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Unsicherheit bei der WärmewendeHeizsaison startet, Preise ziehen an

Die Energiekosten steigen. Deshalb ermahnt der BUND Wirtschaftsministerin Reiche zur Novelle des Heizungsgesetzes. Warten sei „Gift für die Wärmewende“.

Das Heizen geht wieder los, für Kun­d*in­nen dürfte es wieder deutlich teurer werden Foto: Michael Bihlmayer/imago

Berlin taz | So trügerisch können Statistiken sein: Die Preise für Gas und Strom für private Haushalte in Deutschland seien im ersten Halbjahr gesunken, meldete das Statistische Bundesamt am Dienstag. Danach verbilligte sich Gas für Ver­brau­che­r*in­nen im Vergleich zur zweiten Jahreshälfte 2024 um 1,2 Prozent auf durchschnittlich 12,13 Cent je Kilowattstunde. Für Strom zahlten Pri­vat­kun­d*in­nen im Schnitt mit 39,92 Cent je Kilowattstunde sogar 3,1 Prozent weniger.

Ein Blick auf alte Energierechnungen zeigt, dass das nur eine Momentaufnahme ist: Insgesamt liegen die Preise für Privathaushalte weiter deutlich über dem Niveau vor der Energiekrise, die durch den Ukrai­nekrieg ausgelöst wurde. Im Vergleich zum zweiten Halbjahr 2021, dem Zeitraum vor dem russischen Angriff auf die Ukraine, kostete Gas für Haushalte über drei Viertel (77,6 Prozent) mehr. Beim Strom lagen die Preise verglichen mit dem Niveau vor dem Ukrainekrieg immer noch gut ein Fünftel (21,4 Prozent) höher.

Deshalb schlug der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) pünktlich zum Start der Heizperiode am 1. Oktober Alarm: Nicht nur, dass viele Ver­brau­che­r*in­nen angesichts hoher Heizkosten besorgt seien, heißt es in einer Mitteilung vom Dienstag. Zudem erhöhe Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) mit der Ankündigung, das sogenannte Heizungsgesetz abzuschaffen, die Verunsicherung.

Denn: In Deutschland sind fast ein Drittel der Heizungen 20 Jahre und älter. Diese meist mit Gas und Öl betriebenen Heizungen sollen laut dem im Koalitionsvertrag zum Abschuss freigegebenen Gebäudeenergiegesetz (GEG) ersetzt werden. Bislang sieht das GEG vor, dass neue Heizungen mit einem Anteil von mindestens 65 Prozent erneuerbarer Energie betrieben werden müssen. Als einen „Zwang zur Heizungspumpe“ hatte das Reiche kritisiert. CSU-Chef Markus Söder plädierte für eine geringere Förderung.

Unklarheit über Gebäudeenergiegesetz

Was Reiche genau vorhat und wann sie ihre Pläne vorlegt, ist unklar. Laut einem am Montag vorgelegten Gutachten des Wärmepumpenverbandes würde eine simple Rücknahme der Heizungsregeln wahrscheinlich vor Gericht kassiert. Das aktuelle GEG setze nämlich nur „verbindliches Europa- und Verfassungsrecht um“.

Ohne klare Aussagen zur künftigen Förderung wüssten Woh­nungs­be­sit­ze­r*in­nen aber nicht, wie es weitergeht, mahnte der BUND. Warten sei „Gift für die Wärmewende vor Ort und bremst Handwerk und Haus­ei­gen­tü­me­r*in­nen aus“, betont der Umweltverband. „Damit eine warme Wohnung nicht zum Luxus wird, braucht es klare gesetzliche Rahmenbedingungen und eine verlässliche sozial gestaltete Förderung“, sagte BUND-Expertin Tina Löffelsend. Klar sei: „Gasheizungen sind fossile Auslaufmodelle und werden zunehmend zur Kostenfalle für Verbraucher*innen.“

Zwischen Januar und Juni 2025 wurden in Deutschland laut Branchenangaben 139.500 Wärmepumpen installiert, 55 Prozent mehr als im gleichen Vorjahreszeitraum. Das sind erstmals mehr als die Zahl neu verkaufter Gasheizungen (132.500 Geräte). „Doch“, mäkelt der BUND, „statt diesen Trend zu unterstützen, schafft die Bundesregierung bislang nur Verunsicherung“.

Diese dürfte zulegen: Laut der gemeinnützigen Beratungsgesellschaft CO2online müssen Haushalte in Deutschland 2025 deutlich mehr für eine warme Wohnung bezahlen. Die jährlichen Heizkosten für eine gasbeheizte 70-Quadratmeter-Wohnung in einem Mehrfamilienhaus würden im Schnitt um 15 Prozent auf etwa 1.180 Euro steigen, prognostiziert CO2online.

Kaum spürbare Entlastungen

Bei Fernwärme prognostizieren die Experten einen Anstieg von 2 Prozent auf 1.245 Euro, bei Heizöl um 3 Prozent auf 1.055 Euro. Teurer werde auch das Heizen mit Holzpellets (plus 20 Prozent auf 740 Euro) und Wärmepumpen (plus 5 Prozent auf 715 Euro). Hauptursachen für die Steigerungen: die Energiepreise und der kalte Winter.

Immerhin hat die Bundesregierung kürzlich Entlastungen bei den Netzentgelten vorangebracht – allerdings kaum spürbar. Für einen Drei-Personen-Haushalt rechnen Fachleute mit einer Ersparnis von 64 Euro. Bei Gas werden Verbraucher ab 2026 von der Gasspeicher­umlage befreit. Das könnte ähnlich hohe Kosten einsparen. Bei der Stromsteuer sollen Industrie, Land- und Forstwirtschaft entlastet werden, nicht jedoch die Verbraucher*innen.

Geringere Energiepreise sind auch Teil der Beratungen bei der Kabinettsklausur der schwarz-roten Bundesregierung in Berlin, die noch bis zu diesem Mittwoch dauert. Dabei geht es allerdings auch wahrscheinlich nur um Kosten für Unternehmen.

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