Unterbringung Wohnungsloser: Lageso oder LAF?
Berlin will die Unterbringung von Flüchtlingen und Wohnungslosen zentralisieren. Die Zuständigkeit könnte vom neuen LAF zum alten Lageso zurückkehren.
Kommt das Comeback des Lageso? Vor fünf Jahren erlangte das „Landesamt für Gesundheit und Soziales“ bundesweit traurige Berühmtheit, als es sich unfähig zeigte, die steigende Zahl von Flüchtlingen zeitnah und angemessen unterzubringen. Vor vier Jahren wurden dem Amt und seinem Präsidenten Franz Allert vom alten rot-schwarzen Senat die Zuständigkeit für diesen Bereich entzogen und ein eigenes „Landesamt für Flüchtlingsunterbringung“ (LAF) gegründet.
Nun steht die Frage im Raum, das Lageso erneut für die Unterbringung zuständig zu machen. Das LAF würde damit einen erklecklichen Teil seiner gut 500 MitarbeiterInnen verlieren. In der Frage sei aber noch keine Entscheidung getroffen, betonte Sozialsenatorin Elke Breitenbach am Mittwoch bei einem Pressegespräch. Sie wolle dazu bis Anfang kommenden Jahres einen Vorschlag an Senat und Abgeordnetenhaus machen.
Die Linkspartei-Politikerin widersprach damit einem Bericht der Berliner Morgenpost, die vor einigen Tagen über eine angebliche „Zerschlagung“ des LAF als feststehende Tatsache berichtet hatte. Der Bericht hatte innerhalb des LAF offenbar für viel Unmut gesorgt.
Hintergrund der Umstrukturierung ist ein zentrales Projekt des Senats, das die Situation von Wohnungslosen in Berlin elementar verbessern soll. Geschehen soll dies durch die so genannte „Gesamtstädtische Steuerung der Unterbringung“ (GStU), die den Zuständigkeitswirrwarr bei der Unterbringung beenden und für eine gleichbleibend gute Qualität der Unterkünfte sorgen soll.
Große Qualitätsunterschiede
Bislang sind nach dem Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetz (ASOG) die Bezirke zuständig für die Unterbringung von Wohnungslosen, während sich das Land – also derzeit das LAF – um die Unterbringung von AsylbewerberInnen kümmert. Theoretisch muss damit jeder Flüchtling, der sein Asylverfahren beendet hat, aus seinem „LAF-Heim“ ausziehen und vom Bezirk mit Wohnraum versorgt werden, also entweder eine Wohnung oder einen Platz in einer bezirklichen Einrichtung zugewiesen bekommen.
Weil es aber weder genug Wohnungen noch genügend Heimplätze gibt, bleiben die so genannten „Statuswechsler“ in den Flüchtlingsheimen. Aktuell sind laut Breitenbach mehr als 50 Prozent der BewohnerInnen in LAF-Heimen solche, deren Unterbringung eigentlich in die Verantwortung der Bezirke fällt.
Hinzu kommt: Die Qualität der Plätze, vor allem in den Bezirken, ist sehr unterschiedlich; teilweise kooperieren die Bezirke auch mit InhaberInnen so genannter „Läusepensionen“, wo sie für viel Geld miserable Zimmer ohne jegliche Sozialbetreuung anmieten.
Die GStU soll damit Schluss machen: Alle Unterkünfte werden Bett für Bett in einer neuen Software erfasst, so dass Bezirke und Land jederzeit einen Überblick haben, wo aktuell etwas frei ist. Zudem soll das Programm Besonderheiten wie Barrierefreiheit oder die Eignung für Kinder/Familien berücksichtigen. Und: Für alle Heime sollen einheitliche Qualitätsstandards gelten, deren Einhaltung kontrolliert wird. Laut Staatssekretär Alexander Fischer hat das IT-Programm „erste Tests“ bestanden, ab Juni sollte es mit einer kleinen Zahl von Unterkünften im Echtbetrieb getestet werden. Dies verzögere sich jedoch wegen der Corona-Pandemie um einige Monate, ergänzte eine Mitarbeiterin.
„Deutlich konsolidiert“
Zur Frage, wer am Ende für die Betreuung der Software, die stadtweite Suche nach Unterkünften, die Verträge mit den Betreibern und die Qualitätssicherung zuständig sein soll, ist offenbar ein Wettbewerb unter den Behörden ausgebrochen. Die fraglichen Stellen sollten – „eigentlich intern“ – ihre Entwürfe vorstellen, erklärte Breitenbach mit hörbarem Bedauern darüber, dass im Zuge dessen offenbar Papiere an die Mopo durchgestochen wurden.
Fischer ließ am Mittwoch eine leichte Präferenz für das Lageso erkennen. Er sehe dort „verwaltungsmäßig sehr gute Möglichkeiten“, das Amt habe sich „deutlich konsolidiert bei den Verwaltungsprozessen und die Atempause genutzt, die es durch die Herausnahme der Flüchtlingsunterbringung“ gewonnen habe. Zudem betonte er, dass das LAF nur für einen kleineren Teil der Wohnungslosen zuständig sei: Aktuell betreue es rund 10.000 AsylbewerberInnen, wohingegen rund 38.000 Menschen per ASOG untergebracht seien.
Breitenbach stellte dagegen klar: „Ich sag nicht, das soll ins Lageso. Ich will die Diskussion.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Bankkarten für Geflüchtete
Bezahlkarte – rassistisch oder smart?
Nordkoreas Soldaten in Russland
Kim Jong Un liefert Kanonenfutter
Magdeburg nach dem Anschlag
Atempause und stilles Gedenken
Anschlag in Magdeburg
Der Täter hat sein Ziel erreicht: Angst verbreiten