Unruhen in Brüssel: Fast 100 Festnahmen
Nach dem Tod eines 19-Jährigen kam es trotz Ausgangssperre zu Krawallen. Der junge Mann starb bei einer Verfolgungsjagd mit der Polizei.

Die Unruhen im Brüsseler Problemviertel Anderlecht waren ausgebrochen, nachdem ein Jugendlicher bei einer Verfolgungsjagd ums Leben gekommen war. Der 19-jährige Adil war mit einem Motorroller vor einer Polizeistreife geflohen und schließlich mit einem Polizeiwagen zusammengestoßen. Dabei zog er sich tödliche Verletzungen zu. Die Hintergründe der missglückten Kontrolle waren zunächst unklar.
Offenbar als Reaktion auf den Todesfall kam es am Samstag und Sonntag zu schweren Krawallen. Vermummte Jugendliche griffen Polizisten mit Steinen an und zertrümmerten städtisches Mobiliar. Nach offiziellen Angaben wurden vier Polizeiwagen demoliert und mehrere private Fahrzeuge in Brand gesteckt. Die Polizei setzte Tränengas ein und nahm fast 100 Menschen fest, darunter viele Minderjährige.
Die Familie von Adil distanzierte sich von den Krawallmachern, forderte aber auch eine vollständige Aufklärung des Todesfalls. Adil sei in seinem Viertel als freundlicher und „guter“ junger Mann bekannt gewesen, zitiert die Tageszeitung Le Soir einen Streetworker. In Anderlecht habe es schon viele ähnliche Todesfälle gegeben. Einige Jugendliche hätten Adil rächen wollen.
Anderlechts Bürgermeister: Wollten Trauerzug zulassen
Nach Polizeiangaben kamen viele der Krawallmacher jedoch aus anderen Gemeinden. Anderlechts Bürgermeister Fabrice Cumps zeigte sich überrascht von der Eskalation. Man habe einen Trauermarsch erwartet und diesen auch zulassen wollen – trotz der strikten Ausgangssperre.
Staatssekretär Smet beklagte einen „Bruch des Vertrauens“ zwischen den Jugendlichen und der Polizei. Es gebe Misstrauen und sogar Hass – und zwar auf beiden Seiten. Die Polizei habe möglicherweise Fehler gemacht, sagte der sozialistische Politiker. Die Polizeigewerkschaft SLFP reagierte empört. Smet solle sich besser informieren, bevor er die Polizisten kritisiert, heißt es in einer Erklärung. Die Coronakrise habe schon mehr als 3.600 Todesopfer gefordert, die Politik müsse sich hinter die Sicherheitskräfte stellen.
Obwohl das „Confinement“, also die Ausgangssperre, schon seit vier Wochen gilt, bekommt Belgien die Coronakrise nur schwer in Griff. Die Sterbequote gehört mit zu den höchsten in Europa.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Nach Absage für Albanese
Die Falsche im Visier
Nach Taten in München und Aschaffenburg
Sicherheit, aber menschlich
Treibhausgasbilanz von Tieren
Möchtegern-Agrarminister der CSU verbreitet Klimalegende
Ägyptens Pläne für Gaza
Ägyptische Firmen bauen – Golfstaaten und EU bezahlen