie, weil ich Stiefmutter geworden bin. Das ist gut so. Ich sollte aber auch Unterstützung für meine stiefmütterliche Fürsorge erhalten – nicht so viel wie die Eltern, die tatsächlich mehr zahlen als ich. Aber auch nicht einfach nichts, wie die kinderlos Lebenden. Stiefkindergeld eben, Stiefkinder-Freibeträge. Und gerne möchte ich dann auch die Pflicht haben, Stiefunterhalt zu zahlen, sollten ihr Vater und ich uns trennen: Schließlich sind sie meine Familie! Bekomme ich dann auch ein Stiefumgangsrecht?

So blicke ich auf meine roten Zahlen und lerne etwas über diese Gesellschaft: Wir sind nur dann wirklich frei in unserem Familienleben, wenn wir dabei unterstützt werden. Mit Zeit. Anerkennung. Und Geld auf dem Konto.

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9 Kommentare

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  • Pardon, warum sollte der Staat die finanziellen Angelegenheiten der Eltern mit deren neuen Partner regeln?



    Die Alimentation ist Pflicht und Aufgabe der Sorgeberechtigten.



    Und ja, holen Sie sich das Geld vom Partner wieder, auch wenn der sich in den "Kopfschmerzen" verkriecht.



    Sie teilen sich auch nicht die Verantwortung mit der Kindsmutter, sondern mit Ihrem Partner, dem Kindsvater. Damit ist auch er der Ansprechpartner für Ihre finanzielle Entlastung, nicht der Staat.

  • "Und gerne möchte ich dann auch die Pflicht haben, Stiefunterhalt zu zahlen, sollten ihr Vater und ich uns trennen"

    Das halte ich für eine mutige Aussage. Natürlich kann ich Sie nur aufgrund eines Kolumnenbeitrags schwer einschätzen. Ein ehrenwertes Vorhaben und Hut ab wenn das tatsächlich so liefe.

    Ich habe da nur so meine Zweifel - mal folgendes Szenario angenommen: sie trennen sich nun leider doch irgendwann vom Vater der Stiefkinder, der Kontakt wird seltener, Sie lernen einen neuen Partner kennen und starten einen neuen Anlauf, da Leben gemeinsam in Angriff zu nehmen. Und da soll es dann selbstverständlich sein, wenn monatlich eine Unterhaltszahlung vom Konto abgeht, zu der keine Verpflichtung besteht? Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass genau dies die erste stelle ist, an der bei Bedarf der Rotstift angesetzt wird.

    Vollständige Übernahme der Elternrechte und -pflichten gibt es übrigens. das nennt sich dann Adoption.

  • Die Moderation: Kommentar entfernt. Bitte halten Sie sich an unsere Nettiquette.

  • Nein, dafür muss nicht der Steuerzshler bluten.



    Es gibt in Ihrem Fall den Papa, der für die Versorgung zuständig ist.

    Wenn die Kinder dauerhaft bei Ihnen leben würden könnte ich Ihre Forderung verstehen.

    So, ist das sehr seltsam. Zeit mit dem Partner ein ernstes Gespräch zu führen.

    • @Frau Flieder:

      Da stimme ich Frau Flieder ganz und gar zu!



      Der Kindsvater erhält die Vergünstigungen, und wenn er nun seine Betreuungsverpflichtung/-willen oder die



      diesbezüglichen Kosten nun auf Sie, als seine neue Partnerin, abwälzt ist dies eine Sache zwischen Ihnen und dem Kindsvater.



      Der Staat hat keine zusätzliche Verpflichtung, nur dadurch, dass sich der Kindsvater herauszieht, er müsste Ihnen die Kosten erstatten, die bei Ihnen auflaufen.



      Zudem scheinen die Kinder ja auch nur zeitweise bei Ihnen zu Besuch zu sein, und leben dort nicht die ganze Zeit.

      Zudem, Stiefmutter ist man nicht automatisch dadurch, dass Kinder zeitweise bei einem zu Besuch sind, Stiefmutter ist man, wenn die leiblichen Eltern/Elternteil gestorben sind.

    • @Frau Flieder:

      So ist es. Der Staat muss nicht jede denkbare Zusammenlebkonstellation

      "Mit Zeit. Anerkennung. Und Geld auf dem Konto."

      beglücken.



      Zeit? Stundenweise frei, je nach Nachweis des Aufwandes?



      Anerkennung? Wie soll das verordnet werden?



      Geld? Für wen? Wenn es Kindergrundsicherung gibt, ist das eh das Geld für das Kind.

  • Der Kapitalismus frißt seine Kinder, auch die, die sich für links halten.



    Es wird aufgerechnet und gezählt und gerechnet und....!



    Und die Paten/Patinnen von Kindern, die großzügig sind? Sollen die jetzt auch Entschädigung bekommen...? Sollen wir alle gleich eine große Familie werden?

  • Wie wäre es mit einem Alltags-Gemeinschaftskonto auf das er mehr einzahlt als sie? Damit wäre schon mal der finanzielle Part durch.

    • @herstory:

      Wäre auch meine erste Idee gewesen.



      Wenn man ohne Kinder zusammenzieht, muss man ja auch schauen, wie das mit dem Geld hinhaut. Wenn beide unterschiedlich verdienen, oder hier unterschiedlich zu den Ausgaben beitragen, hilft so ein Konto ungemein.



      Ändert aber nichts an der Tatsache, dass es keine Steuerfreibeträge gibt (müssen die biologischen Eltern aber auch aufteilen, die Beträge gelten eben pro Kind, nicht pro Elternteil) keine Kindkranktage (Das wäre echt super, wenn auch Großeltern und Onkel und Tanten die nehmen dürften) und keine Erziehungszeiten, die auf die Rente zählen (was biologische Eltern ebenfalls aufteilen müssen, also würde man ebenfalls jemandem wegnehmen müssen, damit Stiefeltern es bekommen)



      Alles in allem geht es wohl eher um ein symbolisches: Du machst das toll!