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Unterbringung von Ukraine-GeflüchtetenPrivatsphäre nach der Flucht

In Hamburg wird das stillgelegte Hotel am Alten Wall zur Erstaufnahme-Einrichtung. Betreiberin der Unterkunft ist eine Catering-Firma.

Etagenbetten dazugestellt: So sehen die Zimmer aus Foto: Niklas Berger

Hamburg taz | Im ehemaligen Hotel am Alten Wall sollen jetzt bis zu 850 Geflüchtete aus der Ukraine unterkommen. Die Stadt hat den Betrieb des 2021 stillgelegten Gebäudes an die Cateringfirma „Rolling Taste“ vergeben. Die bereitet das Haus seit zwei Wochen vor und hat alle Hände voll zu tun.

Im Eingang zur Lobby steht ein Staubsauger, Menschen sitzen an Konferenztischen und arbeiten, es herrscht ein reges Treiben. Die helle Rezeption wurde wie so vieles in diesem ehemaligen Hotel neu ausgestattet. Vom ehemaligen Betrieb blieb nur noch die Steuerung der Parkgaragen-Schranken. Computer und Rezeptionssoftware, um einen Überblick über die Belegung der 220 Zimmer zu behalten, wenn sie sich in den nächsten Tagen füllen, mussten erst neu angeschafft werden.

Das Areal des ehemaligen „Sofitel“ am Alten Wall soll eigentlich zum Teil abgerissen und neu bebaut werden. In dem Komplex sind dann ein neues Hotel, Büroflächen und Gastronomie geplant. Vorerst stand das Haus jedoch leer, mitten in der Stadt, keine fünf Minuten vom Rathaus entfernt. Einiges Mobiliar war noch vorhanden, vieles aber auch defekt, verschmutzt oder verkauft.

Dieses große Haus in zwei Wochen zu einer Erstaufnahmeunterkunft umzugestalten, war ein Kraftakt im Eiltempo, den das rund 20-köpfige Team hinter „Rolling Taste“ meistern musste. Ganz unerfahren ist die Cateringfirma nicht in der Arbeit für und mit Geflüchteten. Schon 2015 kochte sie im Auftrag der Stadt in Aufnahmeeinrichtungen. Einige Geflüchtete sind zu Mitarbeitenden geworden, der Erfahrungsschatz im Team ist groß.

Als die Stadt nun für Catering und den Betrieb der angemieteten Unterkunft anklopfte, mussten die Verantwortlichen von „Rolling Taste“ nicht lange überlegen. Viele Mitarbeitende haben Erfahrung in der Branche, lernten selbst in der Hotelgastronomie ihr Handwerk. Neben der Vorbereitung der Großküche mussten Betten bezogen, Wasserhähne repariert, Spenden angenommen, ein Wäscheraum eingerichtet und Security-Personal organisiert werden.

Zelte, Decken und Spielzeug stehen für die Kinder bereit Foto: Niklas Berger

Mit Hilfe der Freiwilligen Feuerwehr wurden dutzende Stockbetten von umliegenden Möbelhäusern gekauft und in den Zimmern aufgebaut, um die Kapazität im Haus zu verdoppeln. Die meisten Zimmer haben vier Schlafplätze, einige zwei, die ehemaligen Suiten acht. Jedes Zimmer hat ein eigenes Bad, einen Tisch, Stühle und eine abschließbare Tür. All das hebt die Unterkunft von notdürftig hergerichteten Turnhallen oder dem Bettenlager in den Messehallen ab.

Elke Nüstedt behält den Überblick über die Lage. „Als wir vor zwei Wochen hier angekommen sind, hat man sich so manches Mal gefühlt wie in einem Lost Place“, schildert sie ihre ersten Eindrücke vom Hotel. Eigentlich ist sie Küchenchefin, jetzt managt sie eine der größten Unterkünfte für Geflüchtete in Hamburg. Zum Glück habe man schon einige Mitarbeitende, die entweder ukrainisch oder russisch sprechen, erzählt Nüstedt. Sogar Geflüchtete, die vor ein oder zwei Wochen in Hamburg angekommen seien, würden sich jetzt bewerben, um zu helfen. Dass sich bereits über 100 Menschen für ehrenamtliche Mitarbeit beworben haben, freut sie sehr.

Vor allem für Familien und alleinerziehende Eltern ist die Unterkunft ausgelegt, wer am Ende aber einziehen darf, entscheidet die zentrale Vergabestelle der Stadt. „Wir erwarten eine Belegung mit etwa 50/50 Erwachsenen und Kindern“, erklärt Nüstedt. Dementsprechend habe man bei einem Spendenaufruf auch um Spielzeug, Kinderwagen und Brettspiele gebeten. In einem ehemaligen Konferenzraum des Hotels hat das Team eine Spielwiese eingerichtet, weil so viele Bobbycars abgegeben wurden, dahinter auch noch eine Rennstrecke. Im Raum davor reihen sich dutzende Brettspiele aneinander.

Dass im Hotel einige ehemalige Konferenzräume zur Verfügung stehen, die weitestgehend in Aufenthaltsräume umfunktioniert wurden, ermöglicht Raum für soziale Begegnungen. Auch für medizinische Versorgung stehen Zimmer bereit. Ob die Stadt allerdings eine erste Anlaufstelle für gesundheitliche Probleme in der Unterkunft einrichten wird, ist noch offen.

Die letzte Bettwäsche wird verteilt und die Räume final überprüft, bevor die ersten Menschen hier einziehen. Für ein Jahr ist das Gebäude gemietet. Wie lange es wirklich gebraucht wird, kann heute noch niemand sagen.

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3 Kommentare

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  • Mehr als genug: Wenn Flüchtende die uns geläufige Verschwendung sehen, kommen Ihnen vielleicht auch Gedanken zu weltweiten Zusammenhängen von Märkten und Lieferketten, Ausbeutung und Hunger. Achtsamkeit statt Achtlosigkeit, Wertschätzung statt Abwertung, unser Umgang mit Ressourcen zeigt auch eine Überheblichkeit. Die Kultur des Teilens ist das Herzstück humanitärer Hilfe, weltweit.



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  • Wir haben eine Notlage und wollen solidarisch sein. Meine Forderung: Alle Urlauber-Ferienwohnungen für Kriegsflüchtlinge frei machen. Sollen die Urlauber doch einmal zu Hause bleiben als Zeichen der Solidarität gegenüber den Menschen und Familien, die unsere Freiheit verteidigen. Die Vermieter werden so entschädigt, dass sie ein Auskommen behalten, wie es schon zu Pandemiezeiten praktiziert wurde. Ich schätze, dass wir so bis zu drei Millionen Menschen aufnehmen können. Wir sollten alles tun, auch wenn Kubicki um seine Freiheit kammert. Die Freiheit der Menschen Europas ist wichtiger, als mit Urlaubern Heschäfte zu machen. Sprit sparen und zuhause bleiben.

  • "keine fünf Minuten vom Rathaus entfernt" und "umliegende Möbelhäuser" passt nicht so richtig. Ansonsten eine schöne Sache.