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Unternehmer über „Tofu-Wiener“„Das Gegenteil von fancy“

Die Lebensmittelbuch-Kommission reformiert die Bezeichnungen von Veggie-Fleisch – Valentin Jäger von „Taifun-Tofu“ will das nicht mitmachen.

Impossible oder doch noch möglich: vegetarische Burger Foto: ap
Interview von Hanna Gersmann

taz: Herr Jäger, Sie gehören zu den größten Herstellern von Biotofu in Europa. Geht es nach dem Willen von Julia Klöckner, müssen Sie sich vom „Tofu-Wiener“ verabschieden.

Valentin Jäger: Zumindest sollen wir konkrete Wurstnamen wie Wiener, Lyoner, Leberwurst nicht mehr verwenden. Stattdessen sollen Produzenten Bezeichnungen auf die Etiketten drucken wie „vegane Soja-Wurst nach Wiener Art“ oder „vegetarische Soja-Streichwurst mit Leberwurstgeschmack“. Das werden wir nicht machen. Da lassen wir es auf einen Rechtsstreit ankommen.

Was spricht dagegen?

Unsere Kunden sind seit gut zwanzig Jahren an den Namen Tofu-Wiener gewöhnt.

Aus Raider ist auch mal Twix geworden.

Im Interview: Valentin Jäger​

Valentin Jäger leitet das Qualitätsmanagement beim Freiburger Unternehmen Taifun-Tofu. Die Idee, aus Sojabohnen vegetarische Lebensmittel zu machen, brachte Jägers Chef 1985 aus den USA mit. Heute hat das Unternehmen 250 Mitarbeiter, stellt 100 Tonnen Tofu in der Woche her. Jahresumsatz: 36,5 Millionen Euro.

Die Werbeleute fanden für den Schokoriegel Twix halt fancy. Der Süßwarenkonzern Mars hat den Namen nicht geändert, weil ihnen irgendjemand vorgegeben hat, dass Raider nicht mehr Raider heißen darf. Das ist hier ganz anders.

Die Deutsche Lebensmittelbuch-Kommission, die der Agrarministerin untersteht, hat in neuen Leitsätzen festgelegt, wann eine Wurst Wurst heißen darf. Die Verbraucher hätten „ein Recht auf Klarheit und Wahrheit“, findet Klöckner.

Die Namen, die erlaubt sein sollen, sind das Gegenteil von fancy, sie sind so sperrig, dass sie kaum auf ein Etikett passen. Und vor allem: Das versteht auch keiner. Diese Leitsätze sind superkompliziert, im besten Beamtendeutsch. Uns soll das Leben so schwer gemacht werden wie möglich.

Das sind acht Seiten, da steht nichts Vernünftiges drin?

Doch, erstmals wird geklärt, welche Lebensmittel als „vegetarisch“ oder „vegan“ bezeichnet werden dürfen. Der Essig, der mit Gelatine geklärt wurde, darf zum Beispiel nicht in ein veganes Produkt. Gelatine wird vor allem aus Knochen etwa vom Schwein hergestellt.

Klöckners Amtsvorgänger Christian Schmidt wollte Begriffe wie „vegetarisches Schnitzel“ verbieten lassen …

Er ließ sich dafür extra in der Bild-Zeitung mit einem Stück Schweinsbraten abbilden …

…aber „Schnitzel“, „Steak“ oder „Filet“ dürfen Sie nun weiter auf Ihre Produkte drucken.

Aber nur in Ausnahmen, wenn zu dem Lebensmittel tierischen Ursprungs, „weitgehende sensorische Ähnlichkeit“ besteht, gemessen an „Aussehen, Textur und Mundgefühl“. Nur ist das Ansichts- und Geschmackssache.

Braucht man denn wirklich Fleischnamen für Fleisch ohne Tier?

Wer ganz klassisch Spätzle mit Linsen und Wiener-Einlage machen, aber nicht so viel Fleisch essen will, nimmt vielleicht den Tofu-Wiener. Die Veggie-Alternativen verkaufen sich immer besser. Nur weil die Wurst früher mal aus Fleisch war, muss sie das doch nicht für immer bleiben. Das passt der Fleischlobby jedoch nicht. Es waren der Deutsche Bauernverband und der Deutsche Fleischerverband, die 2016 die neuen Leitsätze beantragt haben.

Aber in dem Gremium, das die Leitsätze entwickelt hat, saßen neben Vertretern der herkömmlichen Lebensmittelwirtschaft auch die Rügenwalder Mühle, die Fleisch- und Pflanzen-Wurst verkauft.

Sie haben aber die vielen, auch kleineren Hersteller, die schon ganz lange nur Fleisch­alternativen aus Tofu, Seitan, Tempeh produzieren, ignoriert. Dann haben sie in deutschen Supermärkten das Angebot checken lassen und erklärt, es gäbe ein Wirrwarr, der Verbraucher steige nicht durch. Dabei hat sich bei uns noch nie ein Kunde beschwert, weil er sich vom fleischlosen Tofu-Wiener getäuscht fühlte. Die Produkte der Traditionsunternehmen sind längst eine Marke.

Wie geht es weiter?

Es ist für Fleischhersteller kein Problem, Schnitzel aus Formfleisch zu verkaufen, bayerischen Leberkäse, der keine Leber enthält, auch nicht aus Bayern kommen muss, oder Krabbenfleischimitat aus Surimi, zermahlenem Fisch. Aber die Gefahr ist groß, dass die Lebensmittelaufsicht jetzt Produkte wie den Tofu-Wiener von uns oder das Rostbräterle und das japanische Bratfilet bemängelt oder gar aus dem Verkehr zieht. Sie orientiert sich an den Leitsätzen.

Ist Ihr Geschäft in Gefahr?

Das gesamte Unternehmen sicher nicht. Aber neue Namen suchen, alte Etiketten entsorgen, neue drucken lassen, die Werbung dafür – das macht alles Arbeit und kostet Geld. Wir hoffen, Mitstreiter zu finden, die das auch nicht mitmachen, sodass die Leitsätze in der Praxis keine Akzeptanz finden und nicht wirksam werden.

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16 Kommentare

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  • An sich bin ich auf der Seite von Herrn Jäger. Vielleicht sollte er es auch auf die Spitze treiben und seine Produkte in Zukunft gleich um seinen, in diesem Zusammenhang, sehr passenden Nachnamen ergänzen. „Frische Tofu-Wiener vom Jäger“ wären doch nicht verkehrt.

    Allerdings: ein Medium das politisch so korrekt ist das es Frauen nun teilweise als Personen mit Uterus bezeichnet sollte sich nicht mit einem Anliegen gemein machen, welches auf pragmatische, verständliche Sprache zu Lasten ihrer Genauigkeit verzichten will.

  • Die Verbraucher hätten „ein Recht auf Klarheit und Wahrheit“, findet Klöckner. Dann sollte sich Frau Klöckner mal daran halten! Wie war das 2017 mit "Was den Bienen schadet, muss vom Markt"? Glyphosat ist immer noch nicht vom Acker und dafür 18 neue Gifte zugelassen! Aber sich dann mit solchen Haarspaltereien befassen! Lesen kann der "mündige" Bürger noch. Wo vegan drauf steht, ist kein Tier drin!

  • Bei der Wurst darf doch schon sprichwörtlich alles drin sein, warum dann gerade Tofu o.ä. ein Problem sein soll, ist nicht erkennbar.

  • Das Imitat-Geesse nimmt überhand. Ich glaube, Leute, die Fleischimitat konsumieren sind sowieso an der falschen Adresse. Wenn vegetarisch, dann aber richtig. Genauso sollten echte Veganer keine Plastikschlappen tragen - die sind aus jahrtausendealten Tieren hergestellt.

    • @Rhododendron:

      Diese Argumentation ist mir und ich bin Fleischesser schon häufiger begegnet und um ehrlich zu sein: Ich kann sie nicht nachvollziehen. Wenn jemand kein Fleisch isst, weil er es nicht mag dann ergibt es Sinn auch auf Produkte zu verzichten, welche diesen Geschmack nachahmen. Wenn jemand aber aus Überzeugung auf Fleisch verzichtet, es an sich aber mag dann ist der Konsum von Ersatzprodukten durchaus schlüssig.

      Ihr puristische "wenn nicht richtig, dann überhaupt nicht!" Argumentation erinnert an Exkommunikation und die geschieht aus einem geschlossenen Weltbild heraus. Stellt sich natürlich die Frage was für ein Weltbild das ist, in welchem die Verneinung des Fleischkonsums als so kätzerisch wahrgenommen wird.

    • @Rhododendron:

      Das ist mal wieder die typische Antwort von jemanden, der noch nicht begriffen hat, dass es Vegetarier und Veganer gibt, die aus rein ethischen Gründen auf Fleischprodukte verzichten. Diese Art Vegetarier und Veganer kann völlig widerspruchsfrei ihren Speiseplan mit Fleischersatzprodukten bereichern.

  • Ich kauf keine Waren der Wurstbude wo auch Werbung in der Glotze macht. Unterscheiden kann mensch deren Kram aber nicht zwingend, wenn die Lesebrille noch auf dem Küchentisch liegt.

    Falls mich irgendwann mein ökologischer Fußabdruck ethisch überrennt und ich vegan leben sollte; ich würde da konsequenterweise soviel wie möglich selber herstellen, was vorverarbeitetes Futter angeht.



    Ist auch preiswerter...

  • Es lebe die Fleischlobby!

    Daß gerade diese nach Fleichgerichten benannten Veganprodukte auch eine Brücke für Leute wie z.B. mich sind, die quasi per Erziehung programmiert, geschmacklich gerne die bekannten Fleischprodukte mögen, aber eben doch sich vernünftiger ernähren wollen - interessiert natürlich keinen.

    Lieber pushen wir die verwursteten Eingeweide aus dem Manchiner Tierknast und ähnlichen Quälanstalten.

    Hauptsache jeden Tag Pressschnitzel und 220 auf der Autobahn ... ist wohl das, was heute so fesch "Livestyle" genannt wird.

    • @Nachtvogel:

      Sehr gut!!!

  • 9G
    90118 (Profil gelöscht)

    fleisch essen, auto fahren und besitzen, fliegen - immer mit freundlicher unterstützung durch die politik.



    ein irgendwann in den 50er jahren geprägtes denken, das unüberwindbar scheint.

  • Wiener, bäh. Grillknacker! Wer braucht da das Wort "Wurst"?

  • Auf jeden Fall wäre es schade um die Erbswurst.

    • @LeSti:

      Leider wird die Erbswurst seit ein paar Monaten nicht mehr hergestellt, die ist also eh raus.

  • 9G
    93559 (Profil gelöscht)

    Diese Tante soll mal ihre Arbeit machen und dafür sorgen, dass Tiere nicht mehr derartig maltraitiert werden, wie das geschieht in der Massentierhaltung. Stattdessen ist ihr vorrangiges Ziel, es veganen Alternativen so schwer wie möglich zu machen, während sie sonst die Agrarindustrie von störenden Auflagen, die dem Wohle von Tieren , Umwelt und Konsumenten dienen, freihält. Die ist eine skrupellose Lobbyistin, nicht anders als Schmidt, Aigner und wie die Typen und Innen vorher alle hießen. Ein widerliches Spiel.

    • @93559 (Profil gelöscht):

      Treffender hätte man dies nicht formulieren können. Das Problem ist, dass das Landwirtschaftsministerium, welches auch für Tierschutz zuständig ist, immer der CDU überlassen wird. Es wäre allerhöchste Zeit für eine Regierung ohne diese Partei, am besten dauerhaft.

    • @93559 (Profil gelöscht):

      So ist es!