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Unruhen in LibyenDiplomatisches Eigentor

Mirco Keilberth
Kommentar von Mirco Keilberth

Mit dem Bekanntmachen des Außenministertreffens hat sich Israel selbst geschadet. Für die libyschen Oppositionellen ist es ein gefundenes Fressen.

Protest gegen das Treffen der libyschen Außenministerin Nadschla al-Mangusch mit ihrem israelischen Amtskollegen Eli Cohen in Tripoli Foto: Yousef Murad/ap

A nfangs kamen Bilder, die man aus der arabischen Welt durchaus gewohnt ist. Als die ersten Meldungen von dem Treffen der libyschen Außenministerin Nadschla al-Mangusch mit ihrem israelischen Amtskollegen Eli Cohen öffentlich gemacht wurden, brannten in mehreren libyschen Städten Autoreifen. Demonstranten griffen das Außenministerium und das Haus des Premierministers Abdul Hamid Dbaiba in Tripolis an.

Doch beim genaueren Hinsehen auf die Proteste gegen jegliche Anerkennung des Staates Israel wird deutlich, dass sich trotz der wirtschaftlichen und politischen Krisen in Nordafrika und dem Nahen Osten viel verändert hat. In den meisten Landesteilen war niemand bereit gegen das “zionistische Gebilde“ zu demonstrieren. Das über Jahrzehnte von den Diktaturen der Region gepflegte Feindbild zieht nicht mehr. Außenministerin Mangusch mußte nicht wegen des Treffens mit israelischen Regierungsvertretern gehen.

Ihr modernes Auftreten missfällt den Ultrakonservativen schon lange. Die gegen den Willen der libyschen Delegation veröffentlichten Details des libysch-israelischen Treffens hat eine ungewöhnliche Allianz aus Salafisten, dem noch aus Gaddafi-Zeiten stammenden Geheimdienst ISA und den Gegnern der Regierung Dbaiba geschaffen. Sie schickte bezahlte Demonstranten auch gegen die immer mutiger auftretenden weiblichen Politikerinnen und Aktivistinnen in Libyen auf die Straße.

Für das Schicksal der durch radikale jüdische Siedler im Westjordanland vertriebene Palästinenser interessieren sich nur wenige in der Region. Der Eigennutz des israelischen Außenministers hat die frühere Menschenrechts-Aktivistinnen Nadschla al-Mangusch in Gefahr gebracht. Mit dem unsensiblen Ausplaudern des vertraulichen Treffens wollte die israelische Regierung daheim punkten.

Auf der Agenda von Regierungschef Benjamin Netanjahu steht die Normalisierung zu Ländern in der arabischen Welt. Ein Vorhaben, das nach dem nun möglichen Sturz der libyschen Regierung eher schwieriger werden dürfte.

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Mirco Keilberth
Auslandskorrespondent Tunis
Mirco Keilberth berichtet seit 2011 von den Umstürzen und den folgenden Übergangsprozessen in Nordafrika. Bis 2014 bereiste er von Tripolis aus Libyen. Zur Zeit lebt er in Tunis. Für den Arte Film "Flucht nach Europa" wurde er zusammen mit Kollegen für den Grimme Preis nominiert. Neben seiner journalistischen Arbeit organisiert der Kulturwissenschaftler aus Hamburg Fotoausstellungen zu dem Thema Migration. Im Rahmen von Konzerten und Diskussionsveranstaltungen vernetzt seine Initiative "Breaking the Ice" Künstler aus der Region, zuletzt in Kooperation mit der Boell-Stiftung im Rahmen des Black Box Libya Projektes.
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10 Kommentare

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  • Schön wenn sich die Beziehungen zwischen Israel und den arabischen Nachbarstaaten verbessern. Schade dass es beiden Seiten nur um ihre eigenen Interessen geht und die Rechte der Palästinener*innen dabei unter die Räder kommen. Ein Frieden wird daraus nicht, sondern dauerhafte Repression.

  • Antisemiten randalieren und brandschatzen und wer hat Schuld?

    Natürlich Israel.

    • @Jim Hawkins:

      " In den meisten Landesteilen war niemand bereit gegen das “zionistische Gebilde“ zu demonstrieren, ...Feindbild zieht nicht mehr".



      Nehmen sie positive Entwicklungen nicht mehr war?

    • @Jim Hawkins:

      Wenn Sie es so sehen wollen, bitte schön, ich hindere Sie nicht. Aber Mirco Keilberth schreibt ja auch, dass diese antizionistischen Reflexe in der libyschen Bevölkerung kaum noch ziehen, dass die Regierungsgegner (sowie auch die persönlichen Gegner der Außenministerin) ihre Anhänger extra mobilisieren mussten (bezahlte Proteste). Überlesen? Die Stossrichtung der Proteste ist also eindeutig innenpolitisch motiviert. Kein Wunder, denn die Menschen dort haben andere Sorgen als die Existenz des Staates Israel.



      Seien Sie doch froh, wenn der Antizionismus/ -semitismus in den arabischen Gesellschaften immer mehr zu einem totgerittenen Gaul mutiert. Normale Beziehungen zwischen Israel und seinen arabischen Nachbarn, ist das nicht nach wie vor ein Ziel, das es anzustreben gilt? Davon können beide Seiten nur profitieren.



      Ob es der geostrategische Hintergedanke der Netanyahu-Regierung ist, mittels dieser Politik der bilateralen Annäherung an einzelne arabische Staaten die Palästinenser weiter zu isolieren und von Unterstützung abzuschneiden, mag dahingestellt sein. Auch bisher erwies sich die arabische Solidarität mit Palästina stets als bloßes Lippenbekenntnis. Und welche Rolle sollten ausgerechnet diplomatische Beziehungen mit dem failed state Libyen dabei spielen?



      So, und jetzt wenden wir uns wohl besser wieder den Problemen mit dem Antisemitismus im eigenen Land zu. Da gibt es genug zu besprechen, siehe der Fall Aiwanger.

      • @Abdurchdiemitte:

        OK, vielleicht war das ein Schnellschuss von mir und es war ein Fehler von Cohen, das Gespräch öffentlich zu machen.

        Er hat da wohl ein Streichholz ins Pulverfass geworfen. Allerdings ist dieses Pulverfass eben auch nicht ohne und sollte nicht als Selbstverständlichkeit gesehen werden.

        Schon Gaddafi war Libyen in Sachen Israel ein ausgesprochener Hardliner unter den arabischen Staaten, der israelfeindliche Terrorgruppen unterstützte und unter anderem hinter dem Anschlag auf das OPEC-Ministertreffen in Wien im Jahr 1975 stand.

        • @Jim Hawkins:

          Und 30 000 Palästinänser:innen vertreiben ließ. Die (quantitativ) zweitgröße Vertreibung von Palästinänsern nach der Nakhba.



          Gaddafi ist ein gutes Beispiel dafür, wie wenig die Feindschaft gegen Israel ursächlich mit den Palästinänsern zu tun hat.



          Man kann sie instrumentalisieren im Kampf gegen Israel und gleichzeitig diskriminieren, ihnen im eigenen Land Staatsbürgerschaft und gleiche Rechte verwehren (bspw in Libanon und Ägypten), ja, vertreiben und ermorden (Lybien, Kuwait) und trotzdem als ihre Beschützer darstellen und manche glauben es auch noch, auch unter westlichen Palästina-Solidaritäts-Linken.



          Gaddafi ist ein gutes, wenn auch wahrlich nicht das einzige Beispiel.

          • @Sayers:

            Ganz genau.

            Und auch wenn die Unruhen möglicherweise oder teilweise gesteuert wurden, wäre dies bei einer Begegnung mit einem Diplomaten irgendeines anderen Landes wohl nicht derartig verlaufen.

            Das libysche Außenministerium hat nach den Vorfällen auch gleich klargemacht, was Sache ist und

            "bekräftigte seine vollständige und absolute Ablehnung der Normalisierung der Beziehungen zu Israel."

  • Völlig richtig der Kommentar. Zumal ausrechnet die momentane Regierung aus Israel sehr schlecht im arabischen Raum angesehen ist. Sucht man die Isolation? Ich glaube nicht doch der Druck von der Straße auf publikgemachte Gesprächspartner wird genau dazu führen.

    • @sachmah:

      Welche Regierung aus Israel war im arabischen Raum gut angesehen?

    • @sachmah:

      Ich sehe kein Motiv, keinen Nutzen für die israelische Seite in einer “Indiskretion” bzgl. der Gespräche mit der libyschen Außenministerin, es sei denn, man (die Netanyahu-Regierung) wollte es darauf anlegen, die derzeitige Regierung in Tripolis zu destabilisieren und so auch nur kleinste innenpolitische Reformschritte dort zu verhindern.



      Fin failed state ist Libyen jedoch ohnehin, auch ganz ohne Zutun Israels und ob sich ausgerechnet dieses schwache nordafrikanische Land hinsichtlich der Solidarität mit den Palästinensern “neutralisieren” lässt, dürfte in Israel als ziemlich belanglos betrachtet werden.



      Did direkten arabischen Anrainerstaaten (Ägypten, Jordanien, Syrien, Libanon) sowie die ökonomisch potenteren wie Saudi-Arabien, Kuwait, die VAE fallen da wohl mehr ins Gewicht.