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Unterschätzter Placebo-EffektPsyche immer mitdenken

Positive Gefühle können körperliche Veränderungen bewirken. Neben medizinische Therapien braucht es deswegen auch mehr sprechende Medizin.

Die sprechende Medizin ist ein wichtiger Faktor in der Behandlung von Menschen Foto: Tommaso D Incalci/imago

V or einigen Wochen bin ich an Covid erkrankt. Zum Glück geboostert, trotzdem heftig. Und natürlich kenne ich alle Schreckgeschichten – Long Covid, Schäden in der Lunge, ein Bündel an Horrorszenarien erschien vor meinem inneren Auge. Ich wusste also: Ich muss gegensteuern. Mehrmals am Tag stellte ich mich vor den Spiegel und sagte: „Mein Körper heilt.“ Und lächelte dabei, obwohl mir nach Heulen war. Ich hörte Gute-Laune-Musik. Obwohl ich nur die Decke über den Kopf ziehen wollte. Ich war müde, schlapp, aber sagte mir: Hey, mir geht’s super! Ich versuchte, anders zu denken, als ich mich fühlte. Vollkommen gegen jede Intuition.

Warum? Weil ich weiß, wie mächtig der Placeboeffekt sein kann. Er kann größere Wirksamkeit haben als so mancher Eingriff oder Medikament. Eindrücklich hat das mal die Studie des US-amerikanischen Chirurgen Bruce Moseley gezeigt: Der Knie-Spezialist wollte wissen, worauf der Erfolg seiner Operationen beruhte.

Er operierte Pro­ban­d*in­nen am Knie – aber nur die Hälfte von ihnen. Bei der anderen Hälfte täuschte er eine OP vor. Sie wurden ganz normal vorbereitet, bekamen eine Beruhigungsspritze, hörten sogar typische OP-Geräusche. Aber: Er ritzte ihnen nur ein bisschen die Haut ein. Sonst nichts. Sie glaubten also nur, operiert zu werden. Das Ergebnis: Die Proband*innen, die nicht operiert wurden, waren nach der Heilungsphase genauso zufrieden mit dem „OP-Ergebnis“ wie die, die tatsächlich operiert wurden. Das heißt: Nur der Glaube daran, dass die Behandlung helfe, trug zur Heilung bei.

Eine unentbehrliche Ergänzung

Der Placeboeffekt lässt sich auf physiologischer Ebene einfach erklären: Wenn ein Mensch positive Erwartungen hat, daran glaubt, dass er heilen kann, hoffnungsfroh ist, dann werden bestimmte Hirnregionen aktiviert, die in einem komplexen System an Nervenverbindungen Denken, Emotionen und Physiologie miteinander verbinden. Wichtig ist dabei der Hypothalamus, eine „Schaltzentrale“ des Gehirns, die gleichzeitig wichtige Körperfunktionen regelt. Das heißt: Positive Gefühle können körperliche Veränderungen bewirken.

Es gibt zahlreiche Studien, die den Placebo­effekt zweifelsfrei belegen. Nur: Die sogenannte sprechende Medizin spielt im Gesundheitssystem kaum eine Rolle. Zuhören, Zeit für di­e*den Pa­ti­en­t*in haben, ein vertrauensvolles Verhältnis zwischen Ärz­t*in und Pa­ti­en­t*in – die sprechende Medizin ist ein wichtiger Faktor in der Behandlung von Menschen. Ist sie ein Ersatz für medizinische Therapien? Auf keinen Fall, niemals. Sie ist aber eine unentbehrliche Ergänzung.

Nur ist sie im Gesundheitssystem praktisch nicht vorgesehen, obwohl die eindeutig ist. Denn sprechende Medizin wird nicht annähernd so gut vergütet wie viele andere Therapien. Es ist schlicht nicht profitabel, sich ausreichend Zeit für Pa­ti­en­t*in­nen zu nehmen. Aber ob Covid oder andere Erkrankungen – die Psyche muss immer mitgedacht werden.

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Gilda Sahebi
Ausgebildet als Ärztin und Politikwissenschaftlerin, dann den Weg in den Journalismus gefunden. Beschäftigt sich mit Rassismus, Antisemitismus, Medizin und Wissenschaft, Naher Osten.
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2 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • Entschuldigung, das ist alter Wein in neuen Schläuchen. Es gibt und gab schon vor Jahrzehnten eine Abrechnungsziffer- Eingehende /ausführliche Erörterung- Mindestdauer 10 Min.. Weiterhin gibt es die fachgebundene Psychotherapie( War mal Nr. 850/851) . Abrechnungsmöglichkeiten gibt es genug, man muß sie nur nutzen. Die Psyche wird und wurde bei Anamnese-Diagnose und Therapie immer mitgedacht. Ohne Empathie ist ärztliches Handeln eigentlich nicht möglich. Mit Homöopathie ( @Benjamin Fohl)hat das wenig zu tun. Voraussetzung für die Mittelfindung in der Homöopathie ist eben eine ausführliche und eingehende Anamnese. Dies garantiert aber auch nicht den Erfolg.

  • Das ist exakt der Grund warum mir Homöopathie eben doch nicht als ganz sinnlos erscheint. Auch wenn ich selbst jetzt nicht der größte Verfechter davon bin. Aber Heilungserfolg, -chancen, -aussicht ohne Nebenwirkungen ist doch toll! Mir persönlich ist es darum auch sehr egal ob es wissenschaftlich anerkannt ist oder nicht. Der Artikel hier zeigt ja was möglich ist.