
Unser Fenster nach Belarus : Der Protest ist nicht tot – er hat nur seine Form verändert
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Im August jähren sich die Proteste in Belarus zum 5. Mal. Drei Exil-Journalist:innen erzählen, wie heute in Belarus, Russland und Aserbaidschan protestiert wird.
Im Sommer 2020 wurde Belarus international wegen der Anti-Lukaschenko-Proteste bekannt. Anlass war insbesondere die Präsidentschaftswahl, die am 9. August 2020 endete und international weitgehend als Scheinwahl gilt. Die Massenproteste in Belarus hatten jedoch schon vor der Wahl begonnen. Nach der Wahl wurde die polizeiliche Repression stärker, und es kam zu einer Festnahmewelle.
Fünf Jahre später fragen wir uns, wie Journalist:innen, Aktivist:innen und Künstler*innen gegen autoritäre Regime in Russland, Belarus und Aserbaidschan sowie im Exil kämpfen. Zu Gast sind Sonya Groysman, eine russische Journalistin im Exil in Barcelona, Leyla Mustafayeva, eine aserbaidschanische Journalistin in Berlin, sowie Mykita, ein belarussischer Aktivist, der in Warschau lebt und im Vorstand der Belarussischen Studentenvereinigung aktiv ist. Seinen Nachnamen nennt er aus Sicherheitsgründen nicht. Die Moderation übernimmt Tigran Petrosyan, Leiter der Osteuropa-Projekte der taz Panter Stiftung.
Kritische Stimmen aus Russland, Belarus und Aserbaidschan geraten zunehmend unter Druck: Zensur, Repression und politische Verfolgung bestimmen ihren Alltag. Viele sehen sich gezwungen, ihre Heimat zu verlassen, um im Exil ihre Arbeit fortzusetzen. Während in den Herkunftsländern Tausende in Gefängnissen sitzen und der Raum für offenen Protest immer kleiner wird, entstehen neue Formen des Widerstands jenseits der Straße – außerhalb der Landesgrenzen.
Doch ist der Protest in Belarus und Aserbaidschan wirklich tot? Auch in Russland sind öffentliche Demonstrationen seit dem Beginn des Angriffskrieges gegen die Ukraine kaum noch möglich. Die Risiken für offene Kritik sind hoch. Aber heißt das, dass es keinen Protest mehr gibt?
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Die drei Podcast-Gäste waren Teil eines Workshops der taz Panter Stiftung rund um das Thema Exil im Juli 2025 in Berlin.
Überwachung, Einschüchterung und gezielte Angriffe
Groysman erklärt: „Die Zahl der Straßenproteste, die nach dem Kriegsausbruch stattfanden, ist heute gleich null. Aber es wurden über 40.000 Protestaktionen in Russland gezählt – nur eben nicht direkt gegen den Krieg. Der Protest ist nicht verschwunden, er hat nur seine Form verändert.“
Mustafayeva kritisiert die Rolle Europas – insbesondere in Bezug auf Aserbaidschan. Das Land liefert Öl und Gas an die EU, was laut Mustafayeva direkte Auswirkungen auf die politische Lage hat: „Die Kritik aus Europa an Präsident Aliyev nimmt ab, je enger die wirtschaftlichen Beziehungen werden. Das ermutigt das Regime und verstärkt die Repression. Die Menschen haben Angst, zu protestieren.“
Auch die Kultur ist betroffen: In Russland und Belarus sitzen viele Künstler:innen im Gefängnis oder sind ins Ausland geflohen. In Aserbaidschan hingegen sind viele Kulturschaffende eng mit dem Staat verbunden – sie dürfen keine Kritik äußern und unterstützen die offizielle Linie. Der Raum für künstlerischen Protest existiert vor allem im Exil.
Dabei birgt auch das Exil Gefahren. Die Gäste berichten von Überwachung, Einschüchterung und gezielten Angriffen durch die Geheimdienste ihrer Herkunftsländer – selbst in Europa. Trotzdem bleibt das Exil für viele eine Chance: Hier können sie sich versammeln, arbeiten, ihre Stimmen erheben – und Protest organisieren, der Wirkung zeigt. Denn Widerstand lebt – auch im Exil.
Osteuropa gehört zu den Schwerpunkten der taz Panter Stiftung, die dorthin blickt, wo der Zugang zu Informationen immer schwieriger wird – Russland und Belarus gehören dazu. Am letzten Tag im Monat erscheint eine neue Podcastfolge von „Unser Fenster nach Russland/Belarus“ im Podcastformat „Freie Rede“ der taz Panter Stiftung.
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